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Bild und Bildung im Zeichen der - Egon Schütz Archiv - Universität ...

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ekommen, daß er, wenn er sie wüßte, daran stürbe. Wahrheit ist die<br />

Illusion, daß jemand, <strong>der</strong> auf einem Tiger reitet, meint, er sei <strong>der</strong> Rei-<br />

ter des Tigers. In Wirklichkeit gibt <strong>der</strong> Tiger die Richtung an <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

Mensch wird von dem best<strong>im</strong>mt, was dieser Tiger ist. Er braucht ge-<br />

wissermaßen die Illusion, den Tiger beherrschen zu können. Diese Il-<br />

lusion - metaphorisch gesprochen -: die Beherrschung des Tigers<br />

durch den Intellekt des Menschen, ist die Funktion <strong>der</strong> Wahrheit.<br />

Wahrheit ist ein notwendiger Irrtum. Die Frage nach Wahrheit <strong>und</strong> Lü-<br />

ge kann man nicht moralisch, nicht wissenschaftlich, man kann sie nur<br />

anthropologisch stellen. Der Mensch ist das Tier, das sich belügen<br />

muß, um weiter leben zu können <strong>und</strong> zu wollen. Und die Form <strong>der</strong> Lü-<br />

ge, die dieses Tier, <strong>der</strong> Mensch, erfindet, ist die Wahrheit. Man könnte<br />

sagen: Jede Wahrheit ist eine Illusion, aber jede Illusion ist eine not-<br />

wendige Illusion. Wir brauchen Wahrheit, ob sie wahr ist o<strong>der</strong> nicht.<br />

Wir müssen nun fragen, wie Nietzsche die auf den ersten Blick<br />

absurde These begründet, wie er sie herleitet: Wie kommt er darauf,<br />

daß die Wahrheit Welt s<strong>im</strong>uliert, <strong>und</strong> zwar notwendig s<strong>im</strong>uliert in <strong>der</strong><br />

Weise, daß gewissermaßen <strong>der</strong> Tiger nicht gespürt wird zwischen den<br />

Schenkeln, daß man sich in <strong>der</strong> Wahrheit wohlfühlt, daß man darin zu-<br />

rechtkommt, daß man sich nicht bei nächster Gelegenheit umbringt,<br />

kurz: daß Wahrheit nichts an<strong>der</strong>es ist als eine höchst effektive Form<br />

des Irrtums, den <strong>der</strong> Mensch braucht, um überleben zu können (als<br />

ästhetischer Schein) <strong>und</strong> überleben zu wollen (als Vernunft)? Das ist<br />

eine an Provokation kaum zu überbietende These. Nietzsche versucht<br />

diese These zu stützen mit einer sprachtheoretischen Argumentations-<br />

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