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Die Schweiz und die Goldtransaktionen im Zweiten Weltkrieg

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Zwischenbericht Gold 138<br />

Kapitel 2<br />

ökonomische Komponenten in <strong>die</strong> Überlegungen mit einzubeziehen. Damit stellt sich <strong>die</strong><br />

Frage, ob <strong>und</strong> inwieweit <strong>die</strong> wirtschaftliche Kooperation mit dem Dritten Reich dazu beigetragen<br />

hat, dass <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong> nicht direkt in <strong>die</strong> militärischen Auseinandersetzungen des <strong>Zweiten</strong><br />

<strong>Weltkrieg</strong>es hineingezogen wurde <strong>und</strong> insbesondere das Risiko eines militärischen Überfalls<br />

der Wehrmacht verminderte. Dabei wird davon ausgegangen, dass Deutschland als potentieller<br />

Angreifer <strong>die</strong> Wichtigkeit des schweizerischen Finanzplatzes, der Golddrehscheibe <strong>und</strong> einer<br />

weltweit konvertiblen Währung evaluierte <strong>und</strong> entsprechende Nützlichkeitserwägungen anstellte.<br />

Für eine Untersuchung, <strong>die</strong> sich an kriegswirtschaftlichen Fragestellungen orientiert, erweist<br />

sich ein solches Kosten-Nutzen-Kalkül als plausibel <strong>und</strong> auch operationalisierbar. So stellte<br />

zum Beispiel der Wirtschaftshistoriker Willi A. Boelcke fest, in Berlin sei man sich der hohen<br />

Ausfallkosten, <strong>die</strong> ein Ruin des Frankens für <strong>die</strong> deutsche Rüstungsökonomie mit sich gebracht<br />

hätte, sehr wohl bewusst gewesen. «Angesichts der unumgänglichen Funktion der <strong>Schweiz</strong> bei<br />

der ‹Liqui<strong>die</strong>rung› (Konvertierung) der deutschen Goldvorräte stellt sich freilich <strong>die</strong> provozierende<br />

Frage, ob <strong>die</strong> militärischen Verteidigungsvorbereitungen der <strong>Schweiz</strong> oder mehr <strong>die</strong><br />

Rolle der vorzüglich arbeitenden <strong>Schweiz</strong>er Banken bei der ‹Fakturierung› der Gold- <strong>und</strong><br />

Devisengeschäfte der Reichsbank <strong>die</strong> äussere Sicherheit der <strong>Schweiz</strong> <strong>im</strong> <strong>Zweiten</strong> <strong>Weltkrieg</strong><br />

verbürgt hatten.» 325<br />

Das Argument, der Franken habe der <strong>Schweiz</strong> als Dissuasionswaffe <strong>die</strong>nen <strong>und</strong> damit <strong>die</strong> territoriale<br />

Integrität des Landes sichern können, weist indessen eine doppelte Schwachstelle auf.<br />

Zum einen zeigte gerade der Überfall der Wehrmacht auf <strong>die</strong> Sowjetunion vom Juni 1941, dass<br />

<strong>die</strong> «Blitzkriegführung» Hitlers nicht pr<strong>im</strong>är von jenen Überlegungen geleitet war, <strong>die</strong> <strong>im</strong> Sinne<br />

der wirtschaftlichen Dissuasionsthese als zweckrational bezeichnet werden können. In <strong>die</strong>sem<br />

Falle ging Stalins Kalkül, <strong>die</strong> Sicherheit der Sowjetunion durch eine enge ökonomische Zusammenarbeit<br />

mit dem Dritten Reich zu erhöhen, nicht auf. Mit Blick auf <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong> zeigte sich<br />

zum andern, dass sich der Dissuasionsaspekt auch als Rechtfertigungsargument eignete, mit<br />

dem wirtschaftliche Anpassung <strong>und</strong> gewinnorientierte Kooperation mit den Achsenmächten in<br />

eine nationale Verteidigungsleistung umgedeutet <strong>und</strong> moralisch aufgewertet werden konnten.<br />

Damit sieht sich <strong>die</strong> Geschichtsschreibung mit einem schwierigen Interpretationsproblem<br />

konfrontiert. Denn <strong>die</strong> Tatsache, dass <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong> militärisch nicht angegriffen wurde, kann<br />

mit unterschiedlichen Dissuasionshypothesen in Verbindung gebracht werden. Ob nun eine<br />

militär- oder eine wirtschaftszentrierte Hypothese vorgebracht wird: beide Male stellt sich das<br />

Problem, wie das Dissuasionsargument in einen schlüssigen Zusammenhang mit einer<br />

feststellbaren Dissuasionswirkung gebracht werden kann. Es zeigt sich zudem, dass «Wirkungen»<br />

<strong>im</strong>mer interpretierte Vorgänge sind. <strong>Die</strong> in <strong>die</strong> Entscheidungsprozesse involvierten<br />

Akteure müssen sich über <strong>die</strong> Wichtigkeit wirtschaftlicher Leistungen beziehungsweise über<br />

<strong>die</strong> Intensität militärischer Abwehranstregungen <strong>im</strong> klaren sein, damit eine Dissuasionswirkung<br />

zustande kommen kann. Gerade <strong>die</strong>sbezüglich konnten (schweizerische) Binnensicht <strong>und</strong><br />

325 Boelcke 1976, S. 308f.

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