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NATION UND SPRACHE

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Die Perzeption der Diglossie von Immigranten in deutschsprachigen Ländern<br />

Araber gewählt, die Hochdeutsch recht gut beherrschten, so dass sie nicht nur Fragen der Umfrage<br />

verstehen konnten, sondern auch imstande wären, die sprachsoziologische Situation in<br />

Österreich zu beurteilen. Mit meiner Umfrage wollte ich aber vor allem prüfen, ob die arabische<br />

Diglossie der Grund dafür sein könnte, dass die arabischen Immigranten in der zweiten, dritten<br />

Generation ihre Muttersprache verlieren würden.<br />

1. Zum Bild der österreichischen Diglossie bei den Arabophonen-Immigranten<br />

Die Arabophonen, die Informanten meiner Umfrage, waren sich in der Regel des Vorhandenseins<br />

der Diglossie in den arabischen Ländern bewusst, obwohl manche von ihnen, insbesondere<br />

die Ungebildeten, beim Erkennen und Bezeichnen der jeweils in einer Sprachsituation<br />

gesprochenen arabischen Sprachvariante Schwierigkeiten hatten.<br />

Die Diglossie in Österreich beurteilten sie im allgemeinen als normale Sprachsituation. Fast<br />

alle Informanten dachten, dass das Vorhandensein von mehr als einer Sprachvariante in der<br />

gegebenen Sprachgemeinschaft allgemein ist. Einige von ihnen waren sogar erstaunt darüber,<br />

dass in der Umfrage überhaupt danach gefragt wurde. Sie wunderten sich über meine Beschreibung<br />

der polnischen Sprachsituation, wo es keine Diglossie gibt: die Polen benutzen<br />

dieselbe Sprachvariante, wenn sie schreiben und reden, und in den offiziellen und unoffiziellen<br />

Sprachsituationen.<br />

Zwei Informanten beurteilten aber die Diglossiesituation in Österreich aus ästhetischen<br />

Gründen als nicht normal: ihrer Meinung nach ist es “unschön“, wenn die österreichische L-<br />

Variante benutzt wird. 16<br />

Auf die Frage, ob sich die Informanten des Vorhandenseins der Diglossie in Österreich vor<br />

ihrer Ankunft in dieses Land bewusst waren, antworteten alle, dass sie sich dessen nicht<br />

bewusst gewesen seien. In ihrer Antwort begründeten sie diesen Umstand dadurch, dass sie<br />

darüber einfach nicht nachgedacht hatten. Es fällt auf, dass eine solche Antwort auch zwei<br />

andere Informanten gaben, die als einzige von der ganzen Gruppe noch vor ihrer Ankunft in<br />

Österreich ihr Deutsch (gut) gelernt hatten. Darüber hinaus wurde vermerkt, dass der Vater des<br />

einen von den beiden Informanten in der DDR studiert, dem Sohn jedoch über die deutsche<br />

diglossische Situation und ihre Folgen nichts erzählt habe. Dies ist meiner Meinung nach<br />

darauf zurückzuführen, dass das Vorhandensein der Diglossie für die Arabophonen eine normale<br />

Situation ist, und dass sie deswegen darin keinen Anlass zur weiteren Diskussion erblicken.<br />

Die nächste Frage betraf das Problem, ob das Vorhandensein von mehreren Sprachformen in<br />

Österreich den Arabophonen Schwierigkeiten bereiten oder nicht. Von 21 Informanten stellten<br />

9 sofort fest, dass das Vorhandensein einer L-Variante neben dem Hochdeutschen (das sie in<br />

den Sprachkursen erlernt haben) am Anfang ihres Aufenthaltes in Österreich zu Verständigungsschwierigkeiten,<br />

insbesondere im Umgang mit den ungebildeten Österreichern,<br />

führte.<br />

Ein Student gab folgendes Beispiel: immer wenn er Bratwurst kaufte, fragte ihn der Verkäufer<br />

im Wienerischen Dialekt: “Einpacken oder gleich essen?“. Der Student (der schon in<br />

Libanon Deutsch gelernt hatte) wurde nervös, weil er die Frage nicht richtig verstehen konnte<br />

und antwortete immer: “Beides“ - er stellte sich vor, die Frage bezihe sich darauf, ob er Senf<br />

16 Beide von ihnen waren Frauen und ihre Antworten waren immer sehr emotionell, also auf das Gefühl bezogen.<br />

ZGR 1-2 (21-22) / 2002, 1-2 (23-24) / 2003<br />

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