Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
114<br />
Schwangerschaft und Geburt<br />
Unter welchen Lebensbedingungen wurden die Sklavenkinder in Brasilien geboren?<br />
Der Arzt Dr. José Rodrigues de Lima schreibt in scheinbarer Unkenntnis des<br />
Sklavereisystems im Jahre 1849, daß unter den Sklaven nicht die geringsten hygienischen<br />
Regeln beachtet würden, daß sie dem Ort ihrer Behausungen, ihrer Kleidung,<br />
ihrer Ernährung, ihrer Erholung, ihren Schlafstellen und anderen<br />
Gesundheitsfragen keinerlei Beachtung schenken würden. Ein anderer brasilianischer<br />
„higienista“ (vgl. Machado et al. 1978) Dr. David Gomes Jardim betont im<br />
Jahre 1847, daß die tägliche Ernährung der Sklaven aus schwarzen Bohnen, Mais<br />
und Maniokmehl bestünde und kommt zu dem Schluß: „Uma refeição não variada,<br />
como esta, muitas vezes em quantidade insuficiente e mal preparada, deve influir<br />
de maneira notável no desenvolvimento das moléstias que tem por costume agredir<br />
esta classe de indivíduo.“ (Gomes Jardim, 1847:7f)<br />
Die Bekleidung der Sklaven war nicht besser. Aus Beobachtungen der europäischen<br />
Reisenden wissen wir, daß den Sklaven das Tragen von Schuhwerk oder<br />
irgendeines Schutzes der Füße verboten war, weil Barfüßigkeit den Sklavenzustand<br />
selbst symbolisierte (vgl. Stubbe, 1985:27f; zur Sklaverei in der Bibel, die oftmals als<br />
Modell diente vgl. Cornfeld & Botterweck, 1972:1292ff; Vendrame, 1981). Aber die<br />
Sklaven/innen gingen nicht nur barfuß (was viele Tropenkrankheiten verursachte<br />
z.B. „bicho do pé“ ), sondern waren auch ungenügend bekleidet oder fast nackt,<br />
wie zeitgenössische Illustrationen (vgl. Rugendas, Debret) zeigen. Die ländlichen<br />
Sklaven erhielten pro Jahr nur eine Hose und ein Hemd und arbeiteten „fast nackt“<br />
, wie auch der oben zitierte Arzt Jardim (1847:10) bemerkt. Untergebracht waren<br />
die Sklaven in schmutzigen und zugigen Lehmhütten und schliefen auf dem Boden<br />
ohne Decken. Sie arbeiteten 15 bis 16 Stunden pro Tag ohne ausreichende Ernährung<br />
und im Zustand der Halbnacktheit (vgl. Conrad, 1985). Welche verheerenden<br />
Folgen diese Lebensverhältnisse auf die geistige und körperliche Entwicklung<br />
der Sklavenkinder (schon im intrauterinen Zustand) hatte, wurde bisher kaum<br />
systematisch untersucht (vgl. Kiple & King, 1977).<br />
Über die Schwangerschaft und Geburt bei den Sklavinnen fehlen uns bisher<br />
direkte und sichere Quellen. Sie wurden weder wie im Falle der weißen Maria<br />
gemalt noch modelliert.<br />
Die afrobrasilianischen Sklavenkinder wurden meistens in den Sklavenhütten<br />
geboren und man zog Hebammen den Ärzten vor. Auf manchen „fazendas“ gab es<br />
aber auch spezielle „enfermarias“ für Sklaven, die auch als Geburtshilfeeinrichtungen<br />
fungierten (vgl. Mott, 1979). Wichtig in diesem Zusammenhang sind aber medizinische<br />
Schriften der damaligen Zeit wie das „Manual do Fazendeiro e tratado