lastauto omnibus bus&coach 01/2016
lastauto omnibus e-Paper bus&coach mit einer großen Doppeldecker-Marktübersicht, einem Fahrbericht des Solaris-Gelenkbus Urbino 18, der Vorstellung des MAN Lion's Intercity und einer Historie der Büssing-Omnibusse.
lastauto omnibus e-Paper bus&coach mit einer großen Doppeldecker-Marktübersicht, einem Fahrbericht des Solaris-Gelenkbus Urbino 18, der Vorstellung des MAN Lion's Intercity und einer Historie der Büssing-Omnibusse.
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[ 102 ] FAHRZEUGE | Projekt Electri-City von Volvo<br />
Alles aus einer Hand<br />
Interview: Vom Fahrzeughersteller<br />
zum Systemlieferanten – Volvo wagt es.<br />
Das Gespräch führte Thorsten Wagner.<br />
Jessica Sandström leitet den<br />
Bereich City Mobility bei Volvo.<br />
?: Welche Rolle<br />
spielt die Abteilung<br />
„City<br />
Mobility“ bei<br />
Volvo Buses?<br />
Sandström: Wir<br />
arbeiten mit<br />
den regionalen<br />
Vertriebsteams<br />
zusammen<br />
und<br />
bringen das<br />
Wissen und<br />
die Erfahrung<br />
unserer weltweiten<br />
Arbeit<br />
mit ein. Mit<br />
den daraus<br />
entstehenden<br />
Projekten gehen<br />
wir dann<br />
auf die Politik zu. Wir sind so von einem reinen<br />
Fahrzeuglieferanten zu einem Lieferanten schlüsselfertiger<br />
Gesamtsysteme geworden.<br />
?: Wie unterscheidet sich denn der Vertrieb des<br />
Elec tri-City-Projektes von dem des Standard-<br />
Hybrid busses 7900?<br />
Sandström: Nun, Hybridbusse kann man immer<br />
noch ohne die entsprechende Infrastruktur über<br />
den normalen Tenderprozess verkaufen. Aber<br />
wenn auch Ladestationen für den Betrieb nötig<br />
sind, muss man klären, wer diese zahlt und<br />
betreibt. Das erfordert eine Kooperation mit den<br />
potenziellen Kunden und einen Austausch über<br />
unterschiedliche Betreibermodelle.<br />
?: Was wird künftig der Haupttreiber sein, um solche<br />
Projekte zu verwirklichen?<br />
Sandström: Wir müssen unsere Vorstellung von<br />
Lebensqualität und Luxus ändern, genau das<br />
kann uns mit einem attraktiv gestalteten ÖPNV<br />
gelingen. Dazu muss der Bus zum Passagier kommen<br />
und nicht umgekehrt.<br />
?: Wie spiegelt sich das im Electri-City-Projekt wider?<br />
Sandström: Wir wollen mit dem Ansatz der lärmberuhigten<br />
Innenraum-Haltestellen demonstrieren,<br />
wie so etwas konkret zu realisieren ist.<br />
?: Wann werden wir vor allem in der Stadt rein<br />
elektrisch fahren?<br />
Sandström: Das wird in der Fläche sicher noch<br />
20 bis 25 Jahre dauern, denke ich. In den Innenstädten<br />
wird es aber bald kaum noch vermittelbar<br />
sein, weiterhin mit nicht emissionsfreien und<br />
lauten Bussen zu fahren.<br />
mensberatung KPMG die sogenannten „True<br />
Total Cost of Ownership“ (TCO) errechnet,<br />
also die während des Betriebs entstehenden<br />
tatsächlichen Kosten eines Fahrzeuges, inklusive<br />
des Verbrauchs von Ressourcen, der sozioökonomischen<br />
Kosten sowie der eventuell<br />
vorhandenen Steuervorteile.<br />
Volvo-Bus-Chef Håkan Agnevall (rechts) und<br />
Vice President Håkan Karlsson.<br />
Bei einem TCO-Wert von zunächst zusätzlichen<br />
23.000 Euro jährlich durch höhere<br />
Leasingkosten kommen die KPMG-Experten insgesamt<br />
auf einen Betrag von 27.000 Euro, der<br />
sich durch einen Elektrobus jährlich einsparen<br />
lässt. „Das macht addiert für eine Stadt wie<br />
Göteborg mit ihren derzeit 530.000 Einwohnern<br />
eine Gesamtersparnis von elf Millionen Euro sowie<br />
33.000 Tonnen weniger CO 2<br />
-Emissionen pro<br />
Jahr“, resümiert Niklas Gustafsson, seit 2<strong>01</strong>5<br />
„Chief Sustainability Officer“ bei Volvo.<br />
Einsparungen von 17.000 Euro der TCO<br />
sind dabei für die erhöhten Taktzeiten und den<br />
verbesserten Fahrgastfluss durch das innovative<br />
Fahrzeugkonzept berücksichtigt. Diese Zahlen<br />
müssen in der Praxis aber erst noch verifiziert<br />
werden.<br />
An der begleitenden Forschung ist auch<br />
die Göteborger Universität Chalmers beteiligt.<br />
Sie untersucht zum Beispiel die Akzeptanz<br />
der „Indoor-Haltestelle“, die im Rahmen<br />
eines Transport Labs auf dem Science Campus<br />
Lindholmen eingerichtet wurde. Von hier aus<br />
gehen die zehn Busse auf ihre jeweils zehn Kilometer<br />
langen Linien zum Partnercampus durch<br />
die Göteborger Innenstadt.<br />
In dem ansprechenden Gebäude aus Holz<br />
und mit viel Glas fahren die Omnibusse brav<br />
aufgereiht in einer Spur ein und starten wieder<br />
von dort wie in einem Drive-in-Restaurant.<br />
Eine elegante Lösung, um nicht nur die<br />
Fahrgäste, sondern auch die empfindliche Ladetechnik<br />
vor dem rauen skandinavischen<br />
Wetter zu schützen. „Aber diese Busstops<br />
können noch viel mehr sein“, erläutert Mari<br />
Anne Karlsson, Professorin für „Human<br />
Factors Design“ an der Chalmers Universität.<br />
Die Wissenschaftlerin ist auch für die<br />
begleitenden Studien von Electri-City verantwortlich.<br />
Sie werden teilweise vom<br />
europäischen EBSF2-Projekt („European Bus-<br />
System of the Future“) finanziert.<br />
„Es sollen Orte der Zusammenkunft und Kommunikation<br />
sein, ohne feste Trennung zwischen<br />
Arbeits- und Freizeit“, sagt Mari Anne<br />
Karlsson. Ganz nebenbei könne man gemütlich<br />
Kaffee trinken oder ein DHL-Pakt abholen. Wie<br />
alle neuen Electri-City-Haltestellen ist auch<br />
diese besonders lärmreduziert. Schließlich gehen<br />
tiefgreifende Revolutionen meist lautlos über<br />
die Bühne.<br />
◼<br />
Die überdachte Haltestelle bietet ein lärmarmes Umfeld und attraktive Angebote.<br />
<strong>lastauto</strong> <strong>omnibus</strong> 8/2<strong>01</strong>5