NATION UND SPRACHE
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NATION UND SPRACHE
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Aspekte der Kommunikation in den internationalen Verhandlungen<br />
⇒ eine zufriedenstellende Kompetenz (Das Individuum ist im System gut verankert, es ist gut<br />
sozialisiert, es kann leicht innerhalb des Systems, aber nicht außerhalb dessen, handeln<br />
und kommunizieren.)<br />
⇒ eine optimale Kompetenz (Die kommunikativen Fähigkeiten des Individuums sind sehr<br />
umfangreich. Das Individuum handelt und kommuniziert leicht innerhalb und außerhalb<br />
des Systems abhängig von seinen Absichten.)<br />
In den theoretischen und empirischen Studien über internationales Verhandeln wird immer<br />
auf kulturelle Unterschiede als das größte Hindernis in der Abwicklung der Auslandsgeschäfte<br />
hingewiesen. Kulturelle Unterschiede sind sicherlich ein wichtiges Element bei internationalen<br />
Verhandlungen, aber sie sind nicht der einzige Faktor. Jede Verhandlung wird von einer Unzahl<br />
verschiedener Faktoren auf viele verschiedene Weisen geprägt.<br />
Kultur und Wirtschaft gehören auf den ersten Blick nicht zusammen. In unserem Denken ist<br />
die Kultur gewöhnlich das Gegenteil der Wirtschaft. Die beiden Systeme stehen sozusagen<br />
diametral zueinander. Trotzdem sind alle, die in dem Wirtschaftsbereich tätig sind, zunächst<br />
Kulturträger eines kulturellen Systems, dem sie im Prinzip von Geburt angehören. Ihre arbeitsbezogenen<br />
Grundeinstellungen werden von bestimmten Werten beeinflußt, die für einen<br />
Kulturkreis kennzeichnend sind. Hofstede unterscheidet vier sozialpsychologische Dimensionen,<br />
die allen Kulturen gemeinsam seien 6 : Distanz zu bzw. Abhängigkeit von Autoritäten,<br />
Individualismus bzw. Kollektivismus, Maskulinität bzw. Feminität und Ambiguitätstoleranz bzw.<br />
Unsicherheitsvermeidung. Die Werte, die als Grundlage dieser Dimensionen zu betrachten sind,<br />
und ihre Ausdrucksweisen, wie z. B. Kommunikationsstrategien, Gesprächsverhalten, Verhandlungsstil,<br />
unterscheiden die Kulturen voneinander.<br />
In interkulturellen Begegnungen benötigen die Interaktanten ein umfangreicheres Wissen<br />
über die kulturelle Abhängigkeit von Verhaltens-, Handelns- und Kommunikationsstrategien, so<br />
dass sie die kulturell bedingten Abweichungen rechtzeitig erkennen und verarbeiten können.<br />
Die möglichen Abweichungen weisen offensichtlich auf die Heterogenität der Interaktanten<br />
hin. Der Grad der Heterogenität nimmt zu, wenn die Interaktanten aus ganz entgegengesetzten<br />
Kultursystemen kommen, d.h., dass die grundlegenden Werte der schon genannten sozialpsychologischen<br />
Dimensionen im Gegensatz zueinander stehen.<br />
Andere Faktoren, die den Kommunikationsprozess in interkulturellen Begegnungen bestimmen<br />
und zur Heterogenität der Interaktanten beitragen, sind: die Zugehörigkeit zu einer<br />
Hoch- oder Niedrig-Kontext-Kultur 7 und das Zeitverständnis. Diese Faktoren beziehen sich auf<br />
ganz wichtige Aspekte des Alltagslebens wie Klarheit und Präzision (Hoch-Kontext-Kulturen)<br />
bzw. Ambiguität im sprachlichen Ausdruck (Niedrig-Kontext-Kulturen), Lebensrhythmus und<br />
Handlungsorganisation. Die letzten zwei Aspekte hängen von dem linearen oder monochronen<br />
und von dem zirkulären oder polychronen Zeitkonzept der Interaktanten ab.<br />
Die Berufstätigen einer Nation sind durch die Ausübung ihrer Berufe Mitglieder unterschiedlicher<br />
Organisationen. Jede Organisation verfügt über bestimmte Praktiken 8 , die ihre<br />
eigene Kultur definieren und die die Unternehmen voneinander unterscheiden. Die Kulturteilnehmer<br />
eines bestimmten Kultursystems besitzen einen gemeinsamen, relativ homogenen<br />
6 Obwohl Hofstedes Studie sehr umfangreich ist und eine beeindruckende Datenbasis anbietet, sind die Ergebnisse, vor<br />
allem für die Länder, die nicht in die Forschung einbezogen wurden, nur teilweise relevant. Gemeint sind hier die<br />
europäischen Länder des ehemaligen Ostblocks, die mehrere politische und wirtschaftliche Umwandlungen nur in dem<br />
letzten Jahrhundert erlebt haben. Das hatte und hat noch offensichtlich Auswirkungen auf die Wertesysteme und<br />
implizit auf die soziopsychologischen Dimensionen dieser Kulturen.<br />
7 Vgl. Hall 1976.<br />
8 Vgl. Hofstede 1993.<br />
ZGR 1-2 (21-22) / 2002, 1-2 (23-24) / 2003<br />
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