Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
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282 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />
des Haus der Phantasie den reichsten Stoff, um sich lebendig <strong>in</strong> die alte<br />
gewaltige Zeit zurück zu versetzen.<br />
Als wir <strong>in</strong> die Ebene h<strong>in</strong>aus kamen, die sich auf dieser Seite Granada’s<br />
vielleicht e<strong>in</strong>e Stunde weit erstreckt, war es bereits Tag geworden,<br />
und wir konnten nun unsere Cavalcade bei Tageslicht betrachten, vor<br />
allem unseren Begleiter, mit dem wir die dreitägige Reise nach Cordova<br />
machen sollten. Es war das e<strong>in</strong> junger hübscher Bursche, fe<strong>in</strong> und<br />
schlank gebaut, wie fast alle Andalusier, auch trug er die malerische<br />
Majotracht, gestickte Ledergamaschen, verschnürte Jacke und auf dem<br />
Kopf den andalusischen Hut mit der breiten aufrecht stehenden Krempe.<br />
Alles das war freilich durch den Gebrauch e<strong>in</strong> bischen unsche<strong>in</strong>bar<br />
geworden, sah aber nichtsdestoweniger malerisch aus. Unser Begleiter<br />
hieß Alonzo und hatte die vortreffliche Eigenschaft, daß er den ganzen<br />
Tag lustig und guter D<strong>in</strong>ge war. Meistens saß er nach der Quere auf<br />
se<strong>in</strong>em Maulthier, rauchte den ganzen Tag Papiercigarren und hielt auf<br />
die komischste Art an alle Leute, die uns begegneten, namentlich an die<br />
Weiber und Mädchen manchmal sehr e<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gliche Reden, von denen<br />
wir aber leider nicht viel verstanden; dabei nahm er meistens se<strong>in</strong>en Hut<br />
<strong>in</strong> die Hand und machte mit demselben die lächerlichsten Pantsmimen.<br />
Zur Abwechslung schien er sich dann wieder zu er<strong>in</strong>nern, daß er sich<br />
wohl vor uns e<strong>in</strong>es gesetzteren Betragens befleißigen müsse, und dann<br />
nahm er die Zügel <strong>in</strong> die Hand, setzte sich ernsthaft auf se<strong>in</strong>em Maulthier<br />
zurecht und versicherte uns, wenn schon jeder Andalusier natürlicher<br />
Weise e<strong>in</strong> ganz famoser Kerl sei, so wäre er selbst der Inbegriff aller<br />
menschlichen Tugenden, stolz, galant und tapfer wie e<strong>in</strong> Spanier, lebhaft<br />
wie e<strong>in</strong> Maure, kurz e<strong>in</strong> Hombre valiente, e<strong>in</strong> Hombre de Corazon,<br />
ja, wenn man ihn reize, e<strong>in</strong> Hombre tigre, d. h. e<strong>in</strong> Kerl wie e<strong>in</strong> Tiger. So<br />
sah er nun gerade nicht aus, und was den Muth anbelangte, so zeigte es<br />
sich später, daß er von dieser Tugend se<strong>in</strong>er Vorfahren gerade nicht zu<br />
viel geerbt.<br />
Der Weg, auf dem wir ritten, war, um ihn mit e<strong>in</strong>em Worte zu bezeichnen<br />
– spanisch – was könnte dieses herrliche Land bei guten Straßen<br />
se<strong>in</strong>. Die Vega von Granada ist e<strong>in</strong>e der fruchtbarsten Ebenen, die<br />
es gibt, sie hat e<strong>in</strong>en dankbaren Boden, auf dem die Vegetation <strong>in</strong> selten<br />
gesehener Üppigkeit gedeiht, was hauptsächlich dem Überfluß an vor-<br />
KAPITEL 19. NACH CORDOVA 283<br />
trefflichem Wasser zuzuschreiben ist, mit dem die schneebedeckte Sierra<br />
Nevada das Land aufs Freigebigste tränkt. Die nächste Umgebung der<br />
Stadt bilden herrliche Gärten, fast wie die aus der Huerta von Valencia,<br />
nur daß die wasserreichen Flüsse Darro und Xenil hier das künstliche<br />
Wässerungssystem unnöthig machen. Von Baum zu Baum ziehen sich<br />
die kräftigen Ranken von Reben und Melonen und die ersten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
solchen Üppigkeit, daß es Stellen gibt, wo sie e<strong>in</strong>en Seitenarm des Xenil<br />
förmlich mit ihren Gew<strong>in</strong>den und Schößl<strong>in</strong>gen überwölbt haben, so daß<br />
das klare Wasser unter e<strong>in</strong>em natürlichen Laubdache dah<strong>in</strong>fließt.<br />
Nachdem wir e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Stunde <strong>in</strong> der Ebene fortgeritten waren, sahen<br />
wir l<strong>in</strong>ks die Wiesen und Wälder des Soto de Roma, jenes unermeßlichen<br />
Landgutes, das <strong>Spanien</strong> als Nationalbelohnung dem Herzoge von<br />
Well<strong>in</strong>gton gegeben. In der That, es s<strong>in</strong>d wirkliche Wälder, die wir dort<br />
weit ausgestreckt liegen sehen, während wir langsam an den Abhängen<br />
der grauen Felsgebirge h<strong>in</strong>aufreiten, die Granada <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em weiten Halbkreise<br />
umgeben. Die ersten Wälder, die wir seit unserem <strong>E<strong>in</strong></strong>tritt <strong>in</strong> <strong>Spanien</strong><br />
gesehen, nicht lichte Anpflanzungen von Oliven, vielleicht mit Platanen<br />
und Johannisbrodbäumen vermischt, ne<strong>in</strong>, Wälder nach unsern<br />
Begriffen mit gewaltigen Eichen, mit Ulmen, Kastanien und e<strong>in</strong>zelnen<br />
Gruppen von Alparobenbäumen mit ihren dunkeln, lederartigen Blättern.<br />
Ja, Granada hat Alles, was e<strong>in</strong> Menschenherz nur erfreuen kann,<br />
im Sommer Wärme genug, um Orangen und Limonen hervorzubr<strong>in</strong>gen,<br />
sogar e<strong>in</strong>zelne Palmen, um namentlich <strong>in</strong> den engen Seitenthälern<br />
Granatbäume wachsen zu lassen mit dem saftigen Laube und der glühend<br />
rothen Blüthe, die sich so schön am Baume ausnimmt, aber auch<br />
nicht m<strong>in</strong>der reizend im dichten schwarzen Haare der schönen Andalusiena,<br />
und dazu hat Granada wieder e<strong>in</strong> gemäßigtes Klima. Die sonst<br />
alles versengende Hitze wird abgekühlt durch die frischen Lüfte, welche<br />
von der Sierra Nevada herabwehen. Der durstige Boden wird angenehm<br />
getränkt durch die klaren Bergwasser, und läßt so neben Orangen<br />
und Palmen auch die königliche Eiche gedeihen – ja, Granada, du bist<br />
glücklich, und glücklich ist, wer <strong>in</strong> de<strong>in</strong>em Schoße verweilen darf.<br />
Wir haben die ersten Anhöhen erstiegen, halten an und senden die<br />
fast traurigen Blicke noch e<strong>in</strong>mal zurück über die Vega h<strong>in</strong>, nach der<br />
herrlichen Stadt, die mit ihren Thürmen und stolzen Schlössern sanft ru-