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tät durchaus noch präsent ist: Mit Klassenkameraden, unter Freunden und unter<br />
den Geschwistern wird noch relativ häufig Deutsch gesprochen (Schwade<br />
Sufredini 1993: 77ff). Es fragt sich natürlich, wie „deutsch“ dieses Deutsch ist. Schwade<br />
Sufredini (1993: 199f) hat in einer genaueren Studie dreier Generationen (in<br />
sechs Familien) portugiesische Entlehnungen in großer Zahl festgestellt, allerdings<br />
zeigen diese nahezu keinerlei Signifikanz in der Generationenabfolge: Sie sind bei<br />
den Jüngeren nicht häufiger als bei der mittleren und älteren Generation. Eine<br />
Netzwerkanalyse ergibt schließlich, daß die Kommunikation in der Familie und der<br />
engen Nachbarschaft weitgehend auf Deutsch vonstatten geht. Die Tatsache, daß<br />
Familie und engere Nachbarschaft die „Knotenpunkte“ der Verwendung des Deutschen<br />
sind, bestätigt Altenhofens Annahme einer „familiolektalen“ Basis der deutschen<br />
Varietäten (s.o.). Außerhalb der Gemeinde (beim Arzt, in Geschäften, mit<br />
dem Pfarrer) wird in allen Generationen nahezu ausschließlich portugiesisch gesprochen<br />
(Schwade Sufredini 1993: 106ff).<br />
Maria Elaine Estivalét Steiner (1988) führt eine ähnliche Untersuchung in Jaraguá<br />
do Sul bei Joinville (Santa Catarina) durch: Der Ort liegt in einer städtisch geprägten,<br />
dicht besiedelten und industriell entwickelten Region. Die Befragung unter<br />
292 Schülern kommt zu dem Ergebnis, daß in der überwiegenden Anzahl der Familien<br />
nur noch „gelegentlich“ Deutsch gesprochen wird, wie auch in der Peergroup<br />
und in der Nachbarschaft. Beim Einkauf und in der Kirche wird zu fast 90% ausschließlich<br />
Portugiesisch gesprochen. Die Verwendung des Deutschen ist gegenüber<br />
älteren Gesprächspartnen und Bekannten häufiger und auch von der Konfession<br />
abhängig: Protestanten sprechen innerhalb und außerhalb der Familie mehr<br />
Deutsch als Katholiken (Estivalét Steiner 1988: 83ff).<br />
Ute Bärnert-Fürst (1994) untersucht Sprachbewahrung und Sprachwechsel in<br />
einer Studie des Sprachverhaltens in drei Generationen in Panambi (Neu-Württemberg),<br />
einer schwäbischen Kolonie, die zwischen 1921 und 1926 im Nordwesten<br />
von Rio Grande do Sul gegründet wurde. Auch hier zeigt sich, daß in der<br />
Folge der Stigmatisierung des Deutschen es die mittlere Generation war, die den<br />
Sprachwechsel innerhalb der Familie einleitete. Während in der Gründungszeit<br />
die Verwendung des Portugiesischen auf die äußeren Kontakte des wirtschaftlichen<br />
und institutionellen Verkehrs beschränkt blieb, dringt die Kontaktsprache seit<br />
den späten 1930er Jahren über die Schule und Kirche ein, während die Arbeitssphäre<br />
auf dem Lande noch deutsch bleibt, in der Stadt jedoch partiell zum Portugiesischen<br />
übergeht. Heute (1985) wird die deutsche Varietät auf dem Lande partiell<br />
auch wieder in der Kirche und bei der Arbeit verwendet, während jedoch die<br />
familiäre Kommunikation bilingual geworden ist: in der Stadt mit Dominanz des<br />
Portugiesischen, auf dem Lande des Deutschen. Ute Bärnert-Fürst deutet dies als<br />
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