NATION UND SPRACHE
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TRADUTTORE…<br />
DER FUNKTIONALE ANSATZ<br />
Zur theoretischen Diskussion über kulturell-soziale Zielsetzung<br />
und literaturhistorische Textvorlage<br />
Mihai Draganovici<br />
1. Einleitung<br />
Funktionale translationstheoretische Ansätze erheben die Forderung, der Translationsprozess<br />
solle sich an die zielkulturelle Situation anpassen, damit das aus diesem Prozess<br />
resultierende Translat – das heißt die jeweilige Übersetzung oder Verdolmetschung – in dieser<br />
Situation, für die es ja produziert wird, die gewünschte Funktion erfüllen kann.<br />
Diese Forderung beruht auf zwei nicht immer explizit formulierten Prämissen: die erste<br />
wäre die kulturell-soziale Gegebenheit und die zielkulturelle Gemeinschaft und die zweite die<br />
Praxis des professionellen Dolmetschens und Übersetzens und die in diesem Sinne verstandene<br />
Translation. Die letzte Forderung steht im Gegensatz zu der anderen traditionsreichen Form des<br />
Übersetzens, die allgemein als „philologisches Übersetzen“ bezeichnet wird. Dieses findet im<br />
Fremdsprachenunterricht in den philologischen Fakultäten der Universitäten statt und dient<br />
dort verschiedenen, nicht Praxis orientierten Zwecken: der Kontrolle des Textverständnisses<br />
oder der Beherrschung fremdsprachlichen Strukturen und Ausdrucksformen. Diese könnte man<br />
als metakommunikativ bezeichnen, weil sie die Voraussetzungen und Vollzugsformen der<br />
Kommunikation und nicht ihren Inhalt proritär in den Blick nehmen.<br />
Der Anfangspunkt einer Übersetzung wird sich immer im Ausgangstext befinden. Dieser (der<br />
AT) stellt eine dynamische Verbindung her zwischen Intention, sprachlichen Äußerungen, soziokulturellem<br />
Kontext, Bedeutung und Wirkung und so wie dieser. So schafft auch die Übersetzung<br />
eine neue dynamische Verbindung, die die kulturspezifische Konstellation von<br />
Wirkungsabsicht, Sprach- und Textformen, Inhalt und Sinn verarbeitet.<br />
2. Die ausgangskulturelle literar-historische Vorlage<br />
Der Mensch lebt in der Welt des Alltags, der Gedanken, Traditionen, Konventionen, in realen<br />
und fiktiven Welten. Zu einem bestimmten Zeitpunkt, an einem bestimmten Ort und mit einer<br />
gewissen Absicht verfasst jemand (mündlich oder schriftlich) einen Text. Den Verfasser könnte<br />
man als Produzenten des Textes bezeichnen 1 . Der Text bildet die wichtigste Einheit, die man im<br />
Fall einer Translation in Betracht ziehen muss, denn es sind nicht die Wörter oder die Sätze, die<br />
man übersetzt, sondern den Text als Ganzes. Ein Text muss also als eine ganze Gestalteinheit<br />
verstanden, bei der das Ganze mehr als die Summe seiner Teile ist und die Bezugnahme auf den<br />
Gesamthorizont von Situation und Kontext wichtig ist.<br />
1 vgl. Reiß/Vermeer 1991:18