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Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer

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84 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />

Der königliche Palast von Aranjuez, von Juan de Herrera erbaut, ist<br />

unsymmetrisch von Backste<strong>in</strong>en, deren röthliche Farbe zwischen <strong>E<strong>in</strong></strong>fassungen<br />

von grauem Ste<strong>in</strong> übrigens nicht unangenehm ist, dabei aber<br />

<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>em Maßstabe aufgeführt. Se<strong>in</strong>e Hauptfaçade ist gegen Süden<br />

und nimmt sich trotz ihrer Unregelmäßigkeit nicht übel aus, doch bemerkt<br />

man auch hier weder Großartigkeit noch Reichthum des Styls.<br />

Gegen die Gärten h<strong>in</strong>aus hat das Schloß e<strong>in</strong>e bed<strong>in</strong>gte Ähnlichkeit mit<br />

St. Cloud. Auf der Terrasse war e<strong>in</strong> alter freundlicher Gärtner mit Arbeiten<br />

beschäftigt, die wir frühestens im Monat April zu besorgen pflegen;<br />

die Blumenbeete wurden aufgelockert und hergerichtet, Rosen geputzt<br />

und aufgebunden, und da es e<strong>in</strong> klarer warmer Tag war, so waren die<br />

überall sprudelnden Wasser von angenehmer Wirkung. Die Erlaubniß<br />

zur Besichtigung des königlichen Schlosses muß vom Verwalter desselben<br />

e<strong>in</strong>geholt werden. Während sich der alte Gärtner, von dem ich oben<br />

sprach, damit befaßte, setzten wir uns auf e<strong>in</strong>e der vielen Bänke, die<br />

sich auf der Terrasse befanden, mit dem <strong>in</strong> der That sehr behaglichen<br />

Gefühl, vor uns die hundertjährigen Bäume des berühmten Parkes von<br />

Aranjuez zu sehen.<br />

Man sagt, es sei Grimaldi gewesen, welcher die Niederlande als Gesandter<br />

besucht hatte und darauf die Veranlassung gab, Schloß und Stadt<br />

im holländischen Geschmacke zu erbauen; doch ist dieß nicht besonders<br />

gelungen, und wenn die eben angegebene Absicht wirklich vorlag, so<br />

hat man es nicht verstanden, <strong>in</strong> den Charakter des Musters e<strong>in</strong>zugehen.<br />

Das e<strong>in</strong>zige, was vielleicht an e<strong>in</strong>e holländische Stadt er<strong>in</strong>nern könnte,<br />

s<strong>in</strong>d die erwähnten geraden Straßen, der Backste<strong>in</strong> als Baumaterial und<br />

e<strong>in</strong> Glockenspiel auf dem Schlosse, welches sich aber nur an hohen Festtagen<br />

hören läßt.<br />

Der Name Aranjuez wird von e<strong>in</strong>em Tempel des Jupiter abgeleitet,<br />

ara Jovis; ob übrigens e<strong>in</strong> solcher je existirt, ist e<strong>in</strong>e Frage, die wohl<br />

nie entschieden werden wird. Vor den Zeiten Philipps II. war von e<strong>in</strong>er<br />

eigentlichen königlichen Niederlassung hier nicht die Rede und es befanden<br />

sich nur <strong>in</strong> diesem schönen Thale mehrere Landsitze und kle<strong>in</strong>e<br />

Jagdschlösser, dem Großmeister von Santiago gehörig, der <strong>in</strong> dem benachbarten<br />

Ocana, welches damals Gränzfestung gegen die Saracenen<br />

war, se<strong>in</strong>en Sitz hatte. Karl V. und Ferd<strong>in</strong>and der Katholische kamen<br />

KAPITEL 14. ARANJUEZ. 85<br />

als die Erben des Großmeisters zuweilen auf kurze Zeit hieher, doch<br />

war es erst Philipp II., der das Schloß erbauen ließ und Aranjuez zur<br />

Frühl<strong>in</strong>gsresidenz erhob. Seitdem hat dieses nun so stille Gebäude, die<br />

dichtverschlungenen Wege des Gartens, manch’ Interessantes gesehen.<br />

Hier trieb Karl IV. se<strong>in</strong> melancholisches, unstetes Wesen, se<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>en,<br />

oft so unschuldigen Liebhabereien, wie z. B. die Errichtung jener ungeheuren<br />

Seemacht aus imposanten Dreideckern, Fregatten, Corvetten,<br />

mit e<strong>in</strong>er großen Anzahl von Feuerschlünden versehen, die auf dem benachbarten<br />

Teich von Antigola von dem Könige selbst manövrirt wurden.<br />

Leider waren die Schiffe nur wenige Fuß lang und die Matrosen<br />

aus Holz oder Pappendeckel, und von der ganzen Spielerei hatte nur<br />

der erwähnte Teich e<strong>in</strong>igen Nutzen, der von jener Zeit an den Namen<br />

das Meer von Antigola erhielt, mit welchem ihn auch heute noch das<br />

Volk benennt. Während aber so der König mit se<strong>in</strong>en Schiffchen spielte<br />

und zur Abwechslung Kan<strong>in</strong>chen schoß, g<strong>in</strong>g der Rest der spanischen<br />

Mar<strong>in</strong>e durch das französische Bündniß bei Trafalgar zu Grunde. Hier <strong>in</strong><br />

Aranjuez war es auch, wo Karl IV. abdankte, was zur nächsten Folge hatte,<br />

daß se<strong>in</strong> M<strong>in</strong>ister Manuel Godoi, damals Großadmiral, Friedensfürst<br />

und Geheimerath der Königen Marie Luise, von den Leibwachen, se<strong>in</strong>en<br />

früheren Kameraden, verhaftet und vom Volke fast zerrissen worden<br />

wäre, e<strong>in</strong>e Scene, welche an Versailles er<strong>in</strong>nert, dessen Hofgeschichten<br />

denen von Aranjuez auch <strong>in</strong> manchen anderen Beziehungen zu vergleichen<br />

s<strong>in</strong>d. Auch im Äußeren gibt es hier Ähnlichkeiten; f<strong>in</strong>det man<br />

doch selbst im großen Parke, dem Fürstengarten, Stellen <strong>in</strong> jenem steifen,<br />

verschnörkelten Geschmack aus den Zeiten Ludwigs XIV., Alleen<br />

von schönen Bäumen, sorgsam frisirt und verschnitten, künstliche Teiche,<br />

Statuen, meistens Er<strong>in</strong>nerungen aus der Regierungszeit des ersten<br />

spanischen Bourbon, Karl V., welcher sich leider die unnöthige Mühe<br />

gab, manches hier umzubauen und umzupflanzen.<br />

Indessen ist unser alter Gärtner zurückgekommen und br<strong>in</strong>gt die Erlaubniß<br />

zum <strong>E<strong>in</strong></strong>tritt <strong>in</strong>s Schloß. In Er<strong>in</strong>nerung an die glänzende Geschichte<br />

Philipps II. und se<strong>in</strong>es Hofes, sowie auch <strong>in</strong> Anbetracht des<br />

Dramas jener gewaltigen Zeit, welche nach Schiller hier begann, glaubt<br />

man den Palast von Aranjuez aufs Prächtigste e<strong>in</strong>gerichtet zu f<strong>in</strong>den,<br />

werth des Beherrschers von Reichen, <strong>in</strong> denen die Sonne nie unterg<strong>in</strong>g,

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