Volltext - Deutsches Institut für Erwachsenenbildung
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Anhand sozialstatistischer Daten skizziert S.<br />
Kade zunächst die „alternde Gesellschaft“, <strong>für</strong><br />
die eine wachsende Arbeitsproduktivität, ein<br />
steigendes Konsumniveau sowie zunehmende<br />
Lebensarbeitszeit, Frauenerwerbsquoten<br />
und Ausländerbeschäftigung charakteristisch<br />
sind.<br />
Im Mittelpunkt des Buches stehen deutsche<br />
„Generationenschicksale“, d.h. sieben Generationen<br />
der Jahrgänge 1904 bis 1969. Diese<br />
Generationen unterscheiden sich vor allem<br />
durch „Schlüsselereignisse mit Prägekraft“, z.B.<br />
Inflation, Weltkrieg, wirtschaftlicher Aufschwung<br />
usw. Die Bewußtseinslagen werden anschaulich<br />
mit Hilfe von Fallbeispielen und zeitgeschichtlichen<br />
Materialien beschrieben.<br />
Im 3. Kapitel werden lebenszyklische Phasenübergänge<br />
– insbesondere aus der Berufsarbeit<br />
und der Familiensituation der über 50jährigen<br />
– dargestellt. Dabei sind die Beziehungen<br />
zwischen den Generationen (Auszug der<br />
Kinder, Großelternschaft, Pflege alter Eltern)<br />
von besonderer Bedeutung.<br />
Es folgt die Beschreibung von Alltagsbewältigungen<br />
im Alter, wobei im großen und ganzen<br />
die Kontinuitätsthese bestätigt wird. Doch auch<br />
in der Gestaltung des Alltagslebens wird die<br />
zunehmende Individualisierung deutlich. Diese<br />
ist u.a. Folge des gestiegenen Bildungsniveaus,<br />
aber auch Auslöser <strong>für</strong> Bildungsaktivitäten.<br />
Abschließend begründet S. Kade drei Thesen:<br />
„1. Die Kluft zwischen den Geschlechtern flacht<br />
ab. 2. Konflikte zwischen den Generationen<br />
vermindern sich. 3. Das Bildungsgefälle zwischen<br />
den Generationen sinkt“ (S. 178).<br />
Aufgrund ihrer Analysen plädiert die Autorin <strong>für</strong><br />
ein intergeneratives Lernen zwischen den<br />
Generationen und nur ausnahmsweise <strong>für</strong> spezielle<br />
Altenbildungsangebote. „Der Ältere kann<br />
deshalb Vorbild sein, weil er dem Jüngeren die<br />
eigene Zukunft vor Augen führt“ (S. 174).<br />
H.S.<br />
Wolfgang Keim<br />
Erziehung unter der Nazi-Diktatur<br />
Antidemokratische Potentiale, Machtantritt,<br />
Machtdurchsetzung<br />
(Wissenschaftliche Buchgesellschaft) Darmstadt<br />
1995, 218 Seiten, DM 19.90<br />
Der Untertitel signalisiert, daß es sich hier um<br />
einen Band handelt, zu dem eine Fortsetzung<br />
geplant ist. Es ist die Auseinandersetzung des<br />
Autors mit der Frage: „Warum haben die Disziplin<br />
und die Profession (der Erziehungswissenschaften)<br />
sich so rasch und reibungslos<br />
gleichschalten lassen?“ Seine drei Aspekte<br />
umfassende Antwort bleibt im entscheidenden<br />
Punkt merkwürdig abstrakt, wenn er mehrfach<br />
auf die Empfänglichkeit <strong>für</strong> spezifische Elemente<br />
der NS-Ideologie aufgrund des pädagogischen<br />
Denkens vor 1933 verweist, ohne<br />
den entscheidenden Impuls beim Namen zu<br />
nennen. Dieser aber wird an zahlreichen Zitaten<br />
zu den „Affinitäten und Schnittmengen“<br />
sehr wohl deutlich und läßt sich als Hang zur<br />
Deutschtümelei, als ein irrationaler Deutsch-<br />
Wahn, als Blutsglaube bezeichnen. Es ist also<br />
ein Motivationszusammenhang, an den zu erinnern<br />
sehr wohl als aktuell gelten kann. Er<br />
dürfte ausschlaggebender gewesen sein als<br />
das, was der Verfasser als die „antiaufklärerischen<br />
Elemente der Reformbewegungen“ bezeichnet<br />
(S. 34). Die Arbeiten von Lagarde und<br />
Langbehn, die zitiert werden, sind nicht allein<br />
als „kulturkritische Schriften“ (S. 37) zu fixieren;<br />
es ging ihnen „um Erleben und nicht um<br />
Einsicht“ (S. 39). Hier müssen die Leser eine<br />
Interpretationsleistung erbringen.<br />
Was sie hingegen in sehr konkreter Form finden<br />
und was sonst nur verstreut nachzulesen<br />
ist, das sind sehr detaillierte, auch quantitative<br />
Angaben und Hinweise auf Personen der Emigration<br />
und des dürftigen Widerstands oder<br />
der Verdrängungspolitik durch die NS-Herrschaft<br />
(S. 82, 99ff., 104, 114, 126, 159ff.).<br />
Dabei kommen weniger die ideologischen Begründungen<br />
als die verfahrensrechtlichen Strategien<br />
(z.B. „Gesetz zur Wiederherstellung des<br />
Berufsbeamtentums“, Aushöhlen der Rechtssicherheit)<br />
zur Sprache. Heute bemerkenswert<br />
sind auch die Zahlen über die Sparprogramme<br />
am Ende der Weimarer Republik (S.<br />
58, 64f., 71). Dabei regen die einzelnen Darstellungen<br />
des Lebens zwischen „Paktieren,<br />
Taktieren und Opponieren“ (S. 117) dazu an,<br />
sich in Situationen einzufühlen, die das Grundverhalten<br />
des Geschehen-Lassens verständlich<br />
machen (S. 210), „auch an Kollegien, die<br />
von Entlassung und Vertreibung einzelner Mitglieder<br />
betroffen waren“ (S. 182).<br />
Hans Tietgens<br />
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