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Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer

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74 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />

deten Chorknaben, welche theils die Schleppen der langen Gewänder<br />

trugen, theils die goldenen Rauchfässer schwangen. Nachdem sich beide<br />

Züge um den Sarg der Pr<strong>in</strong>zess<strong>in</strong> gruppirt, trat der Kaplan und Secretär<br />

des Patriarchen der beiden Indien vor und las mit lauter Stimme<br />

den Befehl Ihrer Majestät der König<strong>in</strong>, wornach die Leiche ihrer Tochter<br />

dem ersten Geistlichen der Kirche San Lorenzo, welche früher e<strong>in</strong> Kloster<br />

gewesen, jetzt aber zum Range e<strong>in</strong>er königlichen Kapelle erhoben<br />

worden sei, übergeben werden solle, damit derselbe nach hergebrachter<br />

Ordnung für die Beisetzung Sorge trage. <strong>E<strong>in</strong></strong> Archivar der Krone verlas<br />

hierauf e<strong>in</strong>e Verordnung des Königs Philipp IV., die Beisetzung der Mitglieder<br />

des königlichen Hauses betreffend. Dann näherte sich der erste<br />

Geistliche des Escorial dem Sarge und fragte den Oberstkammerherrn<br />

Ihrer Majestät, ob er von der König<strong>in</strong> beauftragt sei, den Körper der Infant<strong>in</strong><br />

zu überbr<strong>in</strong>gen, was dieser mit e<strong>in</strong>em lauten Ja beantwortete. Vor<br />

dem Kammerherrn wurde nun die rothe Decke abgehoben, der äußere<br />

Sarg geöffnet, <strong>in</strong> welchem sich e<strong>in</strong> zweiter von Blei befand, der e<strong>in</strong>e mit<br />

Krystall verschlossene Öffnung hatte, durch welche man den Kopf der<br />

Infant<strong>in</strong> sehen konnte. Der Oberststallmeister und der Oberstkammerherr<br />

traten näher, betrachteten e<strong>in</strong>en Augenblick das kle<strong>in</strong>e bleiche Gesicht<br />

und verkündeten den Umstehenden laut und feierlich, es sei dieß<br />

<strong>in</strong> der That der Leichnam Ihrer königlichen Hoheit, den sie im Schlosse<br />

von Madrid übernommen. Der erste Geistliche von San Lorenzo, von<br />

se<strong>in</strong>em Diakonus und Subdiakonus assistirt, sprach nun den Segen über<br />

die Todte, besprengte sie mit geweihtem Wasser, worauf sich beide Gefolge<br />

vere<strong>in</strong>igten und unter Voraustragung der zwei Kreuze den Sarg <strong>in</strong><br />

die Kirche begleiteten, den vier Stallmeister emporhoben und später vor<br />

dem Hochaltar auf der schon oben erwähnten Estrade niederließen.<br />

Es ist auffallend, wie oft bei der Beisetzung e<strong>in</strong>es Mitglieds der königlichen<br />

Familie die Identität der Verstorbenen bestätigt werden muß.<br />

Gleich nach dem Tode der kle<strong>in</strong>en Pr<strong>in</strong>zess<strong>in</strong> wurde diese <strong>in</strong> dem Schlafzimmer,<br />

wo sie verstorben, der ersten Staatsdame der König<strong>in</strong> und Erzieher<strong>in</strong><br />

der Pr<strong>in</strong>zess<strong>in</strong> von Asturien übergeben, welche die kle<strong>in</strong>e Leiche<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en der Säle br<strong>in</strong>gen ließ, sich ihr zu Häupten setzte und warten<br />

mußte, bis der M<strong>in</strong>ister des Hauses und der erste Notar des Königreichs<br />

erschienen, denen sie feierlich bezeugte, sie sei beim Tode der Pr<strong>in</strong>zess<strong>in</strong><br />

KAPITEL 13. ESCORIAL. 75<br />

zugegen gewesen und habe den Körper derselben ke<strong>in</strong>en Augenblick<br />

verlassen, worüber der Großnotar folgenden Akt aufnahm: Ich bezeuge<br />

und bestätige, daß Ihre königliche Hoheit im königlichen Palast e<strong>in</strong>es<br />

natürlichen Todes starb; zu Erfüllung me<strong>in</strong>es Amtes eilte ich an ihrem<br />

Todestage <strong>in</strong> der Frühe herbei, trat <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en der Säle des Palastes und<br />

sah die Leiche Ihrer königlichen Hoheit, das Gesicht gänzlich enthüllt;<br />

sie war bekleidet mit e<strong>in</strong>em weißen Battistkleide, reich gestickt und mit<br />

dem königlichen Wappen e<strong>in</strong>gefaßt; sie lag auf seidenen Kissen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

großen Platte von Silber.<br />

So oft nun e<strong>in</strong> neuer Beamter, der bei der Beerdigung zu thun hat,<br />

ersche<strong>in</strong>t, spricht er <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Protokoll aus, daß er sich von der Identität<br />

überzeugt habe. Die Kammerherren, welche bei Schließung des Sargs<br />

gegenwärtig s<strong>in</strong>d, thun dasselbe, ebenso die Hausbeamten, welche ihn<br />

<strong>in</strong> die königliche Kapelle tragen, und hier nicht m<strong>in</strong>der der Patriarch der<br />

beiden Indien nach sorgfältiger Betrachtung der Todten. Ja, ehe man ihn<br />

auf den Wagen setzt, wird der Sarg nochmals geöffnet, und das Gleiche<br />

sahen wir <strong>in</strong> der Vorhalle von San Lorenzo.<br />

Unterdessen war der Zug <strong>in</strong> der Kirche verschwunden, und während<br />

dem hatten die Geschütze e<strong>in</strong>e neue Salve gegeben, die Glocken<br />

läuteten, draußen spielte das Musikchor fort und fort den königlichen<br />

Marsch, und nur zuweilen, wenn e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Pause e<strong>in</strong>trat, hörte man<br />

die gewaltigen Töne der Orgel der Kirche. Doch nur kurze Zeit noch<br />

dauerten diese lärmenden Ehrenbezeugungen. Der letzte Schuß verhallte<br />

<strong>in</strong> den Bergen, das Musikchor schwieg, die Soldaten traten zusammen<br />

und marschirten <strong>in</strong> ihre Quartiere. Wir g<strong>in</strong>gen <strong>in</strong> die Kirche, wo das ganze<br />

glänzende Gefolge um den Sarg gruppirt stand und e<strong>in</strong>em feierlichen<br />

Todtenamte anwohnte. Den Katafalk umgaben große Blumentöpfe<br />

mit künstlichen Blumen, zur Rechten und zur L<strong>in</strong>ken brannten acht<br />

Fackeln von weißem Wachs, und am Fußende vor dem Hochaltar stand<br />

der große Bronzecandelaber, dessen man sich nur bei Begräbnissen e<strong>in</strong>es<br />

Mitglieds der königlichen Familie bedient, mit se<strong>in</strong>en neun Büscheln angezündeter<br />

Wachskerzen. Wie dröhnten so gewaltig die tiefen Töne der<br />

Orgel durch die weiten Räume der Kirche und wie klangen dazwischen<br />

so beruhigend die Stimmen der Sänger, als sie den Psalm anstimmten:<br />

Sit nomen Dom<strong>in</strong>i benedictum!

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