Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
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208 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />
königliche Jaen, bis auf den Marktplatz, wo sich die Fonda befand, welche<br />
man uns empfohlen. Bei dem Lärm, mit dem wir über den nächtlichen<br />
stillen Platz zogen und vor dem Hause hielten, erschien denn auch<br />
sogleich der Wirth, e<strong>in</strong>e untersetzte komische Figur <strong>in</strong> braunem Mantel,<br />
den spitzen Hut auf dem Kopfe, mit der Rechten e<strong>in</strong>en Leuchter<br />
hoch emporhaltend, dessen Licht uns erhellte, zugleich aber auch das<br />
verschmitzte und lächelnde Gesicht unseres Ventero. Er hieß uns mit e<strong>in</strong>er<br />
feierlichen Rede willkommen und führte uns dann h<strong>in</strong>auf <strong>in</strong> se<strong>in</strong><br />
Haus, wo die besten Zimmer zu unserem Empfang sogleich <strong>in</strong> Bereitschaft<br />
gesetzt wurden. Diensteifrig wie er war, belud er sich auch mit<br />
unseren Effekten, und als wir es uns oben bequem gemacht, blieb er<br />
im Zimmer stehen und betrachtete mit großer Bewunderung unsere an<br />
sich höchst e<strong>in</strong>fachen Gewehre. Daß wir das große spanische Messer <strong>in</strong><br />
der Faja trugen, schien ihm ausnehmend zu gefallen; er me<strong>in</strong>te, dieß sei<br />
die erste Waffe der Welt, wenn man sie nur gut zu gebrauchen verstehe.<br />
Darauf zog er se<strong>in</strong> eigenes hervor, dessen Kl<strong>in</strong>ge beiläufig gesagt,<br />
über e<strong>in</strong>en Schuh lang war, wickelte sich e<strong>in</strong>en Theil des Mantels um<br />
den l<strong>in</strong>ken Arm, den er so als Schild gebrauchte, und stellte sich mit<br />
emporgeworfenem Kopf herausfordernd <strong>in</strong> Positur, was bei der kle<strong>in</strong>en<br />
dicken Gestalt äußerst komisch aussah. Dazu erzählte er uns mit e<strong>in</strong>er<br />
ungeheuren Zungenfertigkeit von den drei Angriffsarten mit dem spanischen<br />
Messer, den Wurf behandelte er als etwas Feiges, den Stich <strong>in</strong><br />
die Brust verachtete er ebenfalls, wogegen er für den Hieb <strong>in</strong> den Leib<br />
oder quer durch den Hals auf wahrhaft cannibalische Art schwärmte<br />
und zu wiederholten Malen denselben gegen uns anwendend vorsprang,<br />
was übrigens bei uns e<strong>in</strong> unauslöschliches Gelächter hervorrief,<br />
denn unser Wirth <strong>in</strong> dem braunen Mantel, wenn er so wie toll h<strong>in</strong> und<br />
her sprang, sah aus wie e<strong>in</strong> wahns<strong>in</strong>nig gewordener Affe. Plötzlich aber<br />
schien er sich auf se<strong>in</strong>e Würde als Spanier und Wirth zu bes<strong>in</strong>nen, er<br />
steckte se<strong>in</strong> Messer e<strong>in</strong>, faßte an den Rand des Hutes und sagte mit vieler<br />
Gravität: Verzeiht, Caballeros, ich würde mir nicht erlaubt haben,<br />
e<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>ute lang hier zu verweilen, wenn ich nicht wüßte, daß me<strong>in</strong>e<br />
Gemahl<strong>in</strong> schon eifrig mit dem Nachtessen für Sie beschäftigt ist. Dann<br />
blickte er höchst ernsthaft an die Decke, während er an den F<strong>in</strong>gern herzählte:<br />
wir haben also e<strong>in</strong>e Fischsuppe, andalusisches Gericht – vortreff-<br />
KAPITEL 17. JAEN. 209<br />
lich. Dann Braten mit Zwiebeln, wie man ihn <strong>in</strong> Madrid nicht besser<br />
bekommt; wir haben ferner e<strong>in</strong>en Salat mit Geflügel – dabei schnalzte<br />
er statt e<strong>in</strong>er weiteren Empfehlung mit dem Munde – dann e<strong>in</strong>e süße<br />
Schüssel, auf deren Bereitung jeder Spanier stolz ist, und endlich selbstredend<br />
das Dessert. Wenn mich die Caballeros gütigst verabschieden,<br />
so werde ich Sorge dafür tragen, daß so schnell als möglich angerichtet<br />
wird.<br />
Daß wir Don Ramiro – so hieß unser Wirth – <strong>in</strong> jeder Beziehung gern<br />
verabschiedeten verstand sich von selbst. Bald hörten wir auch im Nebenzimmer<br />
Stühle rücken, Teller klappern und das Souper nahm se<strong>in</strong>en<br />
Anfang. Leider war es aber nicht im <strong>E<strong>in</strong></strong>klänge mit den stolzen Worten<br />
des Spaniers; die vortreffliche Fischsuppe roch so stark, daß ich mich<br />
nicht entschließen konnte, sie auch nur zu versuchen; der Braten war<br />
e<strong>in</strong> Gemengsel von verkohlten Knochen, Sehnen und Muskeln, und das<br />
Huhn zum Salat schien an der Schw<strong>in</strong>dsucht gestorben zu se<strong>in</strong>. Glücklicherweise<br />
hatte die Kochkunst von Don Ramiro’s Gatt<strong>in</strong> an Brod und<br />
We<strong>in</strong> nichts verderben können, und blieben uns diese beiden Sachen,<br />
sowie e<strong>in</strong>e sehr mittelmäßige Chokolade zur Stillung unseres Hungers<br />
und Dursts. Dabei kann ich nicht verschweigen, daß wir von der Hausfrau<br />
selbst bedient wurden, daß diese aber e<strong>in</strong> so erschreckend häßliches<br />
Gesicht hatte wie ich lange nichts gesehen, ihre Gesichtsfarbe war aschfahl,<br />
die Haut verdeckte nothdürftig die Knochen, so daß man glaubte,<br />
e<strong>in</strong>en Todtenkopf vor sich zu sehen.<br />
Das Haus, <strong>in</strong> dem wir uns befanden, war sehr groß und schien ehemals<br />
der Palast e<strong>in</strong>es Vornehmen gewesen zu se<strong>in</strong>; es hatte e<strong>in</strong> weites,<br />
schönes Treppenhaus, dessen Decke von Säulen getragen wurde; breite<br />
ste<strong>in</strong>erne Stufen führten <strong>in</strong> den ersten Stock, auf e<strong>in</strong>en Vorplatz und<br />
geräumige Corridors, an die sich die Gastzimmer anschlossen, ebenfalls<br />
breit, sehr hoch, mit großen Fenstern und alten geschnitzten Doppelthüren.<br />
Unsere Betten waren nicht schlechter als man sie gewöhnlich <strong>in</strong><br />
<strong>Spanien</strong> f<strong>in</strong>det. Die Aussicht von unserm Salon, die wir noch bei Mondsche<strong>in</strong><br />
genossen, war sehr schön; wir sahen auf verschiedene Gärten,<br />
<strong>in</strong> denen sich kle<strong>in</strong>e Häuser befanden, und hatten vor uns das Ende<br />
des Gebirgszuges, welcher die Stadt umgibt, mit dem alten Schlosse,<br />
das hier von der Seite gesehen noch kecker und trotziger an dem Felsen<br />
h<strong>in</strong>g.