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Volltext - Deutsches Institut für Erwachsenenbildung

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verpflichtet, schon gar nicht ethisch-moralischen<br />

Geboten oder der lästigen Stimme des<br />

Gewissens.<br />

Beispiele <strong>für</strong> die Geringschätzung von Ethik,<br />

Moral und Gewissen – dem nach Auffassung<br />

des Autors wesentlichsten Gegenwartsproblem<br />

– aus exemplarischen Gesellschaftsbereichen<br />

sowie <strong>für</strong> die verbreitete „Weiße-Kragen-Kriminalität“<br />

ausgewählter Berufsgruppen unter<br />

Nennung von Namen, Amt, ggfs. Parteizugehörigkeit<br />

und Delikt füllen allein knapp 40 Seiten<br />

des Buches.<br />

Das von Bubenheim definierte Hauptziel der<br />

Gewissensbildung, den Menschen zu einer<br />

sittlich eigenständigen und selbstverantwortlichen<br />

Persönlichkeit zu führen, ist denn auch<br />

nahezu identisch mit dem von ihm definierten<br />

obersten Ziel der <strong>Erwachsenenbildung</strong>: erwachsene<br />

Menschen dem „eigentlichen Menschsein“<br />

ein Stück näher zu bringen, das sich nicht<br />

an Fähigkeiten „wie Maschinenschreiben,<br />

Fremdsprachenbeherrschung, beruflicher<br />

Handlungskompetenz oder kreativ-künstlerischem<br />

Können, sondern an der Fähigkeit, mit<br />

Hilfe des Gewissens das Gute zu erkennen<br />

und zu tun“ (S. 189 f.), entscheide.<br />

Um darzulegen, was das Gewissen sei, reiht<br />

Bubenheim seitenlang unter neun klassifizierenden<br />

Überschriften Zitat an Zitat unterschiedlichster<br />

Autoren zum Stichwort „Gewissen“<br />

unverbunden und uninterpretiert aneinander,<br />

um anschließend zu behaupten, aus der „Zusammenschau“<br />

sei erkennbar, daß das Gewissen<br />

sowohl eine Anlage („sittliches Ur-Organ“)<br />

als auch eine Funktion (konkrete Aktualisierung<br />

der Anlage) darstelle. Völlig unberücksichtigt<br />

bleibt dabei, daß manche der zitierten<br />

Autoren die Existenz des Gewissens<br />

schlicht verneinen und daß die ihrer jeweiligen<br />

theoretischen Zusammenhänge entkleideten<br />

Zitatanhäufungen – Adolf Hitler steht so z.B.<br />

unter der Überschrift „Reduktionistisch-nihilistische<br />

Explikationen“ mit einem Satz gleichrangig<br />

zwischen Sätzen von Alfred Adler und<br />

Theodor W. Adorno – die aufgestellte Behauptung<br />

über das Wesen des Gewissens kaum<br />

plausibel erscheinen lassen.<br />

Das auch als mehrdimensionales Phänomen<br />

beschriebene Gewissen weist nach Ansicht<br />

des Autors kognitive, affektive und volitive Momente<br />

auf und unterscheidet sich u.a. von der<br />

moralischen Urteilsfähigkeit als kognitiver Kompetenz<br />

und vom Über-Ich als psychischer Instanz.<br />

170<br />

Die Beschreibung seiner idealtypischen Entwicklung<br />

gründet auf reichlich antiquiert anmutenden<br />

Phasenmodellen der menschlichen<br />

Entwicklung; neuere Sozialisations- und Identitätstheorien<br />

werden dabei kaum berücksichtigt.<br />

Auch die Aussagen zu moralischen<br />

Entwicklungsstadien „der“ Kinder, Jugendlichen<br />

und Erwachsenen werden nicht an einschlägigen<br />

empirischen Forschungsergebnissen,<br />

z.B. von G. Nunner-Winkler oder L. Kohlberg,<br />

überprüft. Obgleich das „autonome“ Gewissen<br />

als dessen reifste und höchstentwikkelte<br />

Form sich dadurch auszeichne, daß die<br />

Gewissensstimme die eigene und nicht mehr<br />

diejenige äußerer Autoritäten sei, schreibt der<br />

Autor auch: „Es scheint doch vielmehr so zu<br />

sein, daß die Stimme, die der Mensch im<br />

Gewissen vernimmt, letztlich nicht seine eigene<br />

ist, sondern die einer transzendenten, ihm<br />

vorgängigen Wirklichkeit, (…), welche ihm als<br />

,gefallenen‘ Menschen den Weg zum Guten<br />

weist“ (S. 51).<br />

Da es aber – so der Autor – wiederum zu<br />

einfach sei, festzustellen, im Gewissen höre<br />

man die Stimme Gottes, weil es dann ja eben<br />

nicht mehr die eigene Stimme sei, zitiert er als<br />

beispielhafte Auflösung des Problems die Aussage<br />

eines 15jährigen Mädchens (mit voll entfaltetem<br />

autonomem Gewissen!): „Wenn ich<br />

die innere Stimme höre, ist es so, als wenn ich<br />

mich selber sprechen hörte. (…) Ich weiß schon,<br />

daß Gott mit mir spricht und daß es eigentlich<br />

nicht meine eigene Stimme ist. Aber da Gott<br />

nicht reden kann wie ein Mensch, nur in Gedanken,<br />

nimmt er meine Stimme, um mit mir zu<br />

reden“ (S. 86).<br />

Der Autor versteht seine Ausführungen insgesamt<br />

als Klärung der Grundlagen, Voraussetzungen<br />

und Begründungen der Gewissensbildung<br />

bei Erwachsenen. Als bildungsfähig bezeichnet<br />

er nur die kognitiven Momente des<br />

Gewissens, was allerdings mit zunehmendem<br />

Alter in immer beschränkterem Maße möglich<br />

sei, weil die „Bildungsflexibilität“ des Gewissens<br />

mit den Jahren beständig abnehme. Gewissenspädagogik<br />

bei Erwachsenen stehe also<br />

vor erschwerten Bedingungen.<br />

Man kann noch hinzufügen: Die <strong>Erwachsenenbildung</strong><br />

dürfte <strong>für</strong> etwaige Bemühungen,<br />

die unbestreitbar vernachlässigte ethisch-moralische<br />

Dimension bei der Vermittlung subjektiv<br />

und gesellschaftlich bedeutsamer Qualifikationen<br />

und Kompetenzen unter säkularisierten<br />

Bedingungen stärker als bisher zu berück-

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