Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
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248 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />
daß es e<strong>in</strong>e große Thorheit ist, De<strong>in</strong>e Bewunderung nicht zu Gott zu erheben,<br />
der Dir den Tod geben kann. Und wer diese kunstreiche Arbeit<br />
betrachtet, von ihrer Schönheit angezogen, der lege zu se<strong>in</strong>em Schutze<br />
und damit er gesund bleibe, die fünf F<strong>in</strong>ger se<strong>in</strong>er Hand zusammen. Es<br />
ist dieß der Schutz gegen das böse Auge, das Gettatore, dessen sich auch<br />
heute noch die Italiener bedienen.<br />
<strong>E<strong>in</strong></strong>e wunderschöne Holzdecke, fast noch mannigfaltiger <strong>in</strong> der Verschl<strong>in</strong>gung<br />
der e<strong>in</strong>zelnen Formen als diejenigen der h<strong>in</strong>ter uns liegenden<br />
Bogenhalle zieht sich über die Sala de la barca h<strong>in</strong>, aus den glatten<br />
Deckenflächen wölben sich e<strong>in</strong>zelne Kuppeln heraus, und die nahe<br />
an beiden schmalen Enden quer über den Raum gesprengten Querbogen<br />
vermählen sich mit dem Deckenwerk <strong>in</strong> der reizendsten Weise; die<br />
Azulejos der Lambris, die Stuckbekleidung der Wandungen, die liebliche<br />
Harmonie der Färbung, die herrliche Arbeit der Thürflügel <strong>in</strong> tausendfältiger<br />
Verschl<strong>in</strong>gung sternförmiger Grundformen steigern die Erwartung<br />
auf den Raum, zu dem wit hier nur gleichsam das Vestibüle<br />
sehen, und <strong>in</strong> der That ist der nun folgende Saal der Gesandten, Sala de<br />
los embajadores, e<strong>in</strong> Prachtwerk, auf welches das bisher Gesehene nur<br />
annähernd vorbereitete.<br />
Auf der Verlängerung der Mittell<strong>in</strong>ie des Myrthenhofs gelegen und<br />
von drei Seiten frei als e<strong>in</strong>er der Festungsthürme vor den anderen Gebäuden<br />
hervortretend, ist dieser Thurm des Comares e<strong>in</strong>e von außen<br />
schwerfällige krenelirte Masse; die schon beim <strong>E<strong>in</strong></strong>tritt <strong>in</strong> den Myrthenhof<br />
zu unserer L<strong>in</strong>ken hoch die übrigen Gebäude überragte, die unsche<strong>in</strong>bare<br />
Hülle e<strong>in</strong>es kostbaren Inhalts. Im Gegensatz zu den <strong>in</strong> die<br />
Breite gestreckten Verhältnissen des Myrthenhofs und der Halle der Segnung,<br />
hat der Saal der Gesandten durch se<strong>in</strong>e hoch aufstrebende schlanke<br />
Proportion e<strong>in</strong>e imponirende Majestät erlangt und beweist die Fe<strong>in</strong>heit<br />
des Verständnisses, die diese glückliche Steigerung herbeiführte.<br />
Dieser Prachtsaal, <strong>in</strong> dem die fremden Gesandten empfangen wurden,<br />
so lang als breit, und bis zur Gewölbspitze fast zweimal so hoch, ist<br />
von sehr dicken Mauern umschlossen, und <strong>in</strong> jeder der nach außen gekehrten<br />
Wände von drei Bogenöffnungen <strong>in</strong> der Höhe des Fußbodens<br />
durchbrochen, die so gleichsam besondere Kab<strong>in</strong>ete bilden, von denen<br />
die mittleren je durch e<strong>in</strong>e <strong>in</strong> der äußern Mauerfläche stehende fe<strong>in</strong>e<br />
KAPITEL 18. GRANADA. 249<br />
Marmorsäule <strong>in</strong> zwei Theile gespalten ist; höher oben unter dem Kuppelanfang<br />
dr<strong>in</strong>gt <strong>in</strong> jeder Wand durch e<strong>in</strong>e Reihe von je fünf kle<strong>in</strong>en<br />
Bogenfensterchen noch weiteres Licht <strong>in</strong> den auf diese Weise geheimnißvoll<br />
erhellten Raum. Dieser Saal, der größte bedeckte Raum der Alhambra,<br />
ist von e<strong>in</strong>er ans Wunderbare gränzenden Ausschmückung, jede<br />
Erwartung, die man sich von dieser eigenthümlichen Schöpfung machen<br />
kann, übertreffend, se<strong>in</strong>e Wände haben bis zur Höhe von etwa vier<br />
Fuß e<strong>in</strong>e r<strong>in</strong>gsumlaufende Lambris von glänzenden Azulejos mit blauen<br />
und grünen Verzierungen, Rosetten, Sterne und phantastische Blumen<br />
darstellend; darüber ist die ganze Wand mit erhaben gearbeiteten<br />
Arabesken bedeckt, die vermittelst e<strong>in</strong>er Form aus dem weichen Gyps<br />
gedrückt und dann hellblau mit rothem Grunde gemalt wurden, über<br />
welche Vergoldungen r<strong>in</strong>gs umher e<strong>in</strong> phantastisches Netzwerk bilden.<br />
Arabesken im gewöhnlichen S<strong>in</strong>ne s<strong>in</strong>d die Verzierungen <strong>in</strong> der Alhambra<br />
eigentlich nicht, denn sie bilden ke<strong>in</strong>e größeren zusammenhängenden<br />
Gegenstände, auch ke<strong>in</strong>e Blumen, Blätter oder Thiere, obgleich e<strong>in</strong>e<br />
Andeutung an das vaterländische Lotosblatt sehr vielgestaltig und häufig<br />
vorkommt. Es ist, wie schon gesagt, e<strong>in</strong> Netzwerk von bunten Farben<br />
und Gold, deren e<strong>in</strong>zelne Fäden oder Ranken das Auge fast unmöglich<br />
verfolgen kann, <strong>in</strong> den eigens<strong>in</strong>nigsten W<strong>in</strong>dungen spr<strong>in</strong>gen sie hierh<strong>in</strong><br />
und dorth<strong>in</strong> h<strong>in</strong>ab, verschl<strong>in</strong>gen und durchkreuzen sich, sche<strong>in</strong>bar im<br />
Chaos, das aber <strong>in</strong> gewissen Gränzen wieder die wunderbarste Symmetrie<br />
zeigt. Diese Verzierungen wiederholen sich an allen Wänden,<br />
nur über Fenstern und Thüren bef<strong>in</strong>den sich breite Ränder mit andern<br />
Mustern, die hier e<strong>in</strong>e Menge von Inschriften enthalten, welche e<strong>in</strong>en<br />
Theil der Verzierung ausmachen, <strong>in</strong>dem sie oft durch die Verschl<strong>in</strong>gung<br />
der e<strong>in</strong>zelnen Fäden gebildet s<strong>in</strong>d. Der <strong>in</strong> polygonischen Abschnitten<br />
kuppelförmig gewölbte Plafond zeigt Boiserieen von prachtvoller Arbeit,<br />
welche Sterne und Achtecke <strong>in</strong> schönster Symmetrie bilden; wo<br />
sich das Gewölbe an die Wände anschließt, bildet es Ste<strong>in</strong>festons mit<br />
herabhängenden Bögchen, Zapfen vorstellend, die aus den Höhlungen<br />
herabtropfen und wie Verste<strong>in</strong>erungen ersche<strong>in</strong>en. Wunderlieblich ist<br />
von der dem <strong>E<strong>in</strong></strong>gang gegenüberliegenden Fensternische die Aussicht<br />
auf die Stadt mit ihrer Ebene, auf das Thal des Darro und <strong>in</strong>s Gebirge<br />
h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>, aber nicht m<strong>in</strong>der reizend der Rückblick durch die beiden herr-