Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
336 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />
mer und ich erwachte erst wieder, als die Sonne hell und glänzend aufstieg.<br />
Noch immer schlich der Wagen langsam durch den tiefen Sand und<br />
als ich zum Fenster h<strong>in</strong>ausblickte, bemerkte ich me<strong>in</strong>en guten Horschelt,<br />
der, wie er mir lachend zurief, schon seit mehreren Stunden zu Fuß neben<br />
dem Wagen herg<strong>in</strong>g, und der mir viel Schönes erzählte von der<br />
Pracht der Sterne und wie der Morgen so wunderbar erschienen sei. Mayoral,<br />
Zagal und Delantero schritten ebenfalls neben dem Wagen her,<br />
den jetzt acht Maulthiere mühsam fortschleppten. Es war e<strong>in</strong>e kahle,<br />
trostlose Haide, über die wir fuhren, der Sandweg, von außerordentlicher<br />
Breite, lief, wie versuchsweise, bald hierh<strong>in</strong>, bald dorth<strong>in</strong>. Nach<br />
e<strong>in</strong>igen Stunden fuhren wir auf e<strong>in</strong>em festeren Wege und geschw<strong>in</strong>der<br />
abwärts, erreichten Carmona mit fe<strong>in</strong>er malerischen maurischen Schloßru<strong>in</strong>e<br />
auf steilem Berge gelegen; am Fuß se<strong>in</strong>er Wallmauern w<strong>in</strong>det sich<br />
die Stadt malerisch herum. Gegen eilf Uhr hielten wir Frühstücks halber<br />
<strong>in</strong> dem freundlichen Alcalà de Guadayra, das ebenfalls von e<strong>in</strong>em<br />
trotzigen Schlosse überragt wird. H<strong>in</strong>ter diesem Städtchen öffnete sich<br />
nun wieder vor unsern freudig erstaunten Augen das weite Thal des<br />
Guadalquivirs, der sich schlangenartig dah<strong>in</strong>w<strong>in</strong>det durch e<strong>in</strong>e ausgedehnte<br />
fruchtbare Ebene, die bis zum Meere durch ke<strong>in</strong>e bedeutende<br />
Höhe mehr unterbrochen wird. Die ganze Fläche ist mit unzähligen Olivenbäumen<br />
besäet, zwischen denen e<strong>in</strong>zelne weiße Meierhöfe hervorblicken,<br />
die mit ihren grünen Orangengärten wie Oasen <strong>in</strong> den grauen<br />
Flächen der Getreidefelder daliegen. Während wir unter lustigem Peitschenklange<br />
auf e<strong>in</strong>er ziemlich guten Straße h<strong>in</strong>abrollen, senken sich neben<br />
uns und dem Flusse zu unserer Rechten die letzten Hügelreihen <strong>in</strong>s<br />
Thal, die mit Waldungen und größeren Ortschaften bedeckt s<strong>in</strong>d. Endlich<br />
erhebt sich vor uns e<strong>in</strong> dichter Olivenwald und nachdem wir ihn<br />
h<strong>in</strong>ter uns gelassen, sehen wir mit wahrem Entzücken das Ende unserer<br />
Fahrt dicht vor uns liegen, das große, schöne, lustige Sevilla, zwischen<br />
grünen Baumreihen weiß hervorglänzend mit se<strong>in</strong>en unzähligen<br />
Kirchen und Thürmen. Über alles das h<strong>in</strong>aus aber ragt die prächtige Giralda,<br />
jener herrliche maurische Thurm der Kathedrale, den wir aus Beschreibungen<br />
und Bildern her kennen und den wir mit lautem Ausrufe<br />
begrüßen.<br />
KAPITEL 20. SEVILLA. 337<br />
Die Straße, die sich bisher recht brav gehalten, wird wie gewöhnlich<br />
dicht vor der Stadt schlecht und uneben. Zuweilen fahren wir durch<br />
tiefe Risse h<strong>in</strong>durch, zuweilen schaut der kle<strong>in</strong>e Delantero wie fragend<br />
rückwärts, und wenn der Mayoral mit dem Kopfe nickte, galoppiren die<br />
Pferde unter e<strong>in</strong>em scharfen W<strong>in</strong>kel geraden Wegs den Straßendamm<br />
h<strong>in</strong>ab und dann rollen wir e<strong>in</strong>e Zeitlang auf dem weichen Wiesengrunde,<br />
der sich neben der Chaussee h<strong>in</strong>zieht. Bald haben wir e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e<br />
Vorstadt Sevilla’s erreicht und mit ihr den riesenhaften arabischen<br />
Aquädukt, der das Wasser von Alcalà here<strong>in</strong>leitet, an dessen fast schwarzen<br />
Pfeilern und Bogen, wo das Wasser herabtropft und wehende Schl<strong>in</strong>gpflanzen<br />
wuchern, wir e<strong>in</strong>e halbe Stunde vorüberfahren, um die Alameda<br />
zu erreichen, wo wir uns l<strong>in</strong>ks wenden, noch e<strong>in</strong>e Zeitlang längs der<br />
alten Saracenenmauer vorüber fahren, dann rechts <strong>in</strong> die schöne Stadt<br />
abbiegen, welche uns, besonders da es Sonntag ist und herrlicher Sonnensche<strong>in</strong>,<br />
aufs Heiterste und Freundlichste empfängt. Die weißen Häuser<br />
glänzen; durch die offenstehenden Thore sehen wir beim Vorüberfahren<br />
<strong>in</strong> die reizenden Patios, wo Orangen blühen und Spr<strong>in</strong>gbrunnen<br />
plätschern, wo schöne Mädchen sitzen, mit den großen glänzenden Augen<br />
die bestaubten Fremden anschauend, die durch das Wagengerassel<br />
und durch den lebhaften lärmenden Verkehr <strong>in</strong> den Straßen fast betäubt,<br />
durch das Sonnenlicht und den Glanz auf den weißen Häusern und den<br />
schwarzen Augen fast geblendet, endlich wie träumend auf dem Posthofe<br />
ankommen.<br />
Woher es wohl kommen mag, daß Sevilla von allen spanischen Städten<br />
und ebenfalls von vielen nichtspanischen die fröhlichste und heiterste<br />
Physiognomie hat, ist mir nie recht klar geworden und wird für mich<br />
und Manchen, der gerade so denkt, räthselhaft bleiben: Barcelona, Valencia,<br />
Madrid und nicht zu vergessen Granada haben ebenfalls belebte<br />
Straßen, Cadiz sieht sogar immer geputzt aus und macht den <strong>E<strong>in</strong></strong>druck,<br />
wie e<strong>in</strong> Sonntagnachmittag im Sommer; aber <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er von all diesen<br />
Städten fühlt man sich so behaglich, flanirt man so angenehm und vergnügt,<br />
wie hier <strong>in</strong> Sevilla. Granada <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Ernste, mit se<strong>in</strong>en gewaltigen,<br />
trüben Er<strong>in</strong>nerungen, die sich uns auf Schritt und Tritt aufdrängen,<br />
mit den heute noch so leserlichen Schriftzügen, welche die alten vergangenen<br />
Zeiten auf Berg und Thal h<strong>in</strong>terlassen, Granada, welches den