NATION UND SPRACHE
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Forum Sonderaspekte verbaler Kommunikation Maria Muscan<br />
artikel oder liest er gar den eigentlichen Gesetzestext, findet er heraus, dass die Eheschließung<br />
in einigen Bundesländern (z.B. Bayern) eigentlich nicht standesamtlich, sondern notariell eingetragen<br />
wird. Um des Weiteren die Verschleierungen des hier sozialpolitischen Sprachgebrauchs<br />
zu erkennen und verstehen, braucht der Leser einerseits einschlägiges Wissen über Regelungen<br />
einer heterosexuellen Eheschließung und andererseits Wissen über die neuen Regelungen<br />
des Lebenspartnerschaftsgesetzes. Eingetragene gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften<br />
sollen den Partnern (laut Zeitungsartikel) mehr Sicherheit bieten und die rechtliche<br />
Gleichstellung mit den heterosexuellen Ehen (z.B. Steuerregelung, endgültiges Erbrecht). Die<br />
Gleichstellung ist jedoch am Anfang nicht erreicht und wird auch nicht explizit in den Medien<br />
zum Ausdruck gebracht. Durch das Weglassen äußerst wichtiger Informationen wird hier m.E.<br />
eine verschleiernd euphemistische Wirkung erzielt, um, ganz einfach, ein jahrhundertealtes<br />
Tabu, die Homosexualität, zu umschreiben, aber gleichzeitig den sozialen Notwendigkeiten des<br />
21. Jahrhunderts zu entsprechen. Ob den Politikern auch andere Gründe zum euphemistischen<br />
Verschleiern wichtig waren, muss Thema einer gesonderten Untersuchung bleiben.<br />
Schlussbemerkungen<br />
Anstelle einer wissenschaftlichen Schlussfolgerung, die mir an dieser Stelle verfrüht erscheint,<br />
möchte ich mit den Worten Luthers enden: das Wort und der Sprecher sind zwei verschiedene<br />
Personen. Um diese Aussage vor dem Hintergrund meiner hier präsentierten Recherche<br />
zu deuten, verweise ich auf die Tatsache, dass das Wort des Sprechers bzw. des Kommunikators<br />
als Euphemismus eigentlich ein Begriffsaustausch ist. In einer objektiv zutreffenden Aussage<br />
(gleichzusetzen mit dem Sprecher selbst) werden diejenigen Wörter, die negativ konnotiert<br />
sind und daher weder veschleiernd noch verhüllend wirken, durch neutrale, oft sogar<br />
positive Begriffe ersetzt, so dass die objektiven Tatsachen nicht mehr erkennbar sind. Hier<br />
drängt sich natürlich die Frage auf, ob es bei euphemistischer Rede (insbesondere bei der politischen<br />
Rede) nicht vielleicht beabsichtigt wird, die eigene Meinung zu verbergen und so bewusst<br />
ein falsches Verständnis aufzubauen? Nach beendeter Untersuchung scheint die Annahme<br />
begründet, dass es im politischen Sprachgebrauch beabsichtigte Verschleierungen gibt.<br />
Der Euphemismus erlangt eigenen Status, wird somit zur anderen Wahrheit, zur Wahrheit des<br />
Hörers, der sich der objektiven Wahrheit, die Wahrheit des Sprechers, gegenüberstellen lässt.<br />
Und, sobald die Mehrheit der Bürger, die Mehrheit der Wähler, diese andere (zweite) Wahrheit<br />
eines Politikers erkennt, erkennt sie auch die Dichotomie Sprecher – Wort. Wie Luther es so<br />
treffend sagte: zwei verschiedene Personen.<br />
Primärliteratur<br />
554<br />
L i t e r a t u r :<br />
1. Frankfurter Allgemeine Zeitung (1. Juli – 30 September 2001)<br />
2. Süddeutsche Zeitung (1. Juli – 30 September 2001)<br />
3. Der Spiegel (1. Juli – 30 September 2001)<br />
4. www.faz.de<br />
5. www.sz.de<br />
6. www.spiegel.de<br />
7. Fernsehsender: Nachrichtensendungen bei Antena 1, Realitatea TV, România 1, NBC, CNN im Zeitraum März-April<br />
2003<br />
Sekundärliteratur<br />
1. BURKHARD, Armin (1988): Sprache in der Politik. Linguistische Begriffe und Methoden. IN: Englisch Amerikanische<br />
Studien 10. S.333-358.<br />
ZGR 1-2 (21-22) / 2002, 1-2 (23-24) / 2003