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NATION UND SPRACHE

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Laura Gabriela Laza<br />

Gedanken, Notizen. Was LTI eigentlich darstellen soll, erklärt er selbst im ersten Kapitel seines<br />

Werkes: „LTI: Lingua Tertii Imperii, Sprache des Dritten Reiches... man könnte das metaphorisch<br />

nehmen. Denn ebenso wie es üblich ist, vom Gesicht einer Zeit, eines Landes zu reden, genauso<br />

wird der Ausdruck der Epoche als ihre Sprache bezeichnet. Das Dritte Reich spricht mit einer<br />

schrecklichen Einheitlichkeit aus all seinen Lebensäußerungen und Hinterlassenschaften: aus<br />

der maßlosen Prahlerei seiner Prunkbauten und aus ihren Trümmern, aus dem Typ der Soldaten,<br />

der SA- und SS- Männer, die es als Idealgestalten auf immer gleichen Plakate fixierte, aus seinen<br />

Autobahnen und Massengräbern. Das alles ist Sprache des Dritten Reiches, und von alledem<br />

ist natürlich auch in diesen Blättern die Rede“ 12 .<br />

Die LTI ist kein Jargon der natürlichen Sprache, wie man glauben könnte, sondern die natürliche<br />

Sprache wurde einfach in ihrer Funktion umgewandelt. Denselben Worten werden andere<br />

Bezeichnungen zuerteilt. LTI ist eine Sprache, die ständig der Zensur unterliegt, dadurch ist sie<br />

keine ehrliche oder freie Sprache. Sie ist auch arm, denn sie basiert auf einigen Begriffen, die<br />

sie ständig wiederholt, um sie einzuprägen. Sie ist zugleich eine öffentliche Sprache, sie hat<br />

kein persönliches Register, nach dem Motto : „du bist nichts, dein Volk ist alles“. Damit sie die<br />

Massen erreicht, ist sie zugleich eine sehr einfache Sprache. Deshalb aber nicht weniger überzeugungsfähig,<br />

und deswegen bedient sie sich mehrerer Klischees. Zum einen verneint sie das<br />

Christentum, dabei verwendet sie genau dieselben Schemata (neutestamentarischer Diskurs),<br />

zum anderen verneint sie jegliche fremdsprachlichen Einflüsse, dabei will sie modern sein, und<br />

bedient sich der Fremdwörter. Sie möchte aber ein neues Kapitel in der Sprachgeschichte für<br />

sich aufschlagen, und das gelingt ihr, nicht etwa indem sie eine sehr innovative Sprache gewesen<br />

ist, sondern gerade indem sie eine „reine Sprache“ vergiftet hat 13 .<br />

Das Wort der LTI par excellence war und bleibt: Führer. Hitler nannte sich zuerst auch<br />

Reichskanzler und Führer, um dann auf die erste Bezeichnung ganz zu verzichten, und nur noch<br />

Führer genannt zu werden. Das Wort wurde in vielen anderen Bereichen benutzt, jedoch nur in<br />

Komposita. Man sagte Betriebsführer aber auf keinen Fall Führer des Betriebes. Führer war nur<br />

einer, und daher bekam diese Bezeichnung in ihrer Verwendung schon Funktionen, die der biblischen<br />

Sprache ähnelten. Die Deutschen sollen nicht mehr geführt werden, sondern selbst<br />

führen, und dabei einen Führer haben, der seinen Führerwillen, wie ein Gottesgesetz durchsetzt<br />

- dies war der Sinn. Diesem Kultus des Führers begegneten die Kommunisten in der DDR durch<br />

Tabuisierung des Wortes. So sagte man Fahrererlaubnis statt Führerschein 14 . Man behauptet,<br />

das Wort sei die deutsche Entsprechung des faschistischen italienischen il Duce, was einigen<br />

Wörterbüchern zufolge auch stimmt. Man muss aber aus kultureller und ideologischer Sicht<br />

einen Unterschied zwischen dem italienischen Faschismus und dem deutschen Nationalsozialismus<br />

machen, und daher auch zwischen Führer und il Duce. Beim Versuch des Übersetzens<br />

dieses Begriffes ins Rumänische haben manche Übersetzer das Wort einfach so übernommen,<br />

ohne es wenigstens an den phonetischen, graphemischen oder morphologischen<br />

Normen der rumänischen Sprache anzupassen: Führer. Das Wort wird im rumänischen Fremdwörterbuch<br />

folgendermaßen definiert: der Name, der Hitler nach der Machtergreifung zugelegt<br />

wurde, oder führende Person einer germanischen Menschengruppe 15 . Zwei andere Übersetzungen<br />

kämen in Frage, und zwar das Wort conduc`tor, also der Führer einer Gruppe von<br />

12<br />

Klemperer, Victor: LTI. Notizbuch eines Philologen. Leipzig 2001, S. 20.<br />

13<br />

siehe dazu Klemperer, Victor: LTI. Notizbuch eines Philologen. Leipzig 2001, S. 26-27.<br />

14<br />

Schlosser, Dieter: Lexikon der Unwörter. Berlin 2000, S. 101.<br />

15<br />

Marcu, Florin und Mânec`, Constant (Hrsg.): Dic]ionar de neologisme, 3. Auflage, Bucure[ti 1978 , S. 475.<br />

ZGR 1-2 (21-22) / 2002, 1-2 (23-24) / 2003

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