NATION UND SPRACHE
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Emilia Muncaciu-Codarcea<br />
benachteiligt. Aber auch Frauen könnten durch ihre Sprache ihren Gesprächspartner verletzen,<br />
auch wenn sie keine oder weniger Schimpfwörter und Kraftausdrücke verwenden würden.<br />
Unter soziolinguistischer und juristischer Perspektive unterscheidet man zwischen legaler<br />
und illegaler Gewalt, d.h. körperlich verletzende Gewaltsamkeit, nichtverletzender Zwang, physische<br />
und psychische Gewaltanwendung. "Gewalt durch Sprache" ist auch die personale Gewalt<br />
(Männer lassen Frauen nicht ausreden, schneiden ihnen das Wort ab, bestimmen die Gesprächsthemen,<br />
reden mehr), die psychische Gewalt (Männer verfügen über die Sprache, sie<br />
definieren und fixieren Frauen sprachlich. Trömel-Plötz meint dazu, daß die Frauen so reden<br />
müssen wie der Mann, um ernst genommen und gehört zu werden. Dann sind sie aber männlich<br />
und werden als Frauen entwertet.) oder die strukturale Gewalt bezogen auf gewisse Eigenschaften<br />
des deutschen Sprachsystems, z.B. das generische Maskulinum, motivierte Personenbezeichnungen<br />
oder grammatische Kongruenzregeln.<br />
18. Frage: "Nennen Sie ein paar Beispiele von Komposita auf -frau. Was kennzeichnen sie?"<br />
Die Studenten haben dafür zahlreiche Beispiele genannt: Unifrau, Filmfrau, Kirchenfrau,<br />
Vorstandsfrau, Berufsfrau, Hausfrau, Putzfrau, Kauffrau, Geschäftsfrau, Jungfrau, Schutzfrau,<br />
Wäschefrau, Karrierefrau, Ehefrau, Klosterfrau, Dienstfrau, Amtfrau, Arztfrau als Berufsbezeichnungen,<br />
Bezeichnungen von typischer Frauenarbeit, von Beziehungen zu jemandem, von<br />
der sozialen Stellung der Frau in der Gesellschaft, die aber Frauen auch entstellen und erniedrigen.<br />
Die Komposita auf -frau könnten die -in Suffixe ersetzen. Ein interessantes Beispiel<br />
war, daß die Reihenfolge: Jungfrau, Traumfrau, Ehefrau und Hausfrau die chronologische Entwicklung<br />
eines weiblichen Daseins kennzeichnen würde. Die neuen Komposita auf -frau oder<br />
das -in Suffix als motivierte Personen- und Berufsbezeichnung waren häufig Anlässe für<br />
Sprachnormkonflikte. 5 Studenten haben eine unschlüssige Antwort darauf gegeben.<br />
19. Frage: "Ist die Sprache ein Instrument der sozialen Kontrolle bzw. der sozialen Kontrolle<br />
der Frauen? Wenn ja, nennen Sie ein paar Beispiele."<br />
Die Meinungen dazu waren sehr unterschiedlich. 8 Studenten wußten nicht, ob das der Fall<br />
sei, 3 meinten, es könnte auch umgekehrt sein, denn jeder Mensch könne durch die Sprache<br />
manipuliert werden, 18 Studenten (6 männliche und 12 weibliche Stimmen) waren der Meinung,<br />
daß die Sprache kein Instrument der sozialen Kontrolle der Frauen sei, da Frauen und<br />
Männer gleichberechtigt seien oder nur schwache Frauen durch die Sprache kontrolliert werden<br />
könnten. Die Sprache sei nicht die Ursache für die Position der Frauen, sondern die Folge, denn<br />
sie ist zuerst das Instrument der Gedanken und Gefühle. Das ganze sei eine Übertreibung der<br />
Feministinnen. Ein Beispiel wäre der Beruf „Babysitter“, der eine männliche Form hat, aber von<br />
Frauen ausgeübt wird. Die restlichen 21 meinten, die Sprache sei ein Instrument der sozialen<br />
Kontrolle der Frauen, weil sie die Frauen beeinflussen könnte, etwas zu machen, sie nicht zu<br />
Wort kommen ließe, sie nicht in acht genommen würden oder nicht wirklich gemeint wären<br />
und als zweitrangig erschienen, z.B. auf Einladungen steht: „Herr X mit Frau“.<br />
Die feministische Linguistik untersucht den Sexismus im deutschen Sprachsystem und kritisiert<br />
das geschlechtstypische Kommunikationsverhalten in gemischtgeschlecht-lichen Gruppen.<br />
Sie meint, daß auch bei der Erforschung der schichtspezifischen Sprachvarianten von Herrschaft<br />
durch Sprache als Instrument sozialer Kontrolle die Rede sei. Diesen Zusammenhang<br />
empfindet Trömel-Plötz als „soziale Kontrolle der Frauen“. 8 Trömel-Plötz meint, es handle sich<br />
um eine soziale Interaktion und eine Änderung der Sprache und des Sprechens würde eine Än-<br />
8 S. Trömel- Plötz 1984: Gewalt durch Sprache. Die Vergewaltigung von Frauen in Gesprächen; Frankfurt, Fischer Tas-<br />
chenbuch Verlag, S. 39.<br />
ZGR 1-2 (21-22) / 2002, 1-2 (23-24) / 2003<br />
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