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Die Schweiz und die Goldtransaktionen im Zweiten Weltkrieg

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Zwischenbericht Gold 99<br />

Kapitel 2<br />

einen erheblichen Teil ihres Jahresertrags erwirtschaftete, während andere Einnahmequellen<br />

fast versiegten. 128 Der Aspekt, dass man sich mit der Münzabgabe gewissermassen einer<br />

«heissen Ware» entledigte, darf indessen nicht übersehen werden. Wie in den nachfolgenden<br />

Abschnitten über <strong>die</strong> Goldpolitik der SNB gegen Kriegsende näher ausgeführt wird,<br />

entwickelten <strong>die</strong> leitenden Gremien der SNB <strong>im</strong> Laufe des Jahres 1943 eine eigentliche<br />

Verteidigungsstrategie, mit der sie sich gegen <strong>die</strong> wachsende Kritik der Alliierten an den<br />

Goldoperationen mit Deutschland argumentativ zur Wehr setzten. In <strong>die</strong> bankinterne<br />

Diskussion brachte Generaldirektor Rossy eine eigenartige Überlegung ein:<br />

«<strong>Die</strong> von den Angelsachsen für das Kriegsende angedrohte Nachforschung über <strong>die</strong> Herkunft<br />

des neutralen Goldbesitzes bedeutet vielleicht ein gewisses Risikomoment für den, der heute<br />

Gold erwirbt. <strong>Die</strong> Gefahr ist aber mehr theoretischer Natur. In Wirklichkeit besteht sie kaum,<br />

da es praktisch unmöglich sein dürfte, Goldstücke zu identifizieren, um ihren Besitzer zur<br />

Verantwortung ziehen zu können. <strong>Die</strong> <strong>im</strong> Gegensatz zu den Noten nummernlosen Stücke<br />

verschwinden in der Masse wie ein Wassertropfen <strong>im</strong> Fluss.» 129<br />

Das Direktorium war sich bewusst, das <strong>die</strong> erworbenen Lator-Münzen möglichweise aus<br />

deutscher Raub- <strong>und</strong> Plünderungswirtschaft stammten; anders lässt sich <strong>die</strong> zitierte Bemerkung<br />

Rossys nicht erklären. Im übrigen war Rossys Prognose falsch, sollte sich doch das besagte<br />

«Risiko» nach dem Krieg als durchaus real erweisen. Wie sich herausstellte, zählten nicht nur<br />

<strong>die</strong> Lator-Münzen zum ursprünglich belgischen Goldschatz, sondern vor allem zahlreiche<br />

Barren, welche <strong>die</strong> Reichsbank von der Preussischen Münze umschmelzen liess <strong>und</strong>, mit<br />

deutschem Vorkriegsdatum versehen, ab Januar 1943 an <strong>die</strong> SNB lieferte. 130 In Bern trafen<br />

Barren <strong>die</strong>ser Herkunft <strong>im</strong> Gesamtwert von 378,1 Millionen Franken ein. Davon kaufte <strong>die</strong><br />

Nationalbank einen Betrag von 237,2 Millionen Franken. Wie aus der Literatur bekannt ist,<br />

setzte <strong>die</strong> Reichsbank neben belgischem Raubgold auch Gold der holländischen Notenbank<br />

128 <strong>Die</strong> Tätigkeit der SNB war nicht auf <strong>die</strong> Erzielung von Gewinn ausgerichtet. Einnahmen erwirtschaftete sie vor allem<br />

<strong>im</strong> Diskont- <strong>und</strong> Lombardgeschäft sowie mit Gold- <strong>und</strong> Devisentransaktionen. Dazu kamen weitere Erträge, zum<br />

Beispiel aus der Anlage von Devisenbeständen <strong>im</strong> Ausland. <strong>Die</strong> Gewinnverteilung der als Aktiengesellschaft<br />

organisierten Bank erfolgte gemäss den Nationalbankgesetzen von 1905 <strong>und</strong> 1921 nach einem festen Schlüssel.<br />

Während des Kriegs bildeten <strong>die</strong> Einnahmen aus dem Verkehr mit Gold <strong>und</strong> Devisen einen besonders wichtigen<br />

Bestandteil des Bruttoertrags. Der entsprechende Anteil stieg von 49% <strong>im</strong> Jahr 1939 auf 67% <strong>im</strong> Jahr 1942 <strong>und</strong> betrug<br />

<strong>im</strong> Durchschnitt von 1939 bis 1945 r<strong>und</strong> 55%. <strong>Die</strong> Münzverkäufe an den inländischen Markt waren für <strong>die</strong> SNB ein<br />

interessantes Geschäft, da sich aus der Differenz zwischen An- <strong>und</strong> Verkaufspreis eine ansprechende Marge ergab.<br />

<strong>Schweiz</strong>erische Nationalbank 1957, S. 348–349, 389, Tabelle 21; Fior 1997, S. 88. Vergleiche zur Diskussion über <strong>die</strong><br />

Bedeutung der Gewinne aus dem Goldhandel auch <strong>die</strong> Notiz von Eberhard Reinhardt vom 4.6.1946. Wie Reinhardt,<br />

Direktor der Eidg. Finanzverwaltung, festhielt, kam in der schweizerischen Delegation an den Verhandlungen in<br />

Washington von 1946 durch Ausführungen von SNB-Generaldirektor Hirs der Eindruck auf, «dass <strong>die</strong><br />

Goldremittierungen ein sehr interessantes Geschäft waren <strong>und</strong> dass <strong>die</strong>se Überlegung nicht ganz unbedeutend war. Er<br />

[Hirs] sprach von 50 Millionen Franken, <strong>die</strong> so ver<strong>die</strong>nt worden seien.» DDS, Band 15, Nr. 447, S. 1138, Anm. 1.<br />

Siehe Kapitel 2, Abschnitt 2.5.<br />

129 Archiv SNB, Protokoll des Bankausschusses, 25./26.11.1943, S. 378.<br />

130 Siehe zum Vorgehen bei der Aneignung des belgischen Goldes durch Deutschland Rings 1996, S. 21–29; Smith 1989,<br />

S. 11–25; Boelcke 1976, S. 305; Vogler 1997b, S. 4; Fior 1997, S. 38–39. Eine genaue Aufstellung über <strong>die</strong><br />

Übernahmen des belgischen Goldes findet sich <strong>im</strong> Archiv der SNB, 117.1. Les opérations d’or entre la Banque<br />

nationale suisse et la Reichsbank durant la guerre, 6.4.1946. Im Januar 1946 erhielt <strong>die</strong> SNB von der Banque de<br />

Belgique eine Liste mit den Nummern der Goldbarren, <strong>die</strong> von der Reichsbank an <strong>die</strong> SNB geliefert worden waren <strong>und</strong><br />

aus ursprünglich belgischem Gold bestanden. <strong>Die</strong> Preussische Münze hatte <strong>die</strong> Barren 1943 umgeschmolzen. Vogler<br />

1997b, S. 4, Anm. 8. Siehe auch BAR E 2801 1968/84, Band 96; BAR E 2800 1967/61, Band 76; BAR E 6100 (A) 25,<br />

Band 2327; siehe dazu auch Kapitel 4 zur weiteren Verwendung eines Teils des Goldes.

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