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Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer

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254 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />

Und wer mich recht ansieht, der wird mich betrachten mit der Ruhe<br />

und Sorgfalt, die ich verdiene. Die Kreise des Himmels sche<strong>in</strong>en neben<br />

mir verdunkelt und mit Wolken bedeckt. Ich entfalte auch weiße Säulen<br />

von großem Werthe, ihre Gestalt ist schlank und frei, und der Schatten,<br />

den sie geben, ist gleich e<strong>in</strong>em hellen Strahl, und an ihnen s<strong>in</strong>d Perlen<br />

ohne Gleichen. Und wer sie errichtet hat, kann sich über alle erheben.<br />

Unvergleichlich ist ihre Pracht und ihr Leben, und Niemand vermag<br />

ihren Preis zu nennen. Und wenn die untergehende Sonne ihre Strahlen<br />

ausbreitet und dieses Gemach trifft, entsteht e<strong>in</strong> Glanz ohne Gleichen,<br />

dem du weder an Form, noch an Farbe etwas vergleichen kannst.<br />

Was mir aber me<strong>in</strong>en größten Werth gibt, ist der Glaube, der <strong>in</strong> mir sich<br />

<strong>in</strong> se<strong>in</strong>em vollsten Glanze zeigt und <strong>in</strong> ihm vere<strong>in</strong>igen sich alle me<strong>in</strong>e<br />

Schönheiten.<br />

Von dem Saal der zwei Schwestern gehen wir durch den Bogengang<br />

des Hofes nach dem H<strong>in</strong>tergrunde desselben <strong>in</strong> den Saal des Gerichtes.<br />

Rechts und l<strong>in</strong>ks von dem Säulenpavillon, der vor ihm <strong>in</strong> der Mitte<br />

liegt, sowie gegen diesen selbst öffnet sich der Saal mit drei großen Bogenportalen<br />

gegen den Löwenhof; jedes derselben ist aber an und für<br />

sich durch zwei freistehende Marmorsäulen wieder zu drei kle<strong>in</strong>eren<br />

Arkaden abgetheilt, vor deren mittleren jedesmal e<strong>in</strong> rundes Wasserbecken<br />

den Fußboden der Bogenhalle unterbricht. Der Saal ist neunzig<br />

Fuß lang und sechszehn breit, also mehr e<strong>in</strong>e Gallerie als e<strong>in</strong> Saal;<br />

den drei Portalen, die ihm alle<strong>in</strong> Licht zuführen, entsprechen jedoch an<br />

se<strong>in</strong>er Rückwand drei große Nischen oder Divans, die ihn auf fünfundzwanzig<br />

Fuß erbreitern. Sechs prachtvolle Querbogen s<strong>in</strong>d von der vordern<br />

nach der Rückwand gesprengt und über denselben wölben sich<br />

drei hohe Kuppeln, wetteifernd an Zierlichkeit mit der des Schwesternsaals.<br />

Es ist leicht zu erachten, welchen reichen Anblick se<strong>in</strong> Inneres<br />

durch diese vieltheilige Disposition gewähren und wie poetisch der dämmerige<br />

Raum den Bewohner stimmen muß.<br />

In den Divans s<strong>in</strong>d, abweichend von der übrigen Verzierungsweise<br />

die Deckengewölbe mit bildlichen Darstellungen auf Goldgrund geschmückt;<br />

die an den Enden etwas abgelöste Bildfläche zeigt, daß die<br />

Gemälde auf Leder aufgetragen s<strong>in</strong>d und die mittlere Darstellung e<strong>in</strong>er<br />

Versammlung von zehn bewaffneten Greisen <strong>in</strong> zwei sich gegenüber-<br />

KAPITEL 18. GRANADA. 255<br />

stehenden Gruppen, wor<strong>in</strong> man e<strong>in</strong>e Rathsversammlung erblickte, hat<br />

dem Saal den Namen sala del Tribunal verliehen; die Bilder <strong>in</strong> den beiden<br />

anderen Nischengewölben stellen Jagden und Kämpfe dar und trage<br />

ich nach der ganzen Vehandlungsweise ke<strong>in</strong> Bedenken, die Bilder für<br />

ächt arabisch zu halten.<br />

Gegenüber dem Saal der beiden Schwestern bef<strong>in</strong>det sich nun der<br />

Saal der Abencerragen, den wir zuletzt betreten. <strong>E<strong>in</strong></strong>e <strong>in</strong> der schon beschriebenen<br />

Form reich geschmückte Bogenthüre führt wie jenseits zuerst<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong> sehr schmales Vorzimmer, gegen das der Saal um etwas erhöht<br />

ist. Er ist länglicht und s<strong>in</strong>d von demselben zu beiden Seiten durch<br />

zwei Bogenwände, die je auf e<strong>in</strong>er freistehenden Marmorsäule ruhen,<br />

zwei Alkoven abgeschnitten, so daß der Mittelraum wieder <strong>in</strong>s Quadrat<br />

gerückt wird. <strong>E<strong>in</strong></strong> breiter reicher Fries läuft an allen Seiten darüber h<strong>in</strong><br />

und von dort nimmt durch bienenzellenartige Übergänge hoher und höher<br />

h<strong>in</strong>auf der Saal die Grundform e<strong>in</strong>es vieleckigen Sternes an, <strong>in</strong> jeder<br />

Seite von e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en, halbrund geschlossenen Luftfenster durchbrochen;<br />

die spitzig nach oben darüber zusammenlaufende Decke, den e<strong>in</strong>und<br />

ausspr<strong>in</strong>genden W<strong>in</strong>keln des Sternes folgend, ist e<strong>in</strong>e so staunenswerthe<br />

Comb<strong>in</strong>ation, daß alle Beschreibung unzureichend wird. Durch<br />

und durch reizend und aller Schwere beraubt, baut diese luftige Architektur<br />

sich bei jedem veränderten Standpunkt kaleidoscopartig zu immer<br />

neuen überraschenden Effecten <strong>in</strong> wirklich den Beschauer verwirrender<br />

Weise zusammen.<br />

Hier hat man e<strong>in</strong>e der wunderbaren Wände, nach dem Vorbild e<strong>in</strong>iger<br />

noch fast ganz wohlerhaltene Stellen, wiederhergestellt, <strong>in</strong>dem man<br />

Farben und Vergoldung auffrischte, und sieht nun deutlicher, wie überaus<br />

reizend diese unendlich verschlungenen arabischen Dess<strong>in</strong>s gewesen<br />

s<strong>in</strong>d. Die Herzog<strong>in</strong> von Montpensier, welche <strong>in</strong> Sevilla wohnt, gibt<br />

jedes Jahr e<strong>in</strong>e bedeutende Summe zur Herstellung der Alhambra, und<br />

diese rühmenswerthe Munificenz hat die Behörden von Granada <strong>in</strong> den<br />

Stand gesetzt, Bedeutendes für die Unterhaltung, ja Wieder<strong>in</strong>standsetzung<br />

der Alhambra zu thun.<br />

Auch an den Gallerieen des Löwenhofs ist man beschäftigt, die Stukkatur-Arbeiten<br />

zu erneuern, zu welchem Zweck man von den alten Verzierungen<br />

neue und sehr genaue Formen gemacht hat, <strong>in</strong> welche die

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