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Die Schweiz und die Goldtransaktionen im Zweiten Weltkrieg

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Zwischenbericht Gold 34<br />

Kapitel 1<br />

<strong>Die</strong> Analyse des Opfergoldes kann bei den einzelnen SS-Lieferungen ansetzen <strong>und</strong> deren<br />

weitere Verarbeitung rekonstruieren, oder es wird vom Ergebnis her gezählt, wie es sich in den<br />

«Tagebüchern des Goldankaufs» der Reichsbank niedergeschlagen hat. Beide Methoden sind<br />

legit<strong>im</strong>, <strong>und</strong> sie führten auch zu vergleichbaren Ergebnissen. <strong>Die</strong> Kommission hat sich für das<br />

letztgenannte Verfahren entschieden <strong>und</strong> <strong>die</strong>sbezüglich einen Min<strong>im</strong>alwert von 2,9 Millionen<br />

Dollar errechnet. 45<br />

Woher kam das Opfergold? In welchen Formen <strong>und</strong> durch welche Kanäle gelangte es zur<br />

Reichsbank? Inwiefern gab es Verwertungsmöglichkeiten neben den offiziellen Wegen, <strong>und</strong> in<br />

welchem Umfang wurden sie genutzt? Fragen wie <strong>die</strong>se lassen sich nur beantworten, wenn<br />

Strukturmerkmale des NS-Herrschaftssystems mit einbezogen werden.<br />

Das Dritte Reich beraubte in Deutschland <strong>und</strong> den von ihm besetzten Gebieten Juden sowie<br />

viele andere Menschen unterschiedlicher Nationalität <strong>und</strong> Glaubens. <strong>Die</strong> Zuständigkeiten waren<br />

dabei nicht einheitlich geregelt. In der Regel bestand ein gr<strong>und</strong>legender Unterschied zwischen<br />

Militär- <strong>und</strong> Zivilverwaltung. Stets waren aber auch Organe der SS zugegen, wobei es in<br />

beiden Besatzungssystemen zu Spannungen <strong>und</strong> Konflikten zwischen SS <strong>und</strong> Besatzungsbehörden<br />

kam. Bezeichnend ist aber, dass solche Auseinandersetzungen sehr selten <strong>die</strong> gr<strong>und</strong>sätzliche<br />

Linie der deutschen Okkupation betrafen, sondern sich an interessenpolitischen<br />

Gegensätzen entzündeten. Heftig umstritten war unter anderem der Zugriff auf das geraubte<br />

Vermögen. Wir versuchen <strong>im</strong> folgenden, anhand von Beispielen einen knappen Überblick über<br />

<strong>die</strong> Beraubung verschiedener Opfergruppen zu geben.<br />

In den T4-Mordzentren <strong>und</strong> T4-Anstalten (sogenannte «Euthanasietötungszentren») wurden ab<br />

1940 <strong>die</strong> den Opfern gezogenen Goldzähne gesammelt <strong>und</strong> weitergeleitet. 46 Eine ehemalige<br />

Mitarbeiterin sagte später vor Gericht aus, dass einer der Desinfekteure ihr <strong>die</strong> Goldzähne<br />

gebracht habe:<br />

«Er hatte ein Buch <strong>und</strong> ich hatte ein Buch, da haben wir das gegenseitig quittiert <strong>und</strong> dann<br />

liessen wir sie stehen. Wir hatten einen kleinen Karton, darin haben <strong>die</strong> gelegen, bis da mehr<br />

zusammenkam, das haben wir durch Kurier dann nach Berlin geschickt.» 47<br />

Auch sonstige Wertgegenstände wurden den T4-Opfern mit denselben Methoden wie in den<br />

östlichen Vernichtungslagern abgenommen, wie ein späteres Gerichtsurteil festhielt:<br />

«Endlich war <strong>die</strong> Hauptwirtschaftsabteilung zuständig für <strong>die</strong> Erfassung der Gelder <strong>und</strong><br />

Wertgegenstände, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Kuriere der ‹T4› <strong>und</strong> in wenigstens einem Falle der Angeklagte<br />

selbst aus den östlichen Vernichtungslagern nach Berlin gebracht hatten. Den Wert des<br />

‹Beutegutes›, das vorweigend aus Zahngold, aber auch aus Münzen <strong>und</strong> Schmuckstücken<br />

45<br />

46<br />

47<br />

Siehe nachfolgend Tabelle I, Punkt III/2. <strong>Die</strong>ser Betrag ergibt sich ausschliesslich aus den von SS-Hauptsturmführer<br />

Bruno Melmer an <strong>die</strong> Reichsbank vorgenommenen Lieferungen. Das Opfern durch zivile Instanzen geraubte Gold wird<br />

dadurch nicht erfasst.<br />

Friedlander 1997, S. 170, 473.<br />

Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, 461/32061/7: Landesgericht Frankfurt, Verfahren Wahlmann, Gorgass,<br />

Huber 4a KLs 7/47 (4a Js 3/46), Protokoll der öffentlichen Sitzung der 4. Strafkammer, 3.3.1947, S. 32 (Aussage der<br />

Angeklagten Ingeborg Seidel).

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