NATION UND SPRACHE
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Der funktionale Ansatz. Zielsetzung und literarhistorische Textvorlage<br />
Der als „Situation“ obengenannte Begriff bezeichnet den kulturellen Hintergrund, der von<br />
der Ausgangs-und Zielkultur dargestellt wird. Koller 14 macht eine konkrete Einteilung der Übersetzungsmöglichkeit<br />
bzw. -unmöglichkeit nach dem Kriterium der Übersetzbarkeit. Seiner<br />
Meinung nach hängt diese nicht von den Sprachen ab, sondern nur von den kulturellen Hintergründen.<br />
Zur Veranschaulichung seiner Theorie stellt er mehrere Schemata auf. Im ersten Extremfall,<br />
dort wo sich die AK mit der ZK deckt, ist eine Übersetzung zwischen zwei verschiedenen<br />
Sprachen durchaus möglich. Im anderen Extremfall, also wenn die AK von der ZK<br />
ganz verschieden ist, kann keine Übersetzung zustande kommen. Wie in jedem Extremfall, kann<br />
eine Verabsolutierung nicht der Wahrheit entsprechen und die Praxis hat bewiesen, dass z.B.<br />
eine Übersetzung auch im Fall der kulturellen Verschiedenheit möglich ist. Die Schemata sind<br />
aber bezeichnend für die Wichtigkeit, die dem jeweiligen kulturellen Hintergrund eingeräumt<br />
wird. Somit muss man die Kompetenz des professionellen Übersetzers innerhalb seines komplexen<br />
Handlungsrahmens, in dem er sich bewegt, festhalten: er soll anhand eines Ausgangstextes<br />
mit anderen sprachlichen Mitteln einen neuen Text verfassen, der für andere Rezipienten bestimmt<br />
ist und unter anderen kulturellen Gegebenheiten funktionieren soll als der Ausgangstext.<br />
Auf Grundlage dieser Kompetenz trägt der Translator die Veranrwortung für ein funktionsadäquates<br />
Handeln. Er ist in der Lage, auf Kultur-, Adressaten- und Situationsspezifik einzugehen,<br />
sich den Erwartungen der Zielkultur gemäß zu verhalten oder auch gegen sie zu verstoßen.<br />
5. Schlussfolgerung<br />
Der funktionale Ansatz und die praxisorientierte Betrachtung der Translation führen zur<br />
Einsicht, dass ein und derselbe Ausgangstext je nach Anforderungen der Zielsituation und der<br />
darin eingeschlossenen Rezipienten durchaus unterschiedlich zu übersetzen ist. Damit wird der<br />
Status des Ausgangstextes als des einzigen Maßstabs für die Qualität oder Adäquatheit der<br />
Übersetzung gebrochen. Der Ausgangstext bleibt zwar der erste Ring im Übersetzungsprozess,<br />
aber er wird entthront und die zielkulturelle Situation, für die eine Übersetzung zu produzieren<br />
ist, und die intendierte Funktion des Translats wird an seiner Stelle zur wichtigsten Leitlinie für<br />
den Translator. Der professionelle Übersetzer muss somit seine Fähigkeiten beweisen, wodurch<br />
er sich als ein guter Kenner sowohl der Ausgangskultur als auch der Zielkultur behaupten kann,<br />
und die Absicht des AT-Authors durchschaut, um sie – auch wenn vielleicht nicht immer gelungen<br />
- korrekt im ZT wiedergeben zu können. Diese Voraussetzungen erfüllt, so ist es<br />
möglich das Gelingen dieser komplexen Arbeit zu sichern.<br />
ZGR 1-2 (21-22) / 2002, 1-2 (23-24) / 2003<br />
L i t e r a t u r :<br />
1. KOLLER, Werner ( 4 1992): Einführung in die Übersetzungswissenschaft, Quelle&Meyer Verlag, Heidelberg-Wiesbaden<br />
2. NORD, Christiane (1991 2 ): Textanalyse und Übersetzen: theoretische Grundlagen, Julius Groos Verlag, Heidelberg<br />
3. REISS, Katharina/VERMEER, Hans ( 2 1991): Grundlegung einer allgemeinen Translationstheorie, Niemeyer Verlag,<br />
Tübingen<br />
4. SNELL-HORNBY, Mary u.a. (Hrsg.) (1998): Handbuch Translation, Stauffenburg Verlag, Tübingen<br />
5. STOLZE, Radegundis, (1994): Übersetzungstheorien – eine Einführung, Gunter Narr Verlag, Tübingen<br />
6. VERMEER, Hans J. ( 3 1992): Skopos und Translationsauftrag – Aufsätze, Verlag für interkulturelle Kommunikation,<br />
Frankfurt/Main<br />
14 vgl. Koller 1992:165<br />
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