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NATION UND SPRACHE

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Verb und Aussage: Elemente eines integrierten Valenzmodells<br />

wurf realisiert. Leiss (2002) spricht von einer Zeit- oder Innenperspektive, die Verben von Nomen<br />

unterscheidet: Nomen schauen von Außen auf die Welt und erfassen „Weltabschnitte“ als abgeschlossenes<br />

Ganzes – sozusagen in einem Augenblick. Verben erfassen Welt dynamisch, als<br />

unabgeschlossenen Vorgang. Dies ist besonders deutlich in der ersten Person. Man vergleiche<br />

ich laufe mit der Lauf. Mit dieser sspezifischen grammatischen Leistung des Verbs sind weitere<br />

Merkmale verbunden: Verben sind komplexer als Nomen, sie sind einzelsprachspezifischer und<br />

deshalb schwieriger zu übersetzen (Bybee 2000: 795). Im Spracherwerb werden sie später gelernt<br />

als Nomen.<br />

Von der VT als einer verbzentrierten Theorie kann erwartet werden, dass sie auch die<br />

grammatische Bedeutung der Kategorie Verb untersucht. Das Fehlen einer solchen Untersuchung<br />

birgt die Gefahr in sich, dass Valenz unreflektiert auf andere Wortarten, z.B. Nomen,<br />

übertragen wird (Eichinger 1995). Die prototypische Aufgabe von Nomen ist Referenz 7 . Um diese<br />

durchzuführen, genügt meist eine minimal ausgestattete NP (Determinativ und Nomen).<br />

Deshalb sind unmarkierte N gerade nicht die relationalen N, und deshalb haben Leerstellen von<br />

N einen anderen Stellenwert als Leerstellen von V: ihre Füllung ist möglich, aber meist nicht<br />

nötig. N verlangen in der Regel keine Mitspieler, tolerieren sie nur. Sekundär wird N allerdings in<br />

den Dienst von als Referenzen verkleideten Prädikationen gedrückt. Ganz deutlich und häufig<br />

geschieht dies in der deutschen Schriftsprache mit ihren kompakten, semantisch unterdeterminierten<br />

Nominalisierungen. Der Aufwand bei ihrer Rezeption – sie sind meist semantisch<br />

weniger transparent als entsprechende verbale Phrasen und zuerst muss eine Prädikation durchgeführt<br />

werden, um die Referenz zu erfassen – ist Zeuge ihrer „Zweckentfremdung“ 8 . Auf der<br />

Plusseite sind Nominalisierungen oft kürzer und erlauben deshalb kompakte Sätze.<br />

6. Valenzmodell<br />

Die bisherigen Ergebnisse sind in dem auf der nächsten Seite stehenden Modell zusammengefasst.<br />

7. Schluss<br />

Ich habe einige der Anforderungen angesprochen, die ein integriertes Valenzmodell erfüllen<br />

sollte, und in Grundzügen einige Elemente eines solchen Modells vorgestellt. Valenz hat sich<br />

dabei keineswegs als Sammelbegriff erwiesen, sondern als klassisch definierbarer semantischer<br />

Begriff, der die oft kritisierte Valenzpraxis im Prinzip rechtfertigt und auch in Bezug auf zentrale<br />

Lehrsätze der VT Erklärungspotenzial besitzt.<br />

Es wurde vorgeschlagen, zwischen der semantischen Begründung von Valenz durch die<br />

Relation Sachverhaltskonstitution und der Beschreibung der Valenz durch alle anderen<br />

Relationen zu unterscheiden. Auf diese Weise können die seit Jacobs’ Kritik erzielten Fortschritte,<br />

insbesondere auch die Relationen des zweiten Modells in der GdS, integriert werden.<br />

Die semantische Begründung von Valenz hat auch den Vorteil, dass sich die von der Theorie<br />

der strukturellen Valenzrealisierung angemahnte Beschreibung der einzelsprachlichen Valenzrealisierungen<br />

problemlos integrieren lässt. Es wurde allerdings zu einer differenzierenden Sicht<br />

der unterschiedlichen „Mikrovalenzen“ aufgefordert und davor gewarnt, das ursprünglich<br />

pragmatisch motivierte Phänomen des pro-drop funktional überzubewerten: Die appositive<br />

Abwertung von Makrosubjekten in pro-drop-Sprachen wurde verworfen. Im Übrigen lässt sich<br />

die heute auch von Konstituentenstrukturgrammatiken akzeptierte Verbzentralität im uni-<br />

7<br />

Der Einfachheit halber wird hier nicht zwischen referenziellem und essenziellem (Gegenstände setzenden) Gebrauch<br />

von N unterschieden (s. Zifonun et al. 1997: 781-3).<br />

8<br />

Dies soll keinesfalls als Stilkritik missverstanden werden, es geht lediglich um den prototypischen Gebrauch grammatischer<br />

Kategorien und um eine Kosten-Nutzenrechnung bei atypischem Gebrauch. Vgl. Fischer (2003a).<br />

ZGR 1-2 (21-22) / 2002, 1-2 (23-24) / 2003<br />

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