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NATION UND SPRACHE

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Verbale Strategien in mündlichen Prüfungen<br />

Im ausgewählten und transkribierten Beispiel handelt es sich um eine Prüfung im Nebenfach<br />

germanistische Sprachwissenschaft mit dem Thema: deutsche Wortbildung. Durch eine<br />

Aufforderung seitens des Prüfers hat der Kandidat sein Wissen zum Thema: Wortbildung zu<br />

präsentieren begonnen. Der Prüfer steuert die Handlung des Kandidaten, sein Initiativrecht ist<br />

begrenzt. Die Assertionskette kann durch Fragen seitens des Prüfers, der den Kandidaten lenken,<br />

anleiten möchte, um ihn von Ausschweifungen zu bewahren oder um auf Detailes einzugehen,<br />

unterbrochen werden.<br />

Das Beispiel beginnt mit einer Regiefrage, die die Form einer Ergänzungsfrage hat. Der<br />

Prüfer hat der Kandidaten aufgefordert über die morphematische Struktur der Lexeme in<br />

Deutschen zu sprechen. In dem behandelten Beispiel formuliert er eine Detailfrage, auf die der<br />

Kandidat eingeht. Der Diskurs dauert ca. 2 Minuten und stellt einen Fall dar, in dem der Kandidat<br />

sein Wissen zum Thema Wortbildung darstellt. Er behandelt komplexe Wortbildungsstrukturen<br />

– Komposita, Derivate und was die Ableitungen betrifft, verlangt der Prüfer, daß er<br />

auf die Struktur der Affixe eingeht. Daher stellt er die Frage, nach einem Suffix, das nur aus<br />

einem Vokal besteht.<br />

Die formulierte Frage seitens des Prüfers isr eine Regiefrage, eine typische Examensfrage,<br />

auf die der Kandidat mit „ja“ antwortet, pragmatisch unpassend, um dann gleich eine Antwort<br />

zu bieten: das „e“. In den folgenden Turns kommt es zu einem Mißverständnis, da der Prüfer<br />

den Prüfling akustisch nicht richtig wahrnimmt. Er wiederholt daher in T3 seine Frage, ob die<br />

Antwort des Kandidaten das Wort „ein Vokal“ enthält. Der Kandidat assertiert, daß „e“ ein Vokal<br />

ist, wobei der Prüfer das Mißverständnis klärt u.zw., daß er statt „e“ – „ge“ verstanden hat, um<br />

gleich mit einer Frage – einer Entscheidungsfrage, durch die er die Antwort suggeriert, fortzusetzen.<br />

Er bietet sogar ein Beispiel – Gebirge, er spricht den Auslaut korrekt aus, als Schwa-<br />

Laut, was die von ihm erwünschte Antwort darstellt.<br />

Durch die erfolgte Antwort verbessert der Kandidat den Prüfer, indem das Beispiel wiederholt<br />

wird, die Endsilbe aber phonetisch falsch ausgesprochen wird. Durch die in T1 formulierte<br />

Frage hat der Prüfer den Kandidaten bereits auf den Bereich Phonetik hingewiesen, das gebotene<br />

Beispiel sollte als Stütze gelten, jedoch bleibt der Kandidat beim Buchstaben „e“, ohne<br />

an die richtige Aussprache desselben in einer Endsilbe zu denken. Dadurch, daß der Kandidat<br />

auf die Aussprache „e“ statt „∂“ beharrt, erkennt der Prüfer den Wissensdefizit, versucht aber<br />

erneut den Kandidaten auf die von ihm erwünschte Antwort zu bringen. In T9 - T10 erklärt der<br />

Prüfer dem Kandidaten, daß hinter dem Buchstaben „e“ sich mehrere Vokalphoneme verbergen,<br />

er bietet dem Kandidaten dadurch eine weitere Hilfe an, die dieser nicht wahrnimmt. Durch die<br />

korrekte Aussprache „∂“ ergibt sich die Gelegenheit dem Kandidaten helfend entgegenzukommen,<br />

was in einer schriftlichen Prüfung ausgeschlossen wäre. Der Prüfer verlangt den Fachterminus<br />

in T13. Die darauffolgende Antwort in T14, als Assertion, wird als falsch zurückgewiesen.<br />

Während der Kandidat weiter überlegt, bringt der Prüfer Beispiele für die Vokalphoneme<br />

des Deutschen, um dann zu fragen, wie „∂“ mit einem Fachwort bezeichnet wird. In<br />

T14 versucht der Kandidat eine Antwort, die Stimme ist zögernd, die falsch ist, der Prüfer weist<br />

sie gleich als falsch zurück.<br />

Durch T16 formuliert der Kandidat zum ersten Mal eine Frage und zwar eine Ergänzungsfrage,<br />

die er selbst zu beantworten versucht, um sie dann doch in eine Frage , vom Tonhöhenverlauf<br />

her, zu verwandeln. Durch T17 versucht der Prüfer weitere Beispiele zu bringen,<br />

während er noch überlegt, folgt in T18 ein weiterer Versucht – eine fragende Antwort, da durch<br />

das „meinen Sie“ das an den Prüfer gerichtet ist, nach einer Präzisierung, der Proposition ver-<br />

ZGR 1-2 (21-22) / 2002, 1-2 (23-24) / 2003<br />

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