22.12.2012 Aufrufe

Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer

Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer

Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

102 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />

Da aber Toledo für uns e<strong>in</strong>e durchaus friedliche Stadt war und wir<br />

höchstens im Wirthshause e<strong>in</strong> solides Nachtessen zu erobern gedachten,<br />

so wandte sich unsere aufgeregte Phantasie e<strong>in</strong>igen Räubern zu,<br />

die vielleicht hätten ersche<strong>in</strong>en können, und wenn <strong>in</strong> der Entfernung<br />

Reiter auftauchten, was übrigens selten genug geschah, so faßte Herr<br />

W. nach se<strong>in</strong>em Lifepreserver, und unser Don Quixote legte se<strong>in</strong>e lange<br />

Vogelfl<strong>in</strong>te schußgerecht über den Sattel. Es waren aber nur harmlose<br />

Wanderer, die uns begegneten oder welche wir e<strong>in</strong>holten, um mit ihnen<br />

gegen Toledo zu ziehen. <strong>E<strong>in</strong></strong>er der letzteren war e<strong>in</strong> junger Mann auf<br />

e<strong>in</strong>em vortrefflich aussehenden Maulthiere, der lachend und plaudernd<br />

mit uns dah<strong>in</strong>zog, wobei er auf die Führung se<strong>in</strong>es Thieres nicht genug<br />

Achtung gab; auf e<strong>in</strong>mal stolperte dieses, stürzte nieder und warf<br />

se<strong>in</strong>en Reiter e<strong>in</strong>ige Schritte weit ziemlich unsanft auf den Boden. Ich<br />

erwähne dieses Umstandes nur, weil wir häufig sahen, wie Maulthiere<br />

stürzten, wo Pferde kaum strauchelten, und weil dieß der allgeme<strong>in</strong>en<br />

Behauptung von der Sicherheit des Maulthieres widerspricht, e<strong>in</strong>er<br />

Behauptung, welcher ich, wie gesagt, nicht beipflichten kann. Mir war<br />

auf me<strong>in</strong>en vielen Ritten <strong>in</strong> <strong>Spanien</strong> selbst e<strong>in</strong> altes Pferd lieber als se<strong>in</strong><br />

Bastardbruder, der als Reitthier alle möglichen unangenehmen Eigenschaften<br />

vere<strong>in</strong>igt. Das Maulthier ist faul, tückisch und unbehülflich auf<br />

se<strong>in</strong>en Be<strong>in</strong>en, dabei eigens<strong>in</strong>nig wie – e<strong>in</strong> Maulthier, und fast jedes hat<br />

se<strong>in</strong>e besondere schlimme Angewohnheit.<br />

Unsere Ponys hielten sich vortrefflich, und schon zu guter Nachmittagsstunde<br />

kamen wir <strong>in</strong> die Nähe von Toledo, erreichten auch die Fahrstraße<br />

wieder, und zwar an e<strong>in</strong>er Stelle, wo sich e<strong>in</strong> improvisirtes Dorf<br />

befand, das unsere ganze Aufmerksamkeit fesselte. Es waren Gitano’s,<br />

welche hier hausten, <strong>in</strong> Erdhütten oder unter Zelten, die aus schwarzen<br />

Filzdecken bestanden; die ganze weibliche <strong>E<strong>in</strong></strong>wohnerschaft mit den<br />

K<strong>in</strong>dern saß vor diesen erbärmlichen Wohnungen und wusch ihre ger<strong>in</strong>gen<br />

Habseligkeiten; bunte, meistens gelbe und rothe Le<strong>in</strong>wandfetzen,<br />

von denen auch schon e<strong>in</strong>e ziemliche Anzahl zum Trocknen über<br />

die umherwachsenden Sträucher ausgespannt war. Dieses Dorf lag an<br />

e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en Bergabhange, etwas erhaben über e<strong>in</strong>er weiten Thalebene,<br />

die bis zum Ufer des Tajo g<strong>in</strong>g, wo wir heute zum erstenmal e<strong>in</strong>e<br />

große Anzahl Männer und Buben mit Feldarbeit beschäftigt sahen. Ei-<br />

KAPITEL 14. ARANJUEZ. 103<br />

ne Gesellschaft Engländer hatte die weiten, fruchtbaren Gründe da unten<br />

gekauft oder gepachtet und dort Süßholzpflanzungen angelegt, die,<br />

wie man uns sagte, vortrefflich gediehen und von den Zigeunern gegen<br />

Taglohn besorgt wurden. Es schien mir, als haben sie neben diesem<br />

Lohne auch die Vergünstigung, so viel Süßholz kauen zu dürfen,<br />

als ihnen beliebe; wenigstens waren Weiber und K<strong>in</strong>der damit beschäftigt<br />

und boten auch uns freigebig davon an. Als ich, noch e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er<br />

Knabe, mir zu Hause <strong>in</strong> der deutschen Heimath für e<strong>in</strong>en Pfennig von<br />

diesem edlen Strauche kaufte, hätte ich mir da wohl träumen lassen daß<br />

ich e<strong>in</strong>stens mit demselben Gewächs von e<strong>in</strong>er alten Zigeuner<strong>in</strong> regalirt<br />

werden würde, und obendre<strong>in</strong> im Angesichte von Toledo?! H. skizzirte<br />

das Dorf <strong>in</strong> se<strong>in</strong> Heft, dann schwangen wir uns wieder <strong>in</strong> die Sättel und<br />

ritten der alten Stadt entgegen.<br />

Die Straße, auf der wir trabten, war so lange fest und breit, bis wir<br />

<strong>in</strong> die nächste Nähe von Toledo kamen; hier aber, wo wir auf die ersten<br />

verfallenen Mauern stießen, wo auf den Höhen l<strong>in</strong>ks neben uns Ru<strong>in</strong>en<br />

und rechts im Tajothal ansehnliche Gebäude sichtbar wurden, f<strong>in</strong>g<br />

das alte spanische Elend wieder an. Unsere Thiere sanken bis weit über<br />

die Fessel <strong>in</strong> den Koth, stolperten auch beträchtlich über Löcher und<br />

Ste<strong>in</strong>e, und der volle Anblick der alten prächtigen Stadt, den wir jetzt<br />

hatten, wurde uns durch die Aussicht getrübt, vielleicht <strong>in</strong> der nächsten<br />

M<strong>in</strong>ute e<strong>in</strong> unfreiwilliges Schlammbad nehmen zu müssen. Und es<br />

war wahrlich schade, daß man hier nicht sorglos und behaglich so recht<br />

die malerische Umgebung genießend reiten konnte. Der Weg dicht vor<br />

den Mauern der Stadt war e<strong>in</strong>e Art Spaziergang, mit Bäumen bepflanzt<br />

und mit breiten Pfaden für die Fußgänger verseben, mit im Gebüsch<br />

versteckten Ste<strong>in</strong>bänken für die Ermüdeten. Mächtige Mauern aus der<br />

guten alten Zeit, fest und solid gebaut, erhoben sich zu unserer L<strong>in</strong>ken,<br />

und h<strong>in</strong>ter ihnen standen uralte Ulmen, die ihre Zweige weit über die<br />

Straße ausbreiteten. Zuweilen wichen diese Mauern im Halbkreise zurück,<br />

und hier befanden sich dann ebenfalls Ruheplätze mit schönen<br />

Spr<strong>in</strong>gbrunnen, aus welchen das Wasser von e<strong>in</strong>er Schale zur andern<br />

melodisch herabplätscherte.<br />

Endlich hatten wir das böse Stück Weges überwunden und ließen es,<br />

da wir aufwärts gegen die Stadt ritten, h<strong>in</strong>ter uns. Prächtig und male-

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!