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Die Schweiz und die Goldtransaktionen im Zweiten Weltkrieg

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Zwischenbericht Gold 116<br />

Kapitel 2<br />

«<strong>Die</strong> Verhandlungen standen unter dem Zeichen nachdrücklichster Vorstellungen der<br />

Feindmächte bei der schweizerischen Regierung, <strong>die</strong> Wirtschaftsbeziehungen mit Deutschland<br />

abzubrechen oder zumindest so einzuschränken, dass keinerlei kriegswichtige Leistungen der<br />

<strong>Schweiz</strong> an Deutschland mehr erfolgten. <strong>Die</strong>se Bemühungen der Feindseite erstreckten sich<br />

auf das Gebiet des Warenverkehrs, der finanziellen Beziehungen <strong>und</strong> des Transits in gleichem<br />

Masse. Es ist anzuerkennen, dass <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong> sich auf allen Gebieten der deutschschweizerischen<br />

Wirtschaftsbeziehungen gegen <strong>die</strong>sen Druck gewehrt <strong>und</strong>, trotz Konzessionen<br />

an <strong>die</strong> andere Seite auf Einzelgebieten, an ihrem Willen festgehalten hat, das<br />

Vertragsverhältnis zum Reich beizubehalten. … Gesammelt ist festzuhalten, dass durch <strong>die</strong><br />

getroffenen Vereinbarungen <strong>die</strong> wesentlichen deutschen Interessen für <strong>die</strong> nächste Zeit<br />

sichergestellt werden, <strong>und</strong> zwar <strong>die</strong> Gold- <strong>und</strong> Devisentransaktionen der Reichsbank …,<br />

Italientransit …, Stromlieferungen …, schweizerische Warenausfuhr auf industriellem <strong>und</strong><br />

landwirtschaftlichem Gebiet.» 215<br />

Im Dezember 1944 begannen in Bern neue Verhandlungen über <strong>die</strong> Verlängerung des deutschschweizerischen<br />

Wirtschaftsabkommens über den 31. Dezember 1944 hinaus. Angesichts der<br />

praktisch versiegten deutschen Kohlenlieferungen verlangte nun <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>, der nach wie vor<br />

rege deutsche Kohlentransit durch <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong> nach Italien dürfe rückwirkend ab 1. Januar<br />

1945 nicht höher sein als <strong>die</strong> Lieferungen an <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong> selbst. Obschon Deutschland <strong>die</strong>se<br />

Best<strong>im</strong>mung <strong>im</strong> Gr<strong>und</strong>satz akzeptierte, scheiterte der Kohlenausgleich schliesslich aufgr<strong>und</strong><br />

der bereits eingetretenen Lieferrückstände, zu deren Kompensation sich Deutschland nicht<br />

mehr in der Lage sah, worauf <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong> den Kohlentransit von Deutschland nach Italien<br />

unterbrach, bis ein Ausgleich hergestellt war. Aus dem gleichen Gr<strong>und</strong> wurden <strong>die</strong><br />

schweizerischen Stromlieferungen nach Deutschland eingestellt. Im übrigen wurde der<br />

Transitverkehr durch <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong> auf den Vorkriegsumfang reduziert.<br />

Entscheidender Verhandlungspunkt aber bildete <strong>die</strong> Zukunft der freien Devisenspitze der<br />

Reichsbank, 216 deren Schicksal direkt an den Umfang der deutschen Ausfuhren nach der<br />

<strong>Schweiz</strong> geb<strong>und</strong>en war <strong>und</strong> deren St<strong>und</strong>e aufgr<strong>und</strong> der Lieferunfähigkeit Deutschlands nun<br />

geschlagen hatte. Entscheidend deshalb, weil – technisch zwar nicht ganz korrekt, psychologisch<br />

aber von zentraler Bedeutung – <strong>die</strong> Zahlungsfähigkeit des Deutschen Reichs von ihr<br />

abhängig gemacht wurde. Wie <strong>im</strong> Kapitel über den Versicherungsverkehr ausgeführt wird, war<br />

<strong>die</strong> schweizerische Assekuranz (sowie <strong>die</strong> beiden Frankengr<strong>und</strong>schuldgläubiger unter den<br />

Banken, <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>erische Bodenkreditanstalt <strong>und</strong> <strong>die</strong> Bank Leu) wohl <strong>die</strong> am frühesten <strong>und</strong><br />

direktesten von der Frage einer allfälligen Speisung des Transferfonds durch weitere<br />

Goldverkäufe der Reichsbank betroffene Gläubigergruppe. Einen in <strong>die</strong>sem Zusammenhang<br />

215 PA/AA Bonn, R 108101 Ha Pol II b: <strong>Schweiz</strong> 13A Band 7, Telegramm Köcher vom 1.10.1944.<br />

216 <strong>Die</strong> freie Devisenspitze der Reichsbank war ein spezielles Konto, das der Reichsbank einerseits für ausserhalb des<br />

deutsch-schweizerischen Clearings abgewickelte Zahlungen an <strong>Schweiz</strong>er Gläubiger <strong>die</strong>nte (insbesondere Stillhalte<strong>und</strong><br />

Frankengr<strong>und</strong>schuldzinsen sowie Zahlungen <strong>im</strong> Versicherungsverkehr), andererseits von der Reichsbank auch zur<br />

freien Deckung ihres Devisenbedarfs <strong>im</strong> Verkehr mit anderen Staaten verwendet werden konnte. <strong>Die</strong> Devisenspitze<br />

(auch Reichsbankspitze genannt) wurde durch 11,8 Prozent jeder schweizerischen Einzahlung an <strong>die</strong><br />

Verrechnungsstelle al<strong>im</strong>entiert. Homberger 1997, S. 53, sowie BAR E 7110 1973/135, Band 42, Compte-rendu de la<br />

séance du 5 janvier 1944 de la «Commission mixte»; siehe auch DDS, Band 15, S. 173. Siehe auch DDS, Band 14, S.<br />

256; BAR E 2001 (E) 2, Band 575, Notiz «Entwicklung der Reichsbankspitze 1940–1944», 18.11.1944; siehe auch<br />

Fussnote 3.

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