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Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer

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106 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />

und zugleich wie e<strong>in</strong> freundlicher Willkomm jenes Theiles von <strong>Spanien</strong>,<br />

wo die glänzende Maurenzeit noch so deutlich aufgezeichnet ist <strong>in</strong><br />

Bauwerken, Sitten und Gebräuchen, und den wir <strong>in</strong> kurzer Zeit betreten<br />

sollten.<br />

Dieses Thor machte e<strong>in</strong>en gewaltigen <strong>E<strong>in</strong></strong>druck auf uns alle, namentlich<br />

weil es so verlassen und hülflos und doch wieder so trotzig zwischen<br />

den Mauern und Häusern steht, sich besonders auszeichnend<br />

durch die gelbe Färbung se<strong>in</strong>er Ste<strong>in</strong>e, jetzt e<strong>in</strong> Fremdl<strong>in</strong>g <strong>in</strong> dem Lande,<br />

das se<strong>in</strong>en Vätern e<strong>in</strong>st gehörte. Rechts neben uns erhebt sich auf<br />

hohen Felsenmauern e<strong>in</strong> Haus über dem anderen, alle hoch, schmal, mit<br />

kle<strong>in</strong>en Bogenfenstern, denen das orientalische Gitter aufgezwungen ist.<br />

Neben schlanken christlichen Festungsthürmen sehen wir kle<strong>in</strong>e maurische<br />

Kuppeln, neben Häusern mit flachen Terrassen gezackte Giebeldächer,<br />

die christliche und heidnische Zeit bunt durch e<strong>in</strong>ander gewürfelt.<br />

Auch e<strong>in</strong>e alte Wasserleitung läuft neben unserem Wege, und deutlich<br />

sieht man, daß beide Nationen daran gearbeitet. Die weggebröckelte<br />

Säule unter dem maurischen Bogen ist durch e<strong>in</strong>en schweren Pilaster ersetzt.<br />

Doch freuen wir uns hier dieser Wasserleitung. Die klaren Tropfen,<br />

die aus ihr an der Mauer herniederträufeln, beleben dieselbe, noch mehr<br />

aber grünes Gesträuch, welches die Feuchtigkeit gedeihen ließ und das<br />

nun freundlich über unseren Häuptern weht.<br />

Ich kenne nur e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige Stadt, welche so ihren Charakter bewahrt<br />

hat wie Toledo, nur <strong>in</strong> ganz anderer Art; das ist das alte Pompeji, und<br />

vielleicht die Ritterstraße auf Rhodus. Wie man <strong>in</strong> jener Stadt der Griechen<br />

jeden Augenblick erwartet, vor sich e<strong>in</strong> paar Männer ersche<strong>in</strong>en zu<br />

sehen, im ernsten Gespräch aus e<strong>in</strong>em Hause tretend, angethan mit der<br />

purpurgesäumten Toga, so blickt man hier <strong>in</strong> den engen, f<strong>in</strong>steren Gassen<br />

von Toledo erwartungsvoll um sich und glaubt jeden Augenblick<br />

e<strong>in</strong>e geharnischte Gestalt ersche<strong>in</strong>en zu sehen, langsam aus der Seitenstraße<br />

herausreitend oder dort vor dem Hause mit dem kle<strong>in</strong>en Ste<strong>in</strong>balkon<br />

haltend, um e<strong>in</strong>er Dame, die ihr freundlich nachw<strong>in</strong>kt, noch e<strong>in</strong>ige<br />

süße Worte des Abschiedes zuzuflüstern. Doch könnte dieses geisterhafte<br />

Leben <strong>in</strong> Toledo noch mannigfaltiger se<strong>in</strong>; denn während wir den<br />

schwarzen gepanzerten Reiter dort langsam verschw<strong>in</strong>den sehen, und<br />

nur noch das rothe Kreuz auf se<strong>in</strong>em Schilde aus der dunklen Straße<br />

KAPITEL 14. ARANJUEZ. 107<br />

hervorleuchtet, öffnet sich neben uns vorsichtig und leise e<strong>in</strong> kunstreich<br />

verschlungenes Gitter, und wir erblicken den wehenden Schleier der<br />

Maur<strong>in</strong>, die sich zum Fenster herausbeugt, vielleicht um dem dah<strong>in</strong>ziehenden<br />

Christen, vielleicht aber auch, um <strong>E<strong>in</strong></strong>em aus jener glänzenden<br />

Schaar nachzuschauen, die so eben aus dem hufeisenförmigen Thore<br />

des hohen Gebäudes zu unserer Rechten heraussprengt, e<strong>in</strong>em schlanken<br />

Reiter, <strong>in</strong> seidenem Gewände, den Stahlharnisch auf der Brust, mit<br />

Turban und Reiherbusch.<br />

Und nicht blos <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Straßen bemerkt man diese Anklänge an die<br />

vergangene kriegerische Zeit, ganz Toledo ist voll davon, e<strong>in</strong> Museum<br />

der merkwürdigsten Art. In se<strong>in</strong>en w<strong>in</strong>keligen, steilen Gassen kann der<br />

aufmerksame Beobachter ke<strong>in</strong>en Schritt thun, ohne jeden Augenblick<br />

durch etwas Interessantes gefesselt zu werden und stehen zu bleiben;<br />

hier ist es die eigenthümliche Form e<strong>in</strong>es Hauses, dort e<strong>in</strong>e Inschrift,<br />

e<strong>in</strong>e halbzerbrochene Säule, zerfallenes Mauerwerk, an dem vielleicht<br />

hier und da Überreste der wunderbarsten Sculpturen sichtbar s<strong>in</strong>d: e<strong>in</strong><br />

trotziger Thorweg, dessen Bogen aus fast schwarzen Ste<strong>in</strong>en gewölbt<br />

ist, während die Flügel aus kunstvoller Holzarbeit bestehen, die durch<br />

schwere Bronzenägel vor starker Berührung geschützt s<strong>in</strong>d. Wenn man<br />

<strong>in</strong> den Gassen Toledos wandelt, so liest man e<strong>in</strong> illustrirtes Gedicht von<br />

der Adelsfreiheit, der Ritterlichkeit, der Ehre und Wehrhaftigkeit der<br />

spanischen Nation.<br />

Überraschend war es uns und machte e<strong>in</strong>en unheimlichen <strong>E<strong>in</strong></strong>druck,<br />

bei unserem <strong>E<strong>in</strong></strong>reiten so gar Niemanden auf den Gassen zu sehen. Gewiß<br />

war es e<strong>in</strong> m<strong>in</strong>der belebtes Stadtviertel, durch welches wir unseren<br />

<strong>E<strong>in</strong></strong>zug hielten, aber auffallend war es doch, daß wir bei klarem Himmel<br />

nicht e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>zigen menschlichen Wesen begegneten. Wohl vermehrte<br />

dieß den eigenthümlichen <strong>E<strong>in</strong></strong>druck, den Toledo auf uns machte, doch<br />

erschwerte es uns auch anderntheils das Auff<strong>in</strong>den unserer Herberge;<br />

denn unser Arriero kannte wohl e<strong>in</strong>e sehr ger<strong>in</strong>ge Posada <strong>in</strong> Toledo, von<br />

der Fonda de Lima hatte er <strong>in</strong>dessen nie reden gehört. Endlich gelang es<br />

uns, e<strong>in</strong>es Geistlichen habhaft zu werden, der uns auch freundliche Anweisung<br />

gab, unseren Gasthof zu f<strong>in</strong>den. Ehe wir denselben übrigens<br />

erreichten, g<strong>in</strong>g es me<strong>in</strong>em Pony wie dem Rosse des Cid, als dieser nach<br />

der Eroberung der Stadt mit dem tapferen Alonso VI. se<strong>in</strong>en <strong>E<strong>in</strong></strong>zug <strong>in</strong>

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