NATION UND SPRACHE
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Klaus Fischer<br />
lich noch universal alle E eine formale Markierung tragen, drücken Markierungen nicht Valenz<br />
an sich aus: sie sind vielmehr auf Unterscheidung der E angelegt. Eine finite ide. Verbendung<br />
bedeutet also nicht: das entsprechende Dependens ist ein E, sondern eine bestimmte E, ein<br />
Subjekt. Gleichfalls bedeutet ein vom Verb geforderter Nominativ nicht E, sondern Subjekt.<br />
4. Valenzrealisierung<br />
4.1 Pro-drop<br />
Wir haben gesagt, dass etwas sagen bedeutet, zwischen Entitäten Beziehungen herzustellen.<br />
Das im Kontext interpretierte Verb entscheidet über die Art der Beziehung und damit darüber,<br />
welche Entitäten verbunden werden. Die Referenz auf die Entitäten wird durch die Makro-E<br />
geleistet, z.B. durch Nominalphrasen. Dies muss aber nicht sein:<br />
492<br />
10 la Laboro<br />
‘ich arbeite’<br />
11 ro Am o carte.<br />
‘ich habe ein Buch’<br />
Die deiktische Referenz wird hier jeweils durch das Verb selbst bewerkstelligt, und zwar<br />
durch die Personalendung -o bzw. -m. Lateinisch und Rumänisch, wie auch Spanisch,<br />
Portugiesisch, Italienisch, Katalanisch, Griechisch, Bulgarisch, Serbokroatisch, Chinesisch,<br />
Japanisch, Thai, Koreanisch und viele andere Sprachen, sind pro-drop, d.h. das Personalpronomen<br />
kann weggelassen werden. 4 In pro-drop-Sprachen ist die Realisierung des Personalpronomens<br />
dann markiert:<br />
12 la Ego laboro.<br />
‘ICH arbeite’ (nicht die anderen)<br />
13 ro Eu am o carte.<br />
‘ICH habe ein Buch’<br />
Die Nichtrealisierung ist nicht als Fakultativität misszuverstehen, sie ist ein struktureller Zug<br />
von pro-drop-Sprachen. Ein Sprecher des Lateinischen hätte nicht die Wahl gehabt, 12 ohne<br />
Emphase zu realisieren. Dafür hätte er 10 sagen müssen.<br />
Auch das Deutsche hat pro-drop-Strukturen, z.B. beim Imperativ:<br />
14 Komm jetzt.<br />
Die Makrorealisierung des Angesprochenen ist emphatisch:<br />
15 Komm du jetzt.<br />
Die VT hat hier durchaus eine Aufgabe: zu bestimmen, welche unmarkierte strukturelle<br />
Valenzrealisierung in einer Sprache besteht und welche markierten Strukturen nach einem<br />
anderen Muster realisiert werden. Mikrovalenz gehört also in ein integriertes Valenzmodell.<br />
Allerdings sollte Mikrovalenz aus einer Reihe von Gründen nicht überinterpretiert werden:<br />
4 Im Rumänischen ist pro-drop in der 2. Person Singular Präsens eingeschränkt, da z.B. Pleci la mare als Aufforderung<br />
interpretiert würde: Fahr ans Meer.<br />
ZGR 1-2 (21-22) / 2002, 1-2 (23-24) / 2003