NATION UND SPRACHE
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Maria Ileana Moise<br />
rhythmischen Euphonie zwischen dem Deutschen und Rumänischen fußt auf: a. der Regelhaftigkeit<br />
des Akzents (fest – mobil, Akzentdubletten), b. der Häufigkeit der Verwendung des<br />
rhythmischen Akzents und c. der mehr oder weniger strengen Erhaltung der rhythmischen<br />
Wohlgeformtheit.<br />
M. E. wird im Rumänischen der rhythmische Akzent häufiger verwendet.<br />
a. Auf Grund der relativ vielen Akzentdubletten besteht im Rumänischen die Möglichkeit, zu<br />
rhythmischen Zwecken Akzente zu versetzen, ohne eine Bedeutungsänderung zu verursachen,<br />
ein Phänomen, das im Deutschen fremd ist.<br />
b. Die Einsilber haben einen variablen Status, sie treten mal betont, mal unbetont auf. Auch<br />
die Rolle der Formwörter ist weniger streng geregelt, als im Deutschen, sie werden oft betont.<br />
c. Infolge des schwachen Kontrasts zwischen betonten und unbetonten Silben tritt der Kontrastakzent<br />
häufiger auf.<br />
d. Im Rumänischen wird die rhythmische Euphonie durch den geringen Kontrast zwischen Haupt- und<br />
Nebenakzent unterstützt, d. h. die letzteren werden i. d. R. realisiert, nicht deakzentuiert.<br />
e. SFÎRLEA (1970: 192f.) zufolge ist die Alternanz zwischen betonten und unbetonten Silben<br />
obligatorisch.<br />
f. Im Deutschen werden die Interstressintervalle durch Tempovariationen und segmentale<br />
Reduktionen / Elisionen reguliert. Nebenakzente tragende Wörter werden oft deakzentuiert.<br />
Zusätzliche Akzente sind demzufolge für die Optimierung der Interstressintervalle<br />
selten nötig, was allerdings tempoabhängig ist.<br />
Die weiter oben beschriebenen Unterschiede ergeben in den beiden Sprachen verschiedene<br />
Rhythmustypen, im Deutschen einen hämmernden, stoßenden staccato-Rhythmus, im Rumänischen<br />
einen weichen, gleitenden, fließenden legato-Rhythmus, obwohl die beiden Sprachen<br />
die prototypischen Merkmale nicht in idealer Weise erfüllen. Das Deutsche zeigt z. B. beim<br />
langsamen Sprechen silbenzählende Merkmale auf, sein akzentzählender Charakter ist auch<br />
schwächer ausgeprägt als derjenige des Englischen. Wenn die prototypischen Merkmale der<br />
akzentzählenden Sprachen in Betracht gezogen werden, so besteht im Deutschen eine Restriktion<br />
inder Akzentsilbe nur für den Schwa-Laut, im Englischen jedoch sind gesonderte Vokalreihen<br />
vorhanden, die Silbengrenzen sind sowohl intakt als auch verwischt, die bedeutungsdifferenzierende<br />
Funktion des Akzents ist nur marginal wirksam, usw. Untersuchungen für das<br />
Deutsche belegen auch Unterschiede zwischen Dialekt und Hochsprache, der Wiener Dialekt<br />
soll silbenzählender sein als das österreichische Hochdeutsch. Sprachhistorische Untersuchungen<br />
von KALTENBERG (1999: 217) verweisen im AHD und frühen MHD auf deutliche<br />
silbenzählende Merkmale. Wenn im Rumänischen die Silbenstruktur, die Relevanz der<br />
lexikalisch und grammatisch distinktiven Funktion des Akzents, die Mobilität der Akzentstelle,<br />
die Komplexität der Wortakzentuierungsregeln berücksichtigt werden, nähert es sich den<br />
Charakteristika der akzentzählenden Sprachen. Auch für das Rumänische ist anzunehmen, dass<br />
zwischen Dialekt und Hochsprache Unterschiede bestehen, dass in den verschiedenen Entwicklungsetappen,<br />
infolge der Aufnahme von Fremdwörtern aus verschiedenen Sprachen,<br />
andere Charakteristika galten als heute.<br />
3.3 Ähnlichkeiten in der Rhythmisierung im Deutschen und Rumänischen<br />
Trotz zahlreicher Unterschiede zwischen dem Rhythmus in den beiden Sprachen kann auch<br />
von Ähnlichkeiten gesprochen werden. Die betreffen:<br />
a. Die Silbe als Grundeinheit des Rhythmus, als Baustein für die Konstituierung der höheren<br />
rhythmischen Einheiten;<br />
b. Die Akzente (Hauptakzente) sind Fixpunkte für die Rhythmisierung;<br />
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ZGR 1-2 (21-22) / 2002, 1-2 (23-24) / 2003