Bild und Bildung im Zeichen der - Egon Schütz Archiv - Universität ...
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Die dritte Universalisierunei; ist die Universalisierune <strong>der</strong> Per-<br />
•C^ <br />
spektive. Diejenigen von Ihnen, die Kunstgeschichte studieren, wis-<br />
sen, daß die Zentralperspektive in <strong>der</strong> Renaissance aufkommt: nicht<br />
von ungefähr, möchte ich sagen. 'Perspektive' kommt vom lateini-<br />
schen "perspicio" <strong>und</strong> bedeutet ursprünglich <strong>im</strong> transitiven Sinne: et-<br />
was deutlich sehen, etwas genau besichtigen, 'perspicio' bedeutet<br />
auch: etwas betrachten, durchlesen, aber auch durchschauen, erken-<br />
nen, wahrnehmen. Mir scheint das Entscheidende <strong>der</strong> Perspektive das<br />
zu sein, daß sie offenbar die Stellung des Betrachters, des Subjekts<br />
deutlich artikuliert, das betrachtet, erkennt, wahrn<strong>im</strong>mt. Perspektiven<br />
sind ohne die Aktivität des Betrachters - man kann auch sagen: ohne<br />
die Prominenz des Betrachters - ohne das Hervorragen des Betrachten-<br />
den nicht denkbar. Vielleicht kann man sich diese ungeheure Bedeu-<br />
tung, die <strong>der</strong> Perspektive als Sinnmoment in diesem Umbruchprozeß<br />
zukommt, noch durch eine an<strong>der</strong>e Variation des Gedankens klarma-<br />
chen: Ein perspektivisches <strong>Bild</strong> ist ein standortgeb<strong>und</strong>enes o<strong>der</strong> stand-<br />
ortbezogenes <strong>Bild</strong>. Eine perspektivische Wahrheit ist eine Wahrheit,<br />
die auf denjenigen zurückweist, für den sie Wahrheit ist. Der Standort,<br />
von dem her gesehen o<strong>der</strong> erkannt wird, kann von verschiedenen Sub-<br />
jekten geteilt werden - es können also verschiedene Leute ein perspek-<br />
tivisches <strong>Bild</strong> betrachten -, aber ohne das Moment <strong>der</strong> Subjektivität ist<br />
ein perspektivisches <strong>Bild</strong> eigentlich nicht denkbar. Die nicht-perspek-<br />
tivische Malerei, die durchaus auch Vor<strong>der</strong>- <strong>und</strong> Flintergr<strong>und</strong> kennen<br />
kann, vergleichgültigt den best<strong>im</strong>mten Betrachter, weist ihn mög-<br />
licherweise sogar ab. Die perspektivische Malerei zeigt ihn als Subjekt<br />
<strong>im</strong>mer mit. O<strong>der</strong> besser: Die perspektivische Malerei rechnet mit dem<br />
Betrachter, ordnet auf ihn zu, stellt sich ihm. So auch das perspektivi-<br />
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