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Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer

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274 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />

zückend schön. Die rothen gewaltigen Thürme des Maurenschlosses,<br />

sich von der grünen Wand scharf abhebend, zogen sich mit ihrer Verb<strong>in</strong>dungsmauer<br />

hier tief h<strong>in</strong>ab und stiegen dort wieder am Abhange<br />

h<strong>in</strong>auf. Von der Höhe glänzten die zierlichen Hallen der Xeneralife blendend<br />

weiß. Und wie war die Straße, auf der wir g<strong>in</strong>gen, so mannigfaltig<br />

und schön belebt; Wagen, Reiter und Fußgänger folgten e<strong>in</strong>ander, umschwärmt<br />

von zahllosen Zigeunerk<strong>in</strong>dern, die mit ausdauernder Zudr<strong>in</strong>glichkeit<br />

Blumen zum Verkauf anboten oder Purzelbäume schlugen,<br />

um e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Gabe zu erlangen; andere dieses <strong>in</strong>dustriellen Volkes<br />

hatten sich auf den hohen Rändern des Weges gelagert und machten<br />

dort mit Guitarren und Panderos unter dem Schmettern der Castanuelos<br />

und den brummenden schnarrenden Tönen der Zambomba e<strong>in</strong>e häufig<br />

sehr barbarische Musik. Was soll ich aber sagen von den Hunderten <strong>in</strong><br />

der That überraschend schönen Weibern und Mädchen, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

nicht enden wollenden Zuge lachend und plaudernd die Höhen h<strong>in</strong>anstiegen,<br />

auf welchen das Kloster der Heiligen liegt. Dicht vor demselben<br />

verengt sich der Weg und w<strong>in</strong>det sich ziemlich steil durch e<strong>in</strong> dichtes<br />

Gebüsch h<strong>in</strong>auf, und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er solchen Biegung der Straße ließen wir uns<br />

auf e<strong>in</strong>em alten umgestürzten Baumstamme nieder und da ausruhend<br />

die schöne Damenwelt Granada’s an uns vorüberziehen zu lassen. So<br />

was hatten wir <strong>in</strong> der That bis jetzt <strong>in</strong> <strong>Spanien</strong> noch nicht erlebt. <strong>E<strong>in</strong></strong><br />

wunderschönes Mädchen folgte dem andern, nicht blos mit schwarzen<br />

glänzenden Augen <strong>in</strong> dem reizenden Gesichte, mit dichtem glänzendem<br />

Haar, blühenden Lippen und weißen Zähnen, sondern auch mit der elegantesten<br />

und graziösesten Taille und den zierlichsten kle<strong>in</strong>en Füßen<br />

stiegen sie plaudernd und schäkernd leicht und gewandt wie Gemsen<br />

den Abhang h<strong>in</strong>an, um droben zwischen dem Grün zu verschw<strong>in</strong>den.<br />

Und nicht nur war hie und da <strong>E<strong>in</strong></strong>e wirklich schön, ne<strong>in</strong>, Alle, Alle; ja,<br />

und unter vielleicht tausenden, die hier vorbei kamen, befanden sich<br />

nicht e<strong>in</strong> halbes Dutzend, bei denen man nicht hätte ausrufen mögen:<br />

Wie reizend! wie schön! Wir sahen nur staunend e<strong>in</strong>ander an und lachten<br />

immer herzlicher, so oft e<strong>in</strong>e neue Gruppe sichtbar ward. Unsere<br />

Fröhlichkeit und die augensche<strong>in</strong>liche Freude, mit der wir die Mädchen<br />

anstaunten, schien aber die schönen Spanier<strong>in</strong>nen nicht im Ger<strong>in</strong>gsten<br />

zu verletzen. Ebenfalls uns entgegenlachend zeigten sie ihre blendenden<br />

KAPITEL 18. GRANADA. 275<br />

Zähne und blitzten uns unter Mantille und Fächer hervor mit ihren gefährlichen<br />

Augen an. Schwer ist es dabei zu sagen, wor<strong>in</strong> eigentlich die<br />

andalusische Schönheit besteht. Auch an andern Mädchenköpfen f<strong>in</strong>det<br />

man dieselben dunkeln Haare, ebenso strahlende Augen, frische Lippen<br />

und schöne Zähne, und doch macht das Ensemble nicht die überwältigende<br />

Wirkung, wie bei diesen Südspanier<strong>in</strong>nen. Liegt dieser unnennbare<br />

Reiz <strong>in</strong> dem zauberhaften Te<strong>in</strong>t, der, obgleich weiß und blendend,<br />

doch e<strong>in</strong>en bräunlichen Anflug hat, durch welchen wieder e<strong>in</strong> wunderbares<br />

Roth hervorbricht; liegt er <strong>in</strong> den schwarzen prächtig gewölbten<br />

Brauen und den langen seidenen Wimpern, welche fast schläfrig über<br />

die Augen herabhängen? Aber diese Augen! Sie s<strong>in</strong>d es wohl, sie, die<br />

wahrhaft sengend hervorblitzen, die so unaussprechlich beredt s<strong>in</strong>d,<br />

wor<strong>in</strong> das eigenthümlich Reizende dieser Spanier<strong>in</strong>nen besteht. Freilich<br />

ist auch die andalusische Tracht so schön und kleidsam, als irgend e<strong>in</strong>e<br />

<strong>in</strong> der Welt, die dunkelseidene Bascsu<strong>in</strong>a, die den Körper umspannt und<br />

die vollen, reichen Umrisse desselben, die sie verhüllen soll, erst recht<br />

zeigt, und vor allem die Mantille! Hier durch e<strong>in</strong>en niederen Kamm auf<br />

den dichten Flechten des H<strong>in</strong>terkopfes gehalten, fällt ihr Spitzenrand<br />

leicht auf die Stirn, der längere Theil aber über Nacken und Rücken, sowie<br />

an den beiden Seiten des Kopfes herab, wobei es die Andalusier<strong>in</strong> so<br />

meisterhaft versteht, mit dem dünnen Gewebe bald die Gluth des Auges<br />

zu verdecken, bald die vollen Strahlen hervorbrechen zu lassen. Zu<br />

diesem gefährlichen Spiele kommt noch der stets bewegliche, goldglänzende<br />

Fächer, der hier dazu dient, e<strong>in</strong>en allzukühnen Blick abzuwehren,<br />

dort e<strong>in</strong> Zeichen gibt, oder zusammenfallend die ganze Gluth der<br />

Augen auf e<strong>in</strong>en geliebten Gegenstand ausströmen läßt. Für die ganze<br />

wunderbare Ersche<strong>in</strong>ung e<strong>in</strong>er schönen Andalusier<strong>in</strong> mit ihrem so unbeschreiblich<br />

liebenswürdigen und koketten Wesen, mit der Elasticität<br />

und Grazie ihres Körpers, wor<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e spanische Maja die eleganteste Pariser<strong>in</strong><br />

weit übertrifft, gibt es im Spanischen e<strong>in</strong>en unübersetzbaren Ausdruck:<br />

sal andaluz, andalusisches Salz. Vor e<strong>in</strong>em reizenden Mädchen<br />

ruft der Spanier entzückt aus: tiene mucha sal, sie hat viel Salz oder es<br />

muy salada: sie ist sehr gesalzen; das kl<strong>in</strong>gt freilich <strong>in</strong> der Übersetzung<br />

eigenthümlich und läßt sich nur dann verstehen, wenn man es am richtigen<br />

Ort angewendet gehört hat. Die zärtlichsten Ausdrücke des Anda-

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