NATION UND SPRACHE
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Malträtieren der Zielsprache: Kreativität in der Übersetzung relativer Ausgangssprachkenntnisse<br />
Leser des betereffenden Textes soll verstehen, daß dort jemand spricht, der die Sprache, in die<br />
die Übersetzung gemacht worden ist, nicht vollständig beherrscht. Was Karl Ivanitsch im Russischen<br />
sagt, ist eine „Malträtierung“ der russischen Sprache. Er macht Fehler, die bald anerkennen<br />
lassen, daß der Betreffende der russischen Sprache nur relativ mächtig ist. Diese<br />
Fehler haben eine spezifische Natur, die nur für diejenigen, die das Russische einwandfrei beherrschen,<br />
zu verstehen sind. Es ist sinnlos hier zu erklären, worin sie bestehen.<br />
Aber wie übersetzt man solche Aussagen? Soll man die Charakterika der betreffenden Fehler<br />
aus der Ausgangssprache bewahren? Oder sollte man sie derart übersetzen, daß der Leser<br />
den Einduck hat, daß dort jemand spricht, der die Sprache nicht gut beherrscht? Sind die Fehler,<br />
die ein Deutscher im Russischen und im Rumänischen macht derselben Natur? Natürlich<br />
nicht, auch wenn sie manchmal übereinstimmen können, da beide indo-germanische Sprachen<br />
sind. Die beiden Übersetzer mußten das Russische von Karl Mauer so übersetzen, daß jeder<br />
rumänische Leser verstände, daß dort jemand eine Sprache verwendet, die er nicht sehr gut<br />
beherrscht, die er aber „verständlich“ gebrauchen will.<br />
Es sind in diesem Zusammenhang noch zwei Aspekte zu erwähnen:<br />
Der eine wäre, daß in verschiedenen Provinzen Rumäniens deutsche Minderheiten lebten,<br />
die aber derart einwandfrei Rumänisch sprachen, daß man bloß nach dem Hören des Namens<br />
sich Rechenschaft gegeben hat, mit einem Deutschen gesprochen zu haben. Also hatten die<br />
Übersetzer kein Muster für eine rumänische Sprache der Deutschen aus Rumänien.<br />
Der andere bestünde darin, daß die Menschen verschiedener Nationalitäten insbesondere in<br />
Siebenbürgen gewohnt sind, auch andere Sprachen zu sprechen. Und obwohl sie sich dessen<br />
bewußt sind, daß das nicht immer sehr gut „funktioniert“, liegt die Hauptsache darin, sich<br />
verständlich zu machen. Also malträtiert man brüderlich eine andere Sprache, aber die Malträtierung<br />
führt zu einem guten Ende.<br />
Nun haben wir den Eindruck, daß die Übersetzer des Werks von Graf Leo Tolostoi keine Ahnung<br />
von solchen philologischen Spekulationen gehabt haben. Sie haben aber etwas Außerordentliches<br />
geleistet. Und eben das ist die Frage nach Kreativität. Ist man sich ihrer bewußt?<br />
Ist sie erlernbar? Hätten die Übersetzer es besser übersetzt, wenn sie gründliche theoretische<br />
Kenntnisse in diesem Bereich gehabt hätten? Es folgen ein paar Beispiele, aus denen jeder<br />
rumänische Leser verstehen kann, daß dort ein Deutscher spricht, der das Rumänische nur<br />
relativ beherrscht:<br />
«Doua undi]a pentru copil, [aptezeci copeica.»<br />
«Hârtie colorat, margine aurit, clei [i stinghie de la cutiu]a, pentru cadouri, [ase ruble [i<br />
cincizeci[icinci copeica.»<br />
«Carte [i arc, cadou la copii, opt ruble [aisprezece copeica.»<br />
«Pantaloni la Nicolai, patru ruble.»<br />
«Ceas de aur, f`g`duit de Piotr Alexandrovici la Mocov, în 18. . . cost o sut` patruzeci<br />
ruble.»<br />
«Eu fost nefericit inca in pântec la mama al meu.»<br />
«Eu fugit.»<br />
«Când v`zut, ea spus la mine.»<br />
«Tumnezeu fede tot [i [tie tot [i în tot este sfânta lui foie, numai de voi copii pare la<br />
mine r`u.»<br />
«Comedia de p`pu[i.»<br />
ZGR 1-2 (21-22) / 2002, 1-2 (23-24) / 2003<br />
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