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Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer

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28 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />

rühmtesten Maler; namentlich ist hier Murillo, Tizian, Raphael, Giordione<br />

und Velasquez reich vertreten. Gerade dem <strong>E<strong>in</strong></strong>gang gegenüber hängt<br />

der Spasimo von Raphael, leider nicht mehr <strong>in</strong> dem anfänglichen Colorit,<br />

sondern durch häufige Retouchen aller Abstufung der Farbe vom<br />

Vorder- nach dem H<strong>in</strong>tergrund beraubt. L<strong>in</strong>ks davon ist von Murillo e<strong>in</strong><br />

wunderbares Bild, vor dem ich stundenlang gesessen, una concepcion,<br />

die Jungfrau Maria auf dem Halbmond stehend, der von den Engeln emporgetragen<br />

wird. Murillo hat mehrere dieser ganz ähnlichen Madonnen<br />

gemalt; von e<strong>in</strong>er, die sich <strong>in</strong> der Sammlung des Louvre bef<strong>in</strong>det,<br />

existirt e<strong>in</strong> guter Kupferstich; doch hat der Kopf des Pariser Bildes nicht<br />

den wunderbaren Ausdruck dieser Jungfrau Maria. Es ist das ganz unbeschreiblich,<br />

und auf mich hat dieses Bild e<strong>in</strong>en solch mächtigen <strong>E<strong>in</strong></strong>druck<br />

gemacht daß, wenn ich die Augen schließe, ich sie heute noch<br />

deutlich vor mir sehe, diese wunderbare Gestalt, die dem Beschauer so<br />

körperlich aus den Wolken entgegentrat, daß es ihn süß durchschauert.<br />

Das edle, blasse Gesicht zeigt e<strong>in</strong>e unaussprechliche Verklärung und das<br />

aufwärts blickende Auge der Jungfrau ist halb gebrochen von himmlischer<br />

Lust. Dabei ist das Bild so e<strong>in</strong>fach <strong>in</strong> der Farbe, Maria im hellen<br />

Gewande mit e<strong>in</strong>em blauen Mantel, der um den rechten Arm und die<br />

Füße wallt, und aus welchem der silberne Halbmond bl<strong>in</strong>kt, den so reizende<br />

kle<strong>in</strong>e Engel tragen, wie sie eben nur Murillo malen kann.<br />

Für mich ist dieser Künstler, nachdem ich se<strong>in</strong>e Bilder <strong>in</strong> <strong>Spanien</strong><br />

gesehen, überhaupt der größte Maler aller Zeitalter, se<strong>in</strong>e Figuren s<strong>in</strong>d<br />

menschliche Wesen, aber Geschöpfe, wie sie der Schöpfer nur <strong>in</strong> guter<br />

Laune hervorbr<strong>in</strong>gt, kräftig und wahr, schön und edel. Murillo mit e<strong>in</strong>er<br />

Welt von Gedanken kannte die Leidenschaften und alle edeln Gefühle,<br />

die e<strong>in</strong>e menschliche Seele erfüllen; und damit hat er se<strong>in</strong>e Schöpfungen,<br />

unterstützt von e<strong>in</strong>em ungeheuren Talente, ausgestattet.<br />

Von Tizian bef<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> dem Mittelsaale u. A. e<strong>in</strong> sehr großes und<br />

schönes Bild, das, obgleich nur e<strong>in</strong> Portrait, mich viele Zeit gekostet. Es<br />

ist Carl der Fünfte, <strong>in</strong> voller, schwarzer Rüstung zu Pferde, Reiter und<br />

Roß <strong>in</strong> Lebensgröße. <strong>E<strong>in</strong></strong>en eigenthümlichen <strong>E<strong>in</strong></strong>druck macht es, daß der<br />

Maler zum H<strong>in</strong>tergrund e<strong>in</strong>e weite, flache Gegend gewählt, über welche<br />

schon die Abenddämmerung here<strong>in</strong>bricht. Fern am Horizonte ziehen<br />

schwere Streifen dunkler Wolkenmassen dah<strong>in</strong> und zwischen ih-<br />

KAPITEL 12. MADRID. 29<br />

nen durch sieht man den gelben, leuchtenden Reiter der schon untergegangenen<br />

Sonne. Der Kaiser hält etwas nachlässig die Zügel des galoppirenden<br />

Pferdes und sche<strong>in</strong>t die lange Lanze, die er <strong>in</strong> der Rechten<br />

trägt, eben gegen etwas Fe<strong>in</strong>dseliges e<strong>in</strong>legen zu wollen. So ersche<strong>in</strong>en<br />

auch die angespannten Gesichtszüge se<strong>in</strong>es emporgehobenen Kopfes,<br />

von dem der röthliche K<strong>in</strong>nbart drohend absteht; die Augen blicken<br />

scharf <strong>in</strong> die Ferne und der Oberkörper ist wie erwartend vorgestreckt.<br />

Ob von diesem Bild e<strong>in</strong> Kupferstich existirt, weiß ich nicht, glaube<br />

es aber kaum, doch wäre dieß e<strong>in</strong> schöner Vorwurf für e<strong>in</strong>en Kupferstecher.<br />

Die Rotunde enthält vielleicht über sechzig Bilder, alles große<br />

unschätzbare Meisterwerke, die nur leider viel zu dicht e<strong>in</strong>es neben das<br />

andere gedrängt hängen. Ich will hier nur neben se<strong>in</strong>er herrlichen Übergabe<br />

von Breda noch e<strong>in</strong>es Gemäldes von Velasquez erwähnen, das Interieur<br />

se<strong>in</strong>es eigenen Hauses, wenn ich nicht sehr irre, mit spielenden<br />

K<strong>in</strong>dern und dem Künstler selbst vor se<strong>in</strong>er Staffelei stehend. Im H<strong>in</strong>tergrunde<br />

erblickt man <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Spiegel reflectirend die Gestalt König<br />

Philipps des Vierten, der den Maler <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Atelier überrascht. Hieran<br />

knüpft sich noch e<strong>in</strong>e ganz hübsche und wohl verbürgte Anecdote. König<br />

Philipp der Vierte soll nämlich dieses Bild, als es fertig war, aufmerksam<br />

betrachtet und belobt, endlich aber zu Velasquez gesagt haben: In<br />

de<strong>in</strong>em Bilde fehlt noch e<strong>in</strong>e Kle<strong>in</strong>igkeit, die ich h<strong>in</strong>zufügen will. Und<br />

darauf habe er Palette und P<strong>in</strong>sel genommen und auf dem Portrait des<br />

Künstlers im Bilde den Calatrava-Orden ziemlich roh h<strong>in</strong>gemalt, wie er<br />

heute noch zu sehen ist.<br />

Von unserem Landsmann Dürer ist e<strong>in</strong>e Jungfrau mit dem K<strong>in</strong>de <strong>in</strong><br />

der Rotunde, e<strong>in</strong> schönes und liebes Bild, würdig des Besten, was sich<br />

hier bef<strong>in</strong>det; e<strong>in</strong> anderes allegorisches Gemälde desselben: Jugend, Alter<br />

und Tod darstellend, thut <strong>E<strong>in</strong></strong>em weh zwischen den lebensfrischen<br />

Bildern von Murillo und Velasquez; e<strong>in</strong> großer Künstler, der, wenn er<br />

auch <strong>in</strong> ganz anderem Genre malte, Murillo sehr nahe kommt.<br />

In e<strong>in</strong>em der untern Säle hängen von Velasquez vielleicht zwanzig<br />

Gemälde nebene<strong>in</strong>ander, alles lebensgroße Portraits ven spanischen Königen<br />

und Infanten, Hofzwergen, ehrenhaften Bürgern und prachtvolle<br />

Bettlergestalten. Das ist aber Alles mit e<strong>in</strong>er fast erschreckenden Wahrheit<br />

gemalt, und wo man e<strong>in</strong>s dieser Bilder lange und fest ansieht, da

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