Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
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98 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />
Rechten und L<strong>in</strong>ken, jetzt wieder als e<strong>in</strong>e helle L<strong>in</strong>ie über braune Haiden,<br />
welche mit magerem Gebüsch und Buxbaum bewachsen waren.<br />
Die e<strong>in</strong>zige Abwechslung bot weit zu unserer Rechten das schmale Tajothal,<br />
mit Bäumen besetzt, theils kahl, theils belaubt, welche grau und<br />
grün schillerten, und das uns den ganzen Tag getreu zur Seite blieb. H<strong>in</strong>ter<br />
dem Flusse erhob sich e<strong>in</strong>e Kette seltsam geformter Hügel, hier und<br />
da sah man e<strong>in</strong> altes Mauerwerk, auch wohl e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>same graue Kirche,<br />
die uns recht verlassen erschien; denn da die Gegend r<strong>in</strong>gsum wie ausgestorben<br />
ist und wir auch nicht die Spur e<strong>in</strong>er menschlichen Wohnung<br />
sahen, so begriffen wir nicht, woher die Hand kommen soll, um das<br />
Glöckle<strong>in</strong> dort oben <strong>in</strong> Bewegung zu setzen, daß es weith<strong>in</strong> schallt über<br />
die Ebene. Ja, wenn dieß plötzlich geschähe, würde man erschrecken<br />
hier <strong>in</strong> der Öde und könnte zu dem Glauben berechtigt se<strong>in</strong>, als trieben<br />
dort oben allerhand Geister ihr unheimliches Wesen. – Vorbei denn!<br />
Unsere Pferdchen galoppiren auf dem weichen Sande lustig vorwärts,<br />
hügelauf, hügelab. Abwärts thut unser Arriero etwas langsamer, um<br />
sich und uns vor dem H<strong>in</strong>stürzen zu bewahren. Es ist fast Mittagszeit<br />
und die uns versprochene Venta auf halbem Wege könnte eigentlich ersche<strong>in</strong>en.<br />
Jetzt taucht auch <strong>in</strong> der Ferne Mauerwerk vor uns auf, unser<br />
spanischer Begleiter legt auf echt türkische Art die gekrümmten F<strong>in</strong>ger<br />
mehrmals an den Mund, schmatzt dazu und will so gutes Essen<br />
und Tr<strong>in</strong>ken ausdrücken, welches er erwartet. Wir dagegen erwarten<br />
gar nichts, denn wir kennen von unserem Ritte durch die Mancha leider<br />
zu genau den Inhalt dieser Halbwegsherbergen, haben uns auch deßhalb<br />
<strong>in</strong> Aranjuez vorgesehen und h<strong>in</strong>ten auf me<strong>in</strong>em Pferdchen liegt e<strong>in</strong><br />
Zwerchsack, mit dem Nothwendigsten versehen. Wir haben noch e<strong>in</strong>e<br />
tiefe Schlucht zu passiren mit steilen Sandste<strong>in</strong>felsen, über welche wehende<br />
Sträucher herabnicken, dann galoppiren wir lustig aufwärts und<br />
erreichen das weite Plateau, auf welchem die Venta liegt – nur die Ru<strong>in</strong>en<br />
der Venta, e<strong>in</strong> verlassenes Haus, wie ich richtig geahnt. Unser Arriero<br />
kratzte sich h<strong>in</strong>ter den Ohren und schwor bei allen Heiligen, die ihm<br />
gerade e<strong>in</strong>fielen, daß hier noch vor e<strong>in</strong>em halben Jahr die prachtvollste<br />
Wirthschaft gewesen sei, der süßeste We<strong>in</strong> auf zehn Stunden <strong>in</strong> der Runde<br />
und Garbanzo’s mit Speck, daß e<strong>in</strong>em die Seele im Leibe gelacht. Das<br />
Gemäuer dieses ehemaligen Gasthofes sah übrigens schon von Weitem<br />
KAPITEL 14. ARANJUEZ. 99<br />
so trostlos und verfallen aus, daß sich von uns Niemand h<strong>in</strong>bemühte;<br />
nur der Arriero trabte vor die Thür, umritt das Gehöfte kopfschüttelnd<br />
und stellte, als er im Schritt zurückkehrte, wahrsche<strong>in</strong>lich traurige Betrachtungen<br />
an über den Wechsel alles Irdischen.<br />
Was brauchten wir aber auch e<strong>in</strong>e Venta mit rauchiger Küche und oftmals<br />
schmieriger Padrona? Waren wir nicht viel besser hier unter freiem<br />
Himmel aufgehoben, der sich freundlich, klar und blau über uns<br />
ausspannte? Dabei war die Luft angenehm und nicht zu kühl. Was wir<br />
von dem Erbauer dieser Venta genossen, war se<strong>in</strong> guter Geschmack, der<br />
ihn veranlaßte, sich gerade an dieser Stelle anzubauen, auf e<strong>in</strong>er Anhöhe,<br />
die meilenweit r<strong>in</strong>gsum das Terra<strong>in</strong> beherrschte. Ja, auch e<strong>in</strong>e solche<br />
öde Gegend kann <strong>in</strong>teressant se<strong>in</strong>, namentlich wenn man ermüdet vom<br />
Pferde gestiegen ist, sich lang ausstreckt <strong>in</strong> die duftenden Haidekräuter<br />
und zwischen ihren fe<strong>in</strong>en Zweigle<strong>in</strong> und braunen Blüthen h<strong>in</strong>durch<br />
nach dieser Seite h<strong>in</strong> die Wellenl<strong>in</strong>ie des fernen, grau verschwimmenden<br />
Horizontes betrachtet – e<strong>in</strong>e Bergkette, die auch wir noch zu besteigen<br />
haben und noch mehrere der dah<strong>in</strong>ter liegenden, bis wir endlich wieder<br />
an das weite blaue Meer gelangen, den Weg nach der heiligen Heimath.<br />
Auch nach jener Seite zu ist der Anblick nicht un<strong>in</strong>teressant; denn der<br />
Arriero hat den erwähnten Zwerchsack geöffnet und mit leuchtenden<br />
Augen kaltes Geflügel, Sch<strong>in</strong>ken, hartgesottene Eier und Käse auf das<br />
vertrocknete Gras gelegt und daneben e<strong>in</strong> paar dickbauchige, freundliche<br />
Flaschen aufgestellt. Wie e<strong>in</strong>e Weihnachtsbescheerung nimmt sich<br />
das unter den grünen Buxbaumsträuchern aus.<br />
Unser Halt hier hat etwas Pittoreskes und verdient es wohl skizzirt zu<br />
werden. Die Pferde mit den zusammengebundenen Vorderfüßen weiden<br />
um uns her und den Abhang h<strong>in</strong>unter. Die lange Figur unseres andalusirten<br />
Malers steht aufrecht da, er hält se<strong>in</strong> Gewehr <strong>in</strong> Bereitschaft,<br />
denn es könnte ja allerlei Seltsames über uns here<strong>in</strong>brechen, wilde Räuber<br />
oder e<strong>in</strong> zahmes Kan<strong>in</strong>chen. Herr W., der se<strong>in</strong>en Cachenez abgelöst<br />
hat und hungrig auf die Collation blickt, me<strong>in</strong>t, <strong>Spanien</strong> sei im Allgeme<strong>in</strong>en<br />
recht schön, und der kle<strong>in</strong>e Baumeister wischt se<strong>in</strong>e Brillengläser<br />
ab, um diese Schönheiten des Landes genau betrachten zu können.<br />
Endlich fallen wir mit e<strong>in</strong>em wahren Wolfshunger über das Frühstück<br />
her, und da uns der Arriero trefflich unterstützt, so s<strong>in</strong>d wir bald mit