Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
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172 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />
e<strong>in</strong>en Augenblick halten. Ich wandte me<strong>in</strong> Pferd um und sah sogleich,<br />
daß uns vom Stadtthore her Jemand eiligst nachlief und zuweilen rief.<br />
Wir ritten zurück, der ankommenden Person entgegen, und sahen, daß<br />
es der arme Mistkäfer war, der mir me<strong>in</strong>e Geldtasche brachte, die ich im<br />
Zimmer liegen gelassen hatte. Ich habe diese Thatsache als e<strong>in</strong>en Beweis<br />
der großen Ehrlichkeit, die überhaupt unter dem spanischen Volke zu<br />
f<strong>in</strong>den ist, unmöglich verschweigen können. Die Versuchung war gewiß<br />
groß für das arme Mädchen, denn wenn ich auch ke<strong>in</strong>e Reichthümer bei<br />
mir trug, so führte ich doch <strong>in</strong> unserer geme<strong>in</strong>schaftlichen Reisekasse<br />
mehr Gold, als die ehrliche F<strong>in</strong>der<strong>in</strong> <strong>in</strong> ihrem ganzen Leben zu verdienen<br />
hoffen durfte. Daß wir sie großmüthig belohnten, verstand sich von<br />
selbst; erhielt ich doch me<strong>in</strong>e Geldtasche wieder und zu gleicher Zeit<br />
e<strong>in</strong>e ziemliche Strafpredigt me<strong>in</strong>es langen Malers, der sich recht lebhaft<br />
die Folgen e<strong>in</strong>es solchen Verlustes ausmalte. Dieser Vorfall hatte übrigens<br />
das Gute, daß er unsere üble Laune brach und wir von da angenehm<br />
plaudernd vorwärts g<strong>in</strong>gen, – g<strong>in</strong>gen im wahren S<strong>in</strong>ne des Wortes,<br />
denn die Kälte des Morgens war so empf<strong>in</strong>dlich, daß wir nur gehend<br />
im Stande waren, unsere erstarrten Füße etwas zu erwärmen.<br />
Almagro liegt <strong>in</strong> der früher erwähnten Ebene, doch e<strong>in</strong>e halbe Stunde<br />
von dem Orte entfernt fängt das Terra<strong>in</strong> schon an zu jener Bergkette<br />
aufzusteigen, die mit der Sierra de Alcaraz zusammen hängt, und die<br />
wir während des gestrigen Rittes <strong>in</strong> ihren eigenthümlich gezackten Formen<br />
beständig vor Augen hatten. Bei unserem Ausritte konnten wir der<br />
tiefen F<strong>in</strong>sterniß wegen von dem vor uns liegenden Terra<strong>in</strong> nicht viel<br />
erkennen und mußten nur froh se<strong>in</strong>, ohne zu stürzen, wenn auch beständig<br />
stolpernd, das vor uns liegende Ackerfeld zu passiren, welches<br />
von den tiefen Geleisen der Straße durchschnitten wurde, entgegengesetzt<br />
aber von der Pflugschar aufgerissen war. Bald übrigens graute der<br />
Tag im Osten und der klare sternfunkelnde Himmel über uns versprach<br />
e<strong>in</strong>en guten Tag. Wir zogen emporsteigend dem Sonnenaufgange entgegen<br />
und erfreuten uns an der tiefen glühenden Röthe, welche hier dem<br />
strahlenden Gestirn voranflog und die größere Hälfte des Himmelsgewölbes<br />
bedeckte. Vor uns zeichnete sich die Helle scharf ab zwischen<br />
malerisch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>ander geschobenen Bergen, deren tiefe Thäler, vorh<strong>in</strong><br />
noch <strong>in</strong> wechselnden Schatten vom Schwarz zum Grau, von diesem<br />
KAPITEL 16. EIN RITT NACH ANDALUSIEN. 173<br />
zum Violett, sich nun plötzlich mit rother Gluth ausfüllten. Es ergriff<br />
uns e<strong>in</strong>e wahrhaft feierliche Stimmung, als wir zugleich mit der Sonne<br />
immer höher und höher stiegen, und es war uns, als hätten wir uns mit<br />
ihr auf der Bergkette droben e<strong>in</strong> Rendezvous gegeben, e<strong>in</strong>e Zusammenkunft,<br />
<strong>in</strong> welcher sie uns viel Schönes erzählen würde von dem, was sie<br />
gestern <strong>in</strong> der Heimath bei unsern Lieben gesehen. Der gestrige belebte<br />
Tag war zu solchen Berichten nicht geeignet, aber die e<strong>in</strong>same Stille<br />
des frühen Morgens zu dergleichen freundschaftlichen Mittheilungen<br />
besonders geschaffen.<br />
Jetzt schoß der erste Sonnenstrahl über die vor uns liegenden Berge<br />
daher, zitternd und flimmernd, e<strong>in</strong>en gewaltigen Regen von Silber<br />
und Gold, von Brillanten und farbigen Edelste<strong>in</strong>en, die sich an Ästen<br />
und Gräsern festh<strong>in</strong>gen, um uns her ausbreitend. Der Boden zu unsern<br />
Füßen flammte glühend auf und war zu gleicher Zeit wunderbar schattirt,<br />
denn jede Erhöhung, jedes kle<strong>in</strong>e Ste<strong>in</strong>chen, vorn vom Lichte hell<br />
bestrahlt, warf h<strong>in</strong>ter sich e<strong>in</strong>en langen, dunklen Schlagschatten. Fast<br />
unheimlich und gespenstig erschienen unsere Schatten und die unserer<br />
Pferde, die langgestreckt h<strong>in</strong>ter uns dre<strong>in</strong>zogen und uns auf die schauerlichste<br />
Art karrikirten.<br />
Die erste Bergkette hatten wir erstiegen und sahen parallel mit dieser<br />
e<strong>in</strong>e zweite höhere, durch e<strong>in</strong> tiefes, aber nicht sehr breites Thal von<br />
uns getrennt. Das Terra<strong>in</strong> hier oben war rauh und kahl; spärlich wuchsen<br />
Sträucher und kle<strong>in</strong>e Ste<strong>in</strong>eichen zwischen den schieferfarbigen Felsen,<br />
von ganz eigenthümlich durche<strong>in</strong>ander geworfenen Formen. Man<br />
sagt, <strong>in</strong> der Nähe des Passes, auf dem wir gerade ritten, bef<strong>in</strong>de sich<br />
noch vollkommen erkennbar e<strong>in</strong> ausgebrannter Vulkan, e<strong>in</strong>e Angabe,<br />
die ganz und gar zu dem Charakter der Gegend paßte. Die Erde r<strong>in</strong>gs<br />
umher ist schwarz, und wenn man auch die Spuren von bearbeiteten<br />
Feldern sieht, so s<strong>in</strong>d diese wahrhaft trostlos mit dichtem Ste<strong>in</strong>geröll<br />
übersät. Unser heutiger Weg schien nicht so wie der gestrige durch den<br />
Zufall angelegt zu se<strong>in</strong>, sondern man sah wohl, daß hier Menschenhände<br />
thätig, gewesen waren und ihm se<strong>in</strong>en Lauf vorgezeichnet hatten.<br />
Daß er sehr steil abwärts führte, daran waren die schroffen Bergwände<br />
schuld, und da wir <strong>in</strong> <strong>Spanien</strong> reisten, wunderten wir uns weiter nicht<br />
über die großen und kle<strong>in</strong>en Felsen und Ste<strong>in</strong>e, die von den Höhen herabgerollt<br />
waren und ruhig mitten im Wege lagen.