Volltext - Deutsches Institut für Erwachsenenbildung
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indem sie die Grundlagen des Schriftspracherwerbs<br />
referiert, Methoden vorstellt (Morphemansatz,<br />
Fähigkeitenansatz, Spracherfahrungsansatz),<br />
Modelle referiert (Entwicklungsmodelle,<br />
Prozeßmodelle, Bottom-Up/Top-Down-<br />
Modell) sowie selbst ein Mehrebenenmodell<br />
entwickelt (Seite 58–76).<br />
Das Mehrebenenmodell der Autorin bezieht<br />
sich auf das Rechtschreibwissen, den Schreibprozeß<br />
und die Möglichkeit der Lernenden,<br />
das eigene Schreibprodukt zu überprüfen. Aus<br />
diesen Ebenen entwickelt Ulrike Tymister mit<br />
Bezug auf die Vorkenntnisse der Teilnehmenden<br />
vier Typen von „funktionalen“ Analphabeten:<br />
– Anfänger ohne Buchstabenkenntnisse,<br />
– Anfänger mit Buchstabenkenntnissen,<br />
– Fortgeschrittene mit Regelahnungen sowie<br />
– Fortgeschrittene mit Kenntnissen.<br />
Nach diesem entwickelten „Mehrebenenmodell“<br />
analysiert die Autorin Lernsituationen und<br />
Lernfortschritte von einzelnen Teilnehmenden<br />
an der Volkshochschule Freiburg. Dabei spielt<br />
das Lernen mit dem Computer eine unterstützende<br />
und begleitende Rolle im Lernprozeß.<br />
Einige diesbezügliche Ergebnisse stehen im<br />
engen Zusammenhang mit dem Computereinsatz<br />
<strong>für</strong> Analphabeten auch in anderen europäischen<br />
Ländern, insbesondere in Großbritannien.<br />
Die Lernenden selbst teilt die Autorin<br />
in die vier Typen nach dem Mehrebenenmodell<br />
ein und beschreibt ihre Lernfortschritte bezogen<br />
auf die jeweiligen Voraussetzungen. Es<br />
handelt sich um Fallbeispiele, die aber sehr<br />
intensiv beschrieben und analysiert werden.<br />
Die Lernenden, so die Autorin, „haben Strategien<br />
entwickelt, die ihnen zwar keine korrekte<br />
Rechtschreibung liefern, aber eine Schriftsprachkompetenz<br />
ermöglichen, mit der sie sich<br />
an die Öffentlichkeit trauen … Sie haben erfahren,<br />
daß sie einen Computer bedienen und<br />
damit individuell lernen können. Ferner haben<br />
sie Perspektiven gewonnen <strong>für</strong> weitere berufliche<br />
und schulische Pläne“ (S. 160).<br />
Das Buch enthält viele der in Alphabetisierungskursen<br />
meist individuell entwickelten<br />
Materialien und Textproben, und es veranschaulicht<br />
die Lernprozesse bildhaft und genau.<br />
Begrüßenswert auch die Zusammenstellung<br />
von Arbeitsmitteln zum Thema Analphabetismus,<br />
die sich (ab S. 171) im Anhang<br />
befindet und in der Praxis verfügbare Materialien<br />
kurz vorstellt.<br />
Letztlich ein wenig zu kurz – dies mag am<br />
Medium „Buch“ liegen – kommt das Lernen mit<br />
dem Arbeitsmittel „Computer“. Auch ist das<br />
entwickelte „Mehrebenenmodell“ sehr stark auf<br />
den zu explizierenden Lerngegenstand, die<br />
Schriftsprache, konzentriert, die Ebene der<br />
biographischen Vorerfahrungen und Lernmotivationen<br />
wird zu wenig berücksichtigt. Andererseits<br />
ist die Fallbeschreibung persönlicher<br />
Lernstrategien mit Blick auf Kompetenzen<br />
und Interessen der Lernenden überzeugend<br />
entwickelt.<br />
Alles in allem ein Buch, das sich <strong>für</strong> diejenigen<br />
zu lesen lohnt, die an dem Interesse haben,<br />
was gemeinhin als „Mikrodidaktik“ im Umgang<br />
mit Lernenden selbst bezeichnet wird. E.N.<br />
Michael Volkmann<br />
Neuorientierung in Palästina<br />
<strong>Erwachsenenbildung</strong> deutschsprachiger jüdischer<br />
Einwanderer 1933 bis 1948<br />
(Böhlau Verlag) Köln 1994, 342 Seiten, DM<br />
88.00<br />
Der Verfasser legt mit dem Buch eine historische<br />
interkulturelle Studie vor. Gegenstand ist<br />
die <strong>Erwachsenenbildung</strong> deutschsprachiger<br />
jüdischer Einwanderer nach Palästina zwischen<br />
den Jahren 1933 und 1948, also vom Beginn<br />
der Naziherrschaft in Deutschland bis zur Gründung<br />
des Staates Israel. Um eine interkulturelle<br />
Studie handelt es sich aus zwei Gründen.<br />
Erstens weil der Weg westeuropäisch geprägter<br />
Juden in das <strong>für</strong> sie neue und sich kulturell<br />
tiefgreifend verändernde jüdische Gemeinwesen<br />
in Palästina nachgezeichnet wird; zweitens<br />
weil der Verfasser die Entstehung der<br />
<strong>Erwachsenenbildung</strong> deutschsprachiger jüdischer<br />
Einwanderer als einen Prozeß des Sich-<br />
Abarbeitens zwischen westeuropäisch geprägter<br />
und jüdisch sich neu formierender Kultur in<br />
Palästina darstellt. Diesen Transformationsprozeß<br />
zwischen Herkommen und Neuanfang<br />
konnte er rekonstruieren, weil er die da<strong>für</strong><br />
notwendigen Sprachkenntnisse besitzt. Er hat<br />
die deutschsprachigen und die neuhebräischen<br />
Dokumente mit ihren je spezifischen Intentionen<br />
und kulturellen Hintergründen gelesen und<br />
zu einem dem deutschen Leser verständlichen<br />
und in sich konsistenten Corpus verarbeitet.<br />
Aufbauend auf fundierten Kenntnissen über<br />
die jüdische <strong>Erwachsenenbildung</strong>, die der Verfasser<br />
bereits früher veröffentlicht hat, führt<br />
Teil A der Studie in die Jahrtausende alte<br />
jüdische Bildung und in die moderne jüdische<br />
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