Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
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50 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />
ne, wie mit Se<strong>in</strong>esgleichen umzugehen. So geschieht es denn, daß die<br />
äußern Formen der Höflichkeit und der gesellschaftlichen Berührungen<br />
unter allen Ständen ziemlich dieselben s<strong>in</strong>d, also daß der gebildete Städter<br />
ohne unangenehme Empf<strong>in</strong>dung oder Berührung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Venta voller<br />
Fuhrleute oder Maulthiertreiber, oder <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Bauernhaus, und der<br />
Landmann oder Maulthiertreiber ohne Verlegenheit oder Demüthigung<br />
<strong>in</strong> das eleganteste Kaffeehaus oder <strong>in</strong> die Wohnung des reichsten Städters<br />
tritt. Diese Art von gesellschaftlicher Freiheit und Gleichheit, der<br />
rechtliche Stolz, die ernste gemessene Höflichkeit, die edle Haltung, die<br />
man durchgehends auch bei den untern Volksklassen <strong>in</strong> <strong>Spanien</strong> f<strong>in</strong>det,<br />
br<strong>in</strong>gt bei dem Fremden e<strong>in</strong>e Art von bleibender angenehmer Empf<strong>in</strong>dung,<br />
e<strong>in</strong> gewisses Behagen hervor, was ich wenigstens <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>em andern<br />
Lande empfunden, sondern im Gegentheil häufig schmerzlich entbehrt<br />
habe. Ja, auf die Gefahr h<strong>in</strong>, nicht recht verstanden zu werden,<br />
gestehe ich, daß dieses Gefühl mir alle Beschwerlichkeiten oder Gefahren,<br />
welche sonst mit dem Reisen <strong>in</strong> <strong>Spanien</strong> verbunden se<strong>in</strong> mögen,<br />
nicht nur erträglich, sondern angenehm gemacht hat, daß ich jetzt mit<br />
e<strong>in</strong>er Art von Sehnsucht der Abende gedenken kann, die ich nach ermüdenden<br />
Ritten <strong>in</strong> den spanischen Ventas zugebracht habe.<br />
Kapitel 13<br />
Escorial.<br />
<strong>W<strong>in</strong>ter</strong>landschaft. Der Herzog von Rianzares. Der Leichenzug der Pr<strong>in</strong>zess<strong>in</strong>. <strong>E<strong>in</strong></strong>e<br />
Feenburg. Der Escorial. <strong>E<strong>in</strong></strong> bl<strong>in</strong>der Führer. Philipp II. <strong>in</strong> der Schlacht. Kloster und<br />
Kirche. Aussicht von der Kuppel. Der Rost San Lorenzos. Nacht und Nebel. Der Leichencondukt.<br />
Die Übernahme der Pr<strong>in</strong>zess<strong>in</strong>. Nächtliches Kirchenamt. Die königliche<br />
Gruft. Die Beisetzung. Abschied vom Escorial.<br />
Schon längere Zeit hatten wir auf günstige Witterung gewartet, um<br />
den Escorial zu besuchen; um diesen Ausflug zu machen, wünschten<br />
wir schon e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong> wenig Sonnensche<strong>in</strong>, denn der Escorial liegt bekanntlich<br />
noch weit höher als Madrid, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Schlucht des mächtigen<br />
Guadarramagebirges geschmiegt, welches, wie wir uns häufig von der<br />
Terrasse des königlichen Schlosses durch den Augensche<strong>in</strong> überzeugten,<br />
selbst auf se<strong>in</strong>er, Madrid zugekehrten, Südseite von oben bis unten<br />
mit e<strong>in</strong>em weißen Schneemantel bedeckt war. Endlich kam trotz Eis<br />
und Schnee e<strong>in</strong>e für unsere Tour entscheidende Stunde. Am fünften Januar<br />
ward die König<strong>in</strong> Isabella bekanntlich von e<strong>in</strong>er Infant<strong>in</strong> entbunden,<br />
welche am achten desselben Monats starb und am dreizehnten im<br />
Escorial beigesetzt werden sollte. Man sagte uns, e<strong>in</strong>e so günstige Gelegenheit,<br />
den Escorial <strong>in</strong> alter Pracht und Herrlichkeit aufleben zu sehen,<br />
dürften wir nicht vorübergehen lassen, weßhalb wir uns denn rasch entschlossen,<br />
nicht mehr auf Sonnensche<strong>in</strong> und warme Witterung zu warten,<br />
sondern e<strong>in</strong>en Platz auf der Postkutsche zu nehmen, die alle zwei<br />
Tage Morgens früh um sechs Uhr aus der Calle de Fuentes nach dem<br />
Escorial abgeht.<br />
So rollten wir denn am zwölften <strong>in</strong> der Morgendämmerung durch die<br />
Straßen, hatten angenehmer Weise die Berl<strong>in</strong>e erhalten (mit dem Coupé