Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
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86 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />
f<strong>in</strong>det aber <strong>in</strong> dieser Richtung sich sehr enttäuscht. Schon die Räumlichkeiten<br />
des Schlosses s<strong>in</strong>d nicht groß und imposant, und die <strong>E<strong>in</strong></strong>richtung<br />
sehr bescheiden und mangelhaft. In vielen Zimmern wurden die<br />
gewöhnlichsten Stoffe zu Vorhängen und zu Bedeckung von Möbeln<br />
angewandt, ja manches Gemach f<strong>in</strong>det man mit Strohstühlen möblirt,<br />
und fast durchgängig statt der Teppiche allerd<strong>in</strong>gs kunstreich geflochtene<br />
B<strong>in</strong>senmatten. Man kann sich denken, mit welch großem Interesse<br />
wir die Gemächer der König<strong>in</strong>, noch mehr aber des Infanten Don Sebastians,<br />
und vor allem Don Carlos betrachteten.<br />
Leider s<strong>in</strong>d sie aber fast gänzlich ausgeräumt und man f<strong>in</strong>det hier<br />
nicht mehr das Ger<strong>in</strong>gste, was mit e<strong>in</strong>igem Sche<strong>in</strong>e von Wahrheit aus jener<br />
Zeit herzuleiten wäre. Die Fenster <strong>in</strong> den Zimmern des Infanten Don<br />
Carlos gehen auf e<strong>in</strong>e düstere aber doch <strong>in</strong>teressante Partie des wunderschönen<br />
Inselgartens, den wir später betreten werden. – Wird man<br />
es komisch f<strong>in</strong>den, wenn ich mich vor diesen Fenstern lehnend <strong>in</strong> tiefen<br />
Träumereien erg<strong>in</strong>g und lange zwischen die hundertjährigen Bäume<br />
blickend, endlich jene gewaltige räthselhafte Zeit lebendig <strong>in</strong> mir aufsteigen<br />
ließ und die stillen Laubgänge mit me<strong>in</strong>en Phantasiegebilden bevölkerte!<br />
Ja, ich that das, und plötzlich schien mir der stille Garten nicht<br />
mehr wie ausgestorben: auf dem fe<strong>in</strong>en Sande se<strong>in</strong>er Wege rauschte und<br />
knisterte es unter kle<strong>in</strong>en Damenfüßen und langen seidenen schleppenden<br />
Gewändern, Guitarrenklänge ertönten aus den dunklen Bosquets,<br />
und am Ende jener Allee, die der Infant hier von dem Fenster aus überblicken<br />
konnte, zeigte sich freilich nur auf Augenblicke die Gestalt e<strong>in</strong>er<br />
schönen Dame mit dem Kopfe nickend, mit dem Fächer spielend, vielleicht<br />
die räthselhafte Pr<strong>in</strong>zess<strong>in</strong> Eboli, die gewiß oft h<strong>in</strong>aufschaute nach<br />
den Fenstern des Königssohnes.<br />
Doch diese Träumereien verschwanden wie sie kamen. Ich war alle<strong>in</strong><br />
geblieben <strong>in</strong> den Zimmern des Infanten, nun aber trat der Hausverwalter<br />
unter die Thüre mit se<strong>in</strong>em Schlüsselbunde klirrend. Folgen wir ihm<br />
<strong>in</strong> die übrigen Räume des Schlosses! Das e<strong>in</strong>zige und wirklich Prachtvolle<br />
ist der japanische Salon und der Spiegelsaal aus der Zeit Karls III.<br />
Die Wände s<strong>in</strong>d mit Porzellanplatten bedeckt, welche man Basreliefs <strong>in</strong><br />
Porzellan nennen könnte, denn aus dem farbig angegebenen Grunde<br />
treten die mannigfaltigsten Figuren: menschliche Gruppen, Thiere, Blu-<br />
KAPITEL 14. ARANJUEZ. 87<br />
men, alles das verbunden durch das seltsamste Schnörkelwerk, <strong>in</strong> halber<br />
Rundung hervor. Interessant ist der Kronleuchter, ebenfalls aus Porzellan,<br />
e<strong>in</strong> wahrer Knäuel, wo sich Ranken und phantastische Gestalten<br />
aller Art <strong>in</strong> den sonderbarsten Wendungen hundertfach verschl<strong>in</strong>gen.<br />
Die Ausschmückung dieses japanischen Salons lieferte die königliche<br />
Porzellanfabrik <strong>in</strong> Madrid, und wenn man diese wirklich kunstvollen<br />
Arbeiten bewundert, so kann man es nur bedauern, daß die Porzellanfabrikation<br />
heute so gut wie gar nicht mehr existirt. Was sich sonst noch<br />
an Sehenswürdigkeiten im Schlosse f<strong>in</strong>det, s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>ige gute Fresken und<br />
Deckengemälde von Velasquez, sowie hie und da zerstreut prachtvolle<br />
Mosaiken und Krystallgefässe, Alabasterwerke, Broncen, aus welchen<br />
übrig gebliebenen glänzenden Spuren man wohl errathen kann, wie die<br />
<strong>E<strong>in</strong></strong>richtung des Palastes e<strong>in</strong>stens gewesen se<strong>in</strong> mag.<br />
Das Prächtigste oder doch das Reizendste und Schönste <strong>in</strong> Aranjuez<br />
ist aber der Inselgarten, der dicht ans Schloß stößt und durch die vorh<strong>in</strong><br />
erwähnte Blumenterrasse mit demselben zusammenhängt. Er hat se<strong>in</strong>en<br />
Namen daher, weil er von zwei Armen des Tajo umfaßt wird, der<br />
sich oberhalb spaltet und dann wie liebend die hoch aufgemauerten Terrassen<br />
umfluthet, auf denen der Garten liegt. Der schönste Punkt ist bei<br />
der Blumenterrasse, wo der Tajo <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er ganzen Breite, kaum leicht bewegt,<br />
wie e<strong>in</strong> silbernes <strong>Band</strong> aus dem Schatten dichtbelaubter Bäume<br />
hervortritt, um unmittelbar vor dem Schlosse e<strong>in</strong>en über zwanzig Fuß<br />
hohen imposanten Wasserfall zu bilden, dessen Anblick <strong>in</strong> der Hitze des<br />
Sommers kühlend und erfrischend se<strong>in</strong> muß. Dann wirkt se<strong>in</strong> Tosen, das<br />
Grollen und Murmeln se<strong>in</strong>er Wasser gewiß e<strong>in</strong>schläfernd und ladet den<br />
Beschauer zur Siesta e<strong>in</strong>, der den schönen Fall von e<strong>in</strong>em der ste<strong>in</strong>ernen<br />
Bänke betrachtet, welche am Rande der Terrassenbrustwehr, unter<br />
hundertjährigen Bäumen stehen. <strong>E<strong>in</strong></strong>e prächtige vierfache Platanenallee<br />
der ältesten Bäume zieht sich neben dem Wasserfall und dem Tajo dah<strong>in</strong>;<br />
dieselbe hat vielleicht hundert Schritte vom Schlosse entfernt e<strong>in</strong>e<br />
Wendung gemacht, man sieht von den Gebäuden nichts mehr und bef<strong>in</strong>det<br />
sich auf e<strong>in</strong>em heimlichen stillen Plätzchen, welches durch dichte<br />
Gebüsche und hohe Hecken vor jedem Blicke geschützt ist, während das<br />
Murmeln des Tajo e<strong>in</strong>em argwöhnisch lauschenden Ohre nicht gestattet,<br />
den ger<strong>in</strong>gsten Laut e<strong>in</strong>es Gespräches, das hier geführt wird, verrätherisch<br />
zu erspähen.