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Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer

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182 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />

So zogen wir denn abermals dah<strong>in</strong>, diesmal als harmlose Fußreisende,<br />

und wenn uns auch Don Alonso zum Öftern e<strong>in</strong>lud, den Karren zu<br />

besteigen, so hatten wir doch ke<strong>in</strong>e Lust dazu, da wir sahen, wie er <strong>in</strong><br />

den Geleisen h<strong>in</strong> und her gestoßen wurde. Die breite Chaussee führte<br />

fast eben durch e<strong>in</strong> schönes, wohlangebautes Land voll gut bearbeiteter<br />

Felder und Olivenpflanzungen, zwischen welchen hie und da spitzige<br />

Kirchthürme hervorschauten. Daß wir dem Süden näher gerückt waren,<br />

bemerkten wir auch an e<strong>in</strong>zelnen Aloen, die h<strong>in</strong> und wider an den<br />

Rändern des Weges emporwuchsen. Zum Schutz der großen Straße von<br />

Madrid nach Sevilla gegen Räuber s<strong>in</strong>d jedesmal <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Zwischenraum<br />

von zwei bis drei Leguas, gewöhnlich auf hochgelegenen Punkten<br />

Stationshäuser für die Guardias Civiles erbaut, von denen Patrouillen<br />

das Land durchstreifen, e<strong>in</strong>zelne Posten aber auch an der Landstraße<br />

vertheilt s<strong>in</strong>d, wo sie aus ihren runden zeltförmigen Erdhütten alles beobachten,<br />

was vorüberzieht. Auch wir entg<strong>in</strong>gen der Aufmerksamkeit<br />

e<strong>in</strong>es dieser Straßenwächter nicht, der uns auf die höflichste Art von<br />

der Welt nach unseren Papieren fragte. Der früher erwähnte Befehl des<br />

Chefs der Gensdarmerie that auch hier wieder se<strong>in</strong>e Wirkung, der Gensdarm<br />

legte ehrfurchtsvoll grüßend se<strong>in</strong>e Hand an den Hut und entließ<br />

uns mit e<strong>in</strong>em freundlichen buenas noches, – e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Vorfall, dem<br />

Don Alonso aufmerksam zuschaute und der uns <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Achtung auffallend<br />

befestigte.<br />

Inzwischen war es dunkel geworden, und an dem klaren Nachthimmel<br />

strahlten und glänzten die Sterne <strong>in</strong> wunderbarer Pracht. Ich glaube<br />

jeder, der sich viel im Freien aufhält und häufig die seltsamen Sternbilder<br />

dort oben sieht, faßt für irgend e<strong>in</strong>s derselben e<strong>in</strong>e besondere<br />

Neigung. So ist es mir wenigstens ergangen, und wenn ich den Orion<br />

sehe, so durchströmt e<strong>in</strong> angenehmes, erwärmendes Gefühl me<strong>in</strong><br />

Herz; er ist mir wie e<strong>in</strong> alter treuer Freund, mit dem ich plaudern kann<br />

und der mich zu verstehen sche<strong>in</strong>t, wenn ich aufwärtsblickend an diese<br />

oder jene Stunde me<strong>in</strong>es Lebens denke. Wir beide haben uns auch schon<br />

viel gesehen, <strong>in</strong> frostiger, schneeglänzender <strong>W<strong>in</strong>ter</strong>nacht und an warmen<br />

Sommerabenden, wenn die Nachtigallen schlugen und e<strong>in</strong> leichter<br />

W<strong>in</strong>d weiße Blüthen spielend herumwehte. Dann wieder auf schwarzem,<br />

tobendem Meer, wo der Orion nur hie und da, wie mir zum Troste,<br />

KAPITEL 16. EIN RITT NACH ANDALUSIEN. 183<br />

durch zerrissene Wolken niedersah, sowie auch im Sande der unendlichen<br />

Wüste, wo er hellfunkelnd an dem stahlfarbenen Himmelsgewölbe<br />

prangte. Er ist e<strong>in</strong> so angenehmes, verständliches Sternbild mit se<strong>in</strong>em<br />

blitzenden Gürtel, mit Keule und Schwert. Heute Abend blieb er uns<br />

treulich zur Seite und war so freundlich, uns nach mehrstündigem Marsche<br />

endlich unser Nachtquartier Santa Cruz zu zeigen, h<strong>in</strong>ter dessen<br />

Häusern er ruhig niedersank. Lebe wohl! rief ich ihm nach, und grüß<br />

mir morgen me<strong>in</strong>e Lieben, die dich auch erblicken werden und wissen,<br />

wie gern ich dich anschaue.<br />

– – Jetzt klapperten die Hufe unserer Maulthiere auf e<strong>in</strong>em recht schlechten<br />

Pflaster, und die Achsen und Räder knarrten und dröhnten. Das<br />

Dorf aber war von e<strong>in</strong>er unausstehlichen Länge, und wir brauchten fast<br />

e<strong>in</strong>e halbe Stunde, ehe wir die Venta zum halben Mond erreichten, die<br />

ganz am andern Ende des Orts lag. <strong>E<strong>in</strong></strong>en Gasthof besaß natürlich Santa<br />

Cruz nicht, und die Eigenthümer e<strong>in</strong>er gewöhnlichen Venta waren<br />

hier an der großen Straße durchaus nicht darauf e<strong>in</strong>gerichtet, Reisende<br />

unserer Art zu empfangen. Der Weg durch die Mancha oder die Straße<br />

von Toledo nach Val de Penas wird wenigstens zur Sommerzeit hie<br />

und da von Reisenden besucht, woher es denn kommt, daß man <strong>in</strong> der<br />

e<strong>in</strong>fachsten Posada oder <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er ganz gewöhnlichen Venta wenigstens<br />

e<strong>in</strong> Stück Speck f<strong>in</strong>det, wie auch Zwiebel, We<strong>in</strong> und Brod. Hier aber an<br />

der großen Straße, wo Diligencen <strong>in</strong> diesen kle<strong>in</strong>eren Orten nie längere<br />

Zeit anhalten, die Posaden also nur von Maulthiertreibern und Kärrnern<br />

besucht werden, ist es nicht Gebrauch, e<strong>in</strong> Mittag- oder Abendessen zu<br />

verlangen. Der <strong>E<strong>in</strong></strong>kehrende erhält hier nur e<strong>in</strong>en Platz für sich und se<strong>in</strong>e<br />

Thiere zum Ausruhen und Schlafen, Wasser aus dem Brunnen und e<strong>in</strong>e<br />

Stelle am Feuer, das die Padrona beherrscht, welche denn auch, wenn<br />

sie gut gelaunt ist, die Zubereitung dessen, was der Fremde mitbr<strong>in</strong>gt,<br />

höchstselbst und gnädigst überwacht.<br />

Diese <strong>E<strong>in</strong></strong>kehrhäuser an der großen Straße unterscheiden sich nicht<br />

viel von den türkischen Karawansereien oder den syrischen Chan’s, gewöhnlich<br />

aber s<strong>in</strong>d es weitläufige Gebäude, um h<strong>in</strong>länglichen Platz zu<br />

bieten für die große Anzahl der Zug- und Lastthiere, die von beiden Seiten<br />

des Wegs zusammenströmen. <strong>E<strong>in</strong></strong> mächtiges Thor verschließt den<br />

<strong>E<strong>in</strong></strong>gang, das erst nach tüchtigem Anklopfen geöffnet wird. Wir waren

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