Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
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330 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />
langen seidenen Wimpern auf Augenblicke herabfallen ließ. Für diese<br />
Art von Augen, die e<strong>in</strong>en eigenthümlichen Anflug von Nachlässigkeit<br />
und Schalkhaftigkeit haben, die aber bei Ausbrüchen der lebhaftesten<br />
Affekte so wunderbar h<strong>in</strong>reißend s<strong>in</strong>d, hat der Spanier den Ausdruck:<br />
Ojos adormidillos von adormido, schläfrig, hergeleitet, dessen Dim<strong>in</strong>utiv<br />
aber unübersetzbar ist.<br />
Was sie sang, war e<strong>in</strong>es jener reizenden spanischen Volkslieder, die<br />
fast alle von den Freuden und Leiden der Liebe handeln:<br />
Mas vale trocar<br />
Placer por dolores,<br />
Que estar s<strong>in</strong> amores.<br />
Donde es gradecido,<br />
Es dulce el morir,<br />
Vivir <strong>in</strong> olvido,<br />
Aquel no es vivir.<br />
Mejor es sufrir,<br />
Passion y dolores,<br />
Que estar s<strong>in</strong> amores.<br />
Viel besser ist tauschen<br />
Freude um Leiden,<br />
Als Liebe zu meiden.<br />
In Liebe ersterben<br />
Ist süßer Tod;<br />
Vergessen zu leben,<br />
Das ist ke<strong>in</strong> Leben.<br />
Viel besser ist nehmen<br />
Statt Freude Leiden,<br />
Als Liebe zu meiden.<br />
Innig und freundlich sang sie dieß bekannte reizende Lied; und als sie<br />
e<strong>in</strong>mal im Zuge war, folgten auch andere, mit und ohne Castagnettenbegleitung.<br />
Wenn sie die Castanuelos an ihre F<strong>in</strong>gerchen befestigt hatte<br />
und nun während des Gesanges mit den kle<strong>in</strong>en Füßen auf den Boden<br />
KAPITEL 19. NACH CORDOVA 331<br />
trat, den Kopf neckisch emporwarf und dazu zuweilen mit den Armen<br />
e<strong>in</strong>e Bewegung machte, als wollte sie zur Cachucha ansetzen, so war<br />
das Mädchen über alle Maßen schön und liebenswürdig. Später führte<br />
sie e<strong>in</strong>e förmliche Scene auf, e<strong>in</strong>en Dialog <strong>in</strong> Versen mit e<strong>in</strong>zelnen<br />
Klängen der Guitarre, wo sich e<strong>in</strong> Caballero um die Liebe e<strong>in</strong>er Gitana<br />
bewirbt, von dieser aber zurückgewiesen wird, e<strong>in</strong>e Scene so voll Leben<br />
und Wahrheit, daß wir Alle ungestüm applaudirten. Dann aber war sie<br />
nicht mehr zu halten, sie flüchtete erröthend h<strong>in</strong>ter ihre Mutter, und <strong>in</strong><br />
diesem Augenblicke sah das liebliche Gesichtchen aus, wie das dunkle<br />
Roth e<strong>in</strong>er Pfirsich.<br />
Auf vieles Ermuntern und Bitten traten endlich auch vier Paare der<br />
jungen Mädchen zu e<strong>in</strong>em Tanze zusammen, der von Don Juanito und<br />
e<strong>in</strong>em Paar Anderer mit Guitarren und Castagnetten begleitet wurde.<br />
Dazu hatten, sie ihre Jäckchen abgelegt und hatten nun nichts mehr<br />
an, als leichte tief ausgeschnittene Moussel<strong>in</strong>ekleidchen ohne Basqu<strong>in</strong>a<br />
oder Halstuch, deren Röckchen so kurz waren, daß man vollkommen<br />
die zierlichen Füße sehen konnte. Es war e<strong>in</strong> Fandango, den sie uns zum<br />
Besten gaben, jener herrliche, üppige Tanz, <strong>in</strong> dem sich die reizendste<br />
Körpergewandtheit zugleich mit der glühendsten Passion ausdrücken<br />
kann. Wir hatten das schon <strong>in</strong> der Mancha gesehen, sowie <strong>in</strong> den Theatern<br />
von Barcelona und Valencia. Was aber auf unserm Maulthiertreiberball<br />
zuweilen als etwas allzu derb erschien, oder auf der Bühne zu sehr<br />
gekünstelt und geziert, war hier die re<strong>in</strong>e warme Natur und Wahrheit.<br />
Als die Musik begann, blickten die Mädchen zuerst auf den Boden oder<br />
schüchtern zu uns herüber, mit jedem Takte aber riß sie die Gewalt der<br />
Töne und die Leidenschaftlichkeit des Tanzes mehr und mehr fort. Dazu<br />
hatten sie die Ärmel ihrer Kleidchen bis an die Achseln h<strong>in</strong>aufgestreift,<br />
und man sah nicht nur die schönen vollen Formen der runden Arme,<br />
sondern war entzückt über die Haltung derselben, sowie der Hände,<br />
wie auch über die Leidenschaft, Elasticität und über die Grazie, mit der<br />
sie die üppigen Verschl<strong>in</strong>gungen und Körperw<strong>in</strong>dungen des liebeathmenden<br />
Tanzes ausführten.<br />
Da die Mädchen ganz unter sich tanzten, und also nur e<strong>in</strong>e Freund<strong>in</strong><br />
der andern an die Brust sank, sie umschlang und heftig an sich preßte,<br />
wobei zuweilen e<strong>in</strong> neckischer und doch wilder Kuß vorkam, so genir-