NATION UND SPRACHE
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“Der Sprecher und das Wort sind zwei Personen”. Zum Gebrauch des politischen Euphemismus<br />
Luchtenberg spricht (1975: 361-368) von mehr oder weniger verbindlichen Konventionen, welche<br />
sich auf<br />
Dinge, Vorgänge, Sachverhalte [beziehen], die zu meiden sind bzw. deren Erwähnung zu meiden gesellschaftlich<br />
verlangt wird.<br />
Die Lösung des Konflikts liegt im Ausweichen auf Ersatzformulierungen, die den Blick auf<br />
einen gesellschaftlich weniger gemiedenen Aspekt legen, wobei zugleich die Interessen beider<br />
Sprachteilnehmer berücksichtigt werden. Dem Sprecher gelingt es, seine Aussageabsicht zu<br />
verwirklichen, ohne dabei sozial bedingte Tabus zu brechen; gleichzeitig bleibt aber dem Hörer<br />
die Härte der direkten Aussage erspart, die verhüllende Formulierung nimmt Rücksicht auf seine<br />
Gefühle, was je nach Situation oft sogar als der Hauptzweck euphemistischer Rede anzusehen<br />
ist.<br />
Zusammenfassend können nun folgende Merkmale des verhüllenden Euphemismus im Sinne<br />
Luchtenbergs festgehalten werden: Verhüllende Euphemismen sind immer durch Normen und<br />
Konventionen sozialer, religiöser Art usw. bedingt. Ihre Aufgabe besteht deshalb darin, gesellschaftliche<br />
Tabus sprachlich zu umgehen, die Thematisierung unangenehmer Dinge also<br />
trotz der Tabus möglich zu machen. Mit der Beachtung und Einhaltung allgemein verbindlicher<br />
Konventionen verbindet sich immer auch die Rücksichtnahme auf die Gefühle beider<br />
Gesprächspartner: Vermeidung von Peinlichkeit als Interesse des Sprechers; Vermeidung starker<br />
negativer Gefühlsreaktionen im Interesse des Hörers.<br />
Die Funktion des Verschleierns<br />
Um den Unterschied zwischen verhüllender und verschleiernder Funktion im Sinne Luchtenbergs<br />
zu verdeutlichen, gilt es wieder, die Relation zwischen Sprecher und Hörer in den jeweiligen<br />
Kommunikationssituationen zu berücksichtigen. Als verschleiernd sieht Luchtenberg (1975<br />
: 368-380) nämlich solche Euphemismen an, die zum Ziel haben, beim Hörer eine vom Sprecher<br />
intendierte Wirkung hervorzurufen. Die Schonung des Hörers als mögliche Intention wird hier<br />
jedoch bewusst ausgeklammert. Dass die scharfe Abgrenzung beider Funktionen in der Praxis<br />
nur schwer möglich ist, gibt die Autorin zu (Luchtenberg 1975: 369):<br />
Die Trennung in verhüllende und verschleiernde Euphemismen kennt viele Übergänge, und in nicht<br />
wenigen Fällen erfüllt ein Euphemismus beide Funktionen.<br />
Trotz vieler Mischformen wird jedoch der grundsätzliche Unterschied zwischen verhüllender<br />
und verschleiernder Funktion anhand der Motive deutlich, die einen Sprecher/Kommunikator<br />
zum Gebrauch verschleiernder Formulierungen veranlassen. Es geht hier nämlich keineswegs<br />
um eine Beachtung sozialer Normen und Verbote, die sich (auch) im Bereich der Sprache manifestieren,<br />
sondern um ganz persönliche Interessen des Sprechers, zu deren Durchsetzung die<br />
Sprache als Mittel der Manipulation nutzbar gemacht wird: Machtausspruch, Gewinnstreben<br />
etc. Die sprachliche Realisation der verschleiernden Euphemsimen im Beispiel der Irak-Schlagzeilen<br />
geschieht durch Substitution des Gemeinten durch Untertreibung, Fremdwörtern, Standardisierung<br />
der Sprache (s.o.), ja sogar durch kontextunabhängige, auf den ersten Blick völlig<br />
unzusammenhängende Phraseme („{oc [i groaz`“, „Decapitarea“ – „Schock und Schrecken“,<br />
„Enthauptung“). Die äußeren Faktoren verschleiernder Kommunikation beschreibt Luchtenberg<br />
folgendermaßen (1975: 370):<br />
Ein Sprecher S verändert die von einem Hörer H erwartete Information I dahingehend, daß S nur für<br />
ihn und seine Absichten günstige Teile von I übermittelt, also eine Information äußert, die bewußt<br />
nicht dem zugrundeliegenden Realgeschehen R entspricht.<br />
Das Ziel der Verschleierung kann im Gegensatz zur Verhüllung jedoch nur dann als erreicht<br />
angesehen werden, wenn H etwa infolge mangelnder Kenntnisse über R oder aufgrund unzureichenden<br />
Sprachbewusstseins die Unangemessenheit von I nicht erkennt und die von S<br />
ZGR 1-2 (21-22) / 2002, 1-2 (23-24) / 2003<br />
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