Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
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358 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />
ders die Bursche, die, wenn auch der wilde Tanz beendigt war, doch<br />
noch mit ihren ertravaganten Pas fortmachten, bald zu Zweien, hart an<br />
den französischen Cancan streifend, bald alle<strong>in</strong>, wie mit dem eigenen<br />
Schatten tanzend, den das lodernde Herdfeuer beweglich an die graue<br />
Wand warf. Dann f<strong>in</strong>gen die Guitarren wieder leise an zu kl<strong>in</strong>gen, und<br />
nach e<strong>in</strong>igen Accorden fiel e<strong>in</strong>er der Majos e<strong>in</strong>:<br />
Ay! sal, bella joven,<br />
sal, angel de amores<br />
y al par que las flores<br />
del l<strong>in</strong>do pensil.<br />
<strong>E<strong>in</strong></strong> anderer sprang vor die Mädchen h<strong>in</strong>, klatschte <strong>in</strong> die Hände, e<strong>in</strong><br />
Dritter rief: Viva la gente Morena! und dann war im Augenblicke die<br />
Tanzparthie wieder arangirt. Hoch aufgerichtet, den Oberkörper halb<br />
durchgebogen, standen die Andalusier<strong>in</strong>nen da, die e<strong>in</strong>e Hand <strong>in</strong> die<br />
Seite gestemmt, mit den F<strong>in</strong>gern der andern leicht an die e<strong>in</strong>e der Castagnetten<br />
schlagend, und die Bewegung der Tänzer begleitend, die nun<br />
herausfordernd vorgeschritten kamen; wenn diese wieder zurückwichen,<br />
folgten ihnen die Mädchen, unnachahmlich den Körper, namentlich die<br />
Hüften bewegend, die Augen auf den Boden geheftet und die Castanuelos<br />
mit den vorgestreckten Händen leicht anschlagend. Um die sichere<br />
Beute nun rasch zu umschl<strong>in</strong>gen, öffnet der Tänzer weit se<strong>in</strong>e Arme,<br />
aber <strong>in</strong> dem sanft und zierlich vorgegangenen Mädchen erwacht nun<br />
auf e<strong>in</strong>mal der Stolz der Spanier<strong>in</strong>. Auf ihren höhnisch aufgeworfenen<br />
Lippen glaubt man e<strong>in</strong> Caramba zu lesen, als sie nun plötzlich auf- und<br />
zurückfährt, wobei die Castagnetten wild und zornig knacken. Dabei<br />
hat sie den Kopf stolz erhoben, wie e<strong>in</strong>e Schlange biegt sie den Oberkörper,<br />
senkt gleich darauf die Stirne herausfordernd nieder, und während<br />
sie mit vorgehaltenen Händen zurückflieht, wallen ihre leichten Röcke<br />
unbeschreiblich malerisch um die Hüften. Etwas Ähnliches wiederholt<br />
sich nun <strong>in</strong> den meisten spanischen Ensembletänzen; mit e<strong>in</strong>em alles<br />
verachtenden Stolze beg<strong>in</strong>nt die Andalusier<strong>in</strong>, um nachgiebig zu werden,<br />
wenn das Blut anfängt zu wallen und das Herz zu klopfen; und<br />
diese Folge ist so natürlich und wahr im Tanze, wie im Leben.<br />
KAPITEL 20. SEVILLA. 359<br />
So reizend diese Gruppirungen auch waren, so wunderbar die schlangenartigen<br />
Bewegungen der prächtigen Mädchen, so wahrhaft betäubend<br />
das Spiel ihrer Augen, das Rauschen der Seide und das Krachen<br />
des Atlasses, und alles das übergossen und bestrahlt von den lodernden<br />
Flammen des Herdfeuers, das über die glänzende schimmernde Gruppe<br />
e<strong>in</strong> so unaussprechlich warmes Licht warf, so köstlich auch, bei diesen<br />
Ensembletänzen die Ausrufungen der Freude klangen, die der glühende<br />
Hauch des Mundes zwischen den frischen Lippen hervorstieß, so war<br />
doch die Krone des Abends e<strong>in</strong> Fandango von zwei der schönsten und<br />
üppigsten Mädchen alle<strong>in</strong> ausgeführt. Es waren das zwei prachtvolle<br />
Gestalten, die e<strong>in</strong>e im weißen, die andere im perlfarbenen Atlasmieder.<br />
Lange, lange umschritten sie sich, kalt und förmlich und kaum merklich<br />
schien sich ihr Blut zu erwärmen, schien die Gluth <strong>in</strong> ihnen aufzuflammen<br />
und sie sich zu nähern. Dabei berührten sie sich anfänglich<br />
nur sanft mit den F<strong>in</strong>gerspitzen, dann legte e<strong>in</strong>e ihre Hand leicht um<br />
die schlanke Taille der andern, aber als das Eis endlich gebrochen war,<br />
brach auch die Fluth der Leidenschaft um so gewaltiger hervor.<br />
Malerisch gruppirt umstanden die Übrigen dieß schöne Paar, e<strong>in</strong> dichter<br />
Kreis, der sich nach h<strong>in</strong>ten erhöhte, und nicht nur die Majos, sondern<br />
auch die älteren Männer waren auf Stühle und Bänke gestiegen,<br />
um besser <strong>in</strong> den Kreis zu sehen; und dazu brachen bei jeder schönen<br />
Bewegung neue und immer heftigere Ausrufe der Bewunderung hervor.<br />
– Ay, salero! ole, ole! – ole salero! – Herz, du übertriffst dich selbst! –<br />
Bravo, bravo, K<strong>in</strong>der! Bravo, K<strong>in</strong>der, bravo! So was sieht die Welt nicht<br />
wieder! – Ole, salero!<br />
Und dabei waren es die andern Mädchen, welche ohne Neid und<br />
Mißgunst den größten Spektakel machten. Aber die Beiden im Kreise<br />
verdienten es auch, daß man sich für sie enthusiasmirte. Man hätte<br />
wohl im Bunde der dritte se<strong>in</strong> mögen. Sekundenlang hielten sie sich umschlungen<br />
und drückten die hochklopfenden Herzen ane<strong>in</strong>ander, und<br />
wenn sie sich auf Augenblicke trennten, so stürzten sie sich gleich darauf<br />
wieder mit neuer Inbrunst <strong>in</strong> die Arme. Das Ganze steigerte sich<br />
zu e<strong>in</strong>er wahrhaft beunruhigenden Höhe, und wir Zuschauer waren ordentlich<br />
froh, als der Tanz endlich aufhörte mit e<strong>in</strong>em langen <strong>in</strong>nigen<br />
Kusse, wobei die elastischen weichen Körper der beiden Mädchen wie