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Ab dem Alter von zwölf Jahren wurden die Sklavenkinder im Hinblick auf die<br />
Arbeit und Sexualität als Erwachsene angesehen. (vgl. Mott,1979)<br />
Der größte Teil der Sklavinnen-Prostituierten war sehr jung. Macedo Júnior gibt<br />
in seiner medizinischen Dissertation(1869) ein Durchschnittsalter von 10 bis 15<br />
Jahren an. Man nannte diese Kinderprostituierten, die von ihren Sklavenhaltern<br />
zu dieser Tätigkeit gezwungen wurden, im Volksmund „capitais inocentes“ . Die „Lei<br />
do Ventre Livre“ (=Lei Rio Branco No.2040 vom 28.September 1871) verbesserte<br />
die Situation der Sklavenkinder in keiner Weise. Dieses Gesetz stellte nämlich die<br />
Sklavenkinder in die Gewalt und unter die Autorität ihres „Senhor“ , indem es ihn<br />
zwang „criá-los e tratá-los até a idade de oito annos completos. Chegando o filho<br />
da escrava a esta idade, o senhor da mãe terá a opção, ou de receber do Estado a<br />
Indenização de 600$000, ou de utilizar-se dos serviços do menor até a idade de 21<br />
anos completos.“ (zit. apud Mattoso, 1991:80)<br />
Ohne Zweifel werden nur wenige Sklavenhalter auf eine 13jährige Arbeitsausbeute<br />
ihrer Sklavenkinder und Jugendlichen verzichtet haben.<br />
Wie wir gesehen haben, ist über die seelische und soziale Entwicklung der Sklaven<br />
und Sklavinnen in Brasilien bisher wenig bekannt geworden, weshalb ich bei<br />
anderer Gelegenheit schrieb, daß die „Seele“ des Afrobrasilianers noch immer ein<br />
weißer Fleck auf der Landkarte Brasiliens ist (Stubbe, 1989:6).<br />
Lassen Sie mich abschließend noch einige kritische methodische Bemerkungen<br />
zum „Olhar“ der europäischen Reisenden machen: Die Reisenden des 19.Jh.s<br />
brachten bereits ein bestimmtes, teilweise vorurteilbelastetes Bild über Brasilien<br />
und die Sklaverei mit nach Brasilien, das sie oftmals bestätigt wissen wollten. Diese<br />
Vorurteile spiegeln sich auch in ihren Reiseberichten und Bildern wider. Sie<br />
selektierten somit in ihrer Wahrnehmung bestimmte Aspekte der Lebenswirklichkeit<br />
der Brasilianer. Slenes(1988) analysiert in diesem Zusammenhang<br />
verschiedene Wahrnehmungseinstellungen und Vorurteile der europäischen<br />
Reisenden, indem er bezeichnenderweise von ihrem “ olhar branco” spricht, denn<br />
sie waren ja in ihrer Gesamtheit Weiße, also „Herren“ . In dieser Reiseliteratur<br />
werden oftmals auch bestimmte “ historische Mythen” wie die von der “ suavidade<br />
da escravidão no Brasil” (Mildheit der Sklaverei in Brasilien) oder von der “<br />
escravidão como um veículo de civilização” (Sklaverei als Vehikel der Zivilisation)<br />
reproduziert (vgl. Mott, 1979).<br />
Die Optik der Reisenden ist nicht nur eine „weiße“ , sondern auch vor allem eine<br />
„männliche Optik“ . Nur wenige Frauen (wie z.B. Maria Graham oder Ina von Binzer)<br />
haben bekanntlich über Brasilien Reiseberichte verfasst bzw. gemalt. Die Reisenden<br />
entstammten auch vor allem dem Adel (z.B. von Martius, von Spix, von Wied, von<br />
Langsdorff, von Eschwege, von Binzer etc.) und erst in zweiter Linie dem Bürger-