NATION UND SPRACHE
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Ein deutsch-rumänisches Austriazismenlexikon …<br />
wissen, nach allgemeinem Dafürhalten und wiederholt verifizierten, quasi „zweifelsfrei“ z.B. als<br />
Austriazismen klassifizierten Anteil sprachlicher Formen viele weitere, ja die meisten dieser<br />
Formen nur auf Grund von Intuition und Einschätzung, auf Grund immer einseitiger und beschränkter<br />
räumlicher Lebenswelten ihrer Bearbeiter Eingang in entsprechende Lexika fanden.<br />
Diese Hürden sind jetzt nicht beseitigt, doch weitaus kleiner bzw. später zu sehen. Das „Wörterbuch<br />
der nationalen und regionalen Standardvarianten des Deutschen“, ein trinationales<br />
Forschungsprojekt an den Universitäten Duisburg, Basel und Innsbruck, finanziert von Deutscher<br />
Forschungsgemeinschaft, Schweizerischem Nationalfonds und Österreichischem Forschungsförderungsfonds<br />
und Geisteskind von Ulrich Ammon in Duisburg, kann die neuen technischen<br />
Möglichkeiten ausschöpfen und wird voraussichtlich ab 2004 die neue Messlatte vorgeben<br />
– und insofern auch für das österreichische Deutsch bisher noch nie gesehene Zuverlässigkeit<br />
in puncto Belegmaterial aufweisen. 1 Eine Seite der im Folgenden vorzustellenden<br />
österreichisch-rumänischen Forschungskooperation hat damit eine optimale Materialbasis zur<br />
Verfügung, die beim derzeitigen Stand der Dinge nicht weiter hinterfragt werden muss – wünschenswerte<br />
Voraussetzung auch, um das Augenmerk ganz auf die andere, rumänische Seite<br />
konzentrieren zu können. Das „Wörterbuch der nationalen Standardvarianten des Deutschen“<br />
ist grundsätzlich ein bundesdeutsch-österreichisch-schweizerisches Werk, dazu die zwei Kleinstaaten<br />
Liechtenstein und Luxemburg und allenfalls am Rande noch Südtirol und Ostbelgien<br />
berücksichtigend, es geht aber über den geschlossenen deutschen Sprachraum Mitteleuropas<br />
nicht hinaus. Dies gilt leider – fast – genauso für Ulrich Ammons 1995 erschienenes Standardwerk<br />
„Die deutsche Sprache in Deutschland, Österreich und der Schweiz“ (Ammon 1995), in<br />
dem sich das Deutsche in Rumänien, mit dem Deutschen im Elsass und in Lothringen zusammengefasst<br />
in einem kleinen Kapitel unter der Überschrift „Zentrumsansätze ohne Amtssprachlichkeit“,<br />
mit 4 von 575 Seiten begnügen muss.<br />
Die Forschung zum plurizentrischen Deutsch, insbesondere zu seinen staatlichen Standardvarianten,<br />
hat Varietäten außerhalb des geschlossenen Stamm-Sprachraums somit bis dato<br />
wenig bis gar keine Aufmerksamkeit geschenkt, ein Manko, das gerade angesichts des Rumäniendeutschen<br />
schmerzt, ist doch das Deutsche in Rumänien eine vollwertige regionale Varietät<br />
– mit Spezifika natürlich, aber nur wenigen Einschränkungen. Es hat alles dazu Erforderliche,<br />
muttersprachliche Vielfalt von der dialektalen bis zur hochsprachlichen Ebene, Schrifttum jedweder<br />
Spielart einschließlich einer Tageszeitung, Schulen, Theater und Germanistik-Lehrstühle<br />
u.v.a.m., natürlich als Sprachminderheit in einem dominant rumänischen Staat und insofern z.B.<br />
nicht auf gleicher Ebene etwa mit Südtirol, wo die Minderheit de facto die dominante sprachliche<br />
Gruppe ist. Der demografische Aderlass des letzten Jahrzehnts mag ein Übriges dazu<br />
beitragen, dass rumänisches Deutsch kaum (mehr) Beachtung findet. Seine dialektale Seite ist<br />
gut erforscht, es gibt eine lange Tradition vor allem siebenbürgischer und Banater Mundartkunde,<br />
seine hochsprachliche Seite wurde und wird nur allzu gern als Variante oder Abart des<br />
Österreichischen gesehen, was es – vielleicht – bis 1918 auch war, aber das gilt bis 1918 auch<br />
für Südtirol, und wir erkennen Südtirolismen heute zuhauf.<br />
Bei Ammon (1995), der sich bei seinen diesbezüglichen Ausführungen, wie andere auch,<br />
hauptsächlich auf die Arbeit Helmut Kelps (Kelp 1982–1984) stützt, heißt es: „Ein Großteil der<br />
von Kelp präsentierten lexikalischen Besonderheiten sind Austriazismen. In der Tat entsteht für<br />
die Rumäniendeutschen erst 1918 die politische Grundlage für die Ausbildung eines eigenen<br />
nationalen Zentrums der deutschen Sprache.“ Und weiter: „Die spezifisch rumäniendeutschen<br />
1 Vgl. dazu Ammon (1998).<br />
ZGR 1-2 (21-22) / 2002, 1-2 (23-24) / 2003<br />
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