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ließ er sie weyter fragen: Ob diese Piembos auch Proviandt hetten, und warvon sie<br />
sich enthielten, was es für ein Volck und was ihr Wandel und Thun were. Darauf<br />
antworteten sie im hinwider: Diese Piembos hetten kein ander Proviandt, dann<br />
Fisch und Fleisch, Item Bochshörnlein oder JohansBrodt, Algorobo genandt, auß<br />
welchem sie Meel macheten, und essen dasselbe zu den Fischen, Sie machen auch<br />
Wein darauß, der ist gar süß, gleich wie bey uns der Medt.” (1602, S. 28).<br />
Diese zufällig überlieferte Stelle, die im narrativen Kontext den Hintergrund für<br />
eine in der Folge beschriebene Expedition zu besagten Piembos liefert, zeigt uns,<br />
wie ähnlich diese militärisch motivierten Befragungen Schmidels Kriterienkatalog<br />
sind. Dies ist sicher nicht zufällig. Schmidel erwähnt beispielsweise explizit das<br />
Johannisbrot, als er von der Nahrung der Piembos (Patembos) spricht (1602, S.29).<br />
Wir müssen also in diesen Befragungen durch die Soldaten ein direktes Vorbild für<br />
die Indianerschilderungen der kurzen descriptio-Einschübe sehen, auch wenn<br />
Schmidel dann noch einige persönliche Beobachtungen über die Sitten hinzufügt.<br />
Es ist also wahrscheinlich, dass sowohl diese Befragungen als auch persönliche,<br />
mehr willkürlich ausgewählte Bemerkungen sowie Anregungen von fremder Seite<br />
(Nacktheit als Kriterium für den Zivilisationsstand) als Selektionskriterien in<br />
Schmidels Indianerpassagen eingeflossen sind.<br />
Schmidel verwendet das zeittypische Vergleichsschema, das außereuropäische<br />
Erscheinungen mit europäischen Elementen vergleicht, nur bei geographischen<br />
Beobachtungen und Bemerkungen über die materielle Kultur der Indianer, nicht<br />
aber bei der moralischen Bewertung der Indianer. Schmidel vergleicht einen Berg<br />
mit dem Bogenberg seiner Straubinger Heimat (1602, S.29), einen großen Fluss mit<br />
der Donau (1602, S.69; analog übrigens ein Vergleich des aus Ulm stammenden<br />
Federmann in seiner Indianische Historia 1557, Blatt L 2 verso) oder die Ruder der<br />
Kanus der Indianer mit europäischen Rudern (1602, S.15). Diese Vergleiche sind<br />
aber eher sporadisch und nicht nach einer stilistischen Absicht in den Text eingestreut.<br />
Bezeichnenderweise stammen sie aus Schmidels näherer Heimat und sind<br />
auch für den ersten intendierten Leser als ein Verweis auf die dem Autor wie dem<br />
Rezipienten selbst bekannten Gegenden zu sehen.<br />
Schmidels Indianerbild lässt sich inhaltlich nicht auf einen Nenner bringen,<br />
sondern muss vor dem jeweiligen Kontext betrachtet werden. Sozialverhalten und<br />
Religion spielen keine Rolle in seiner moralischen Bewertung. Bei Schmidel sind<br />
auch die moralischen Urteile über die Indianer gänzlich in deren militärischer Zuverlässigkeit<br />
begründet. Die Konformität mit europäischen Verhaltensnormen, etwa<br />
der zeremonielle Empfang der Europäer durch einen Indianerhäuptling, werden<br />
zwar positiv hervorgehoben (Classen, 1993, S. 258), dies allerdings bei eher sekundären<br />
Beobachtungen. Angesichts der Tatsache, dass das Thema Religion auch bei