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Sozialkapital und Bürgerengagement in der Nachbarschaft

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In e<strong>in</strong>er Gesamtbetrachtung lässt sich folgendes Fazit schließen: Die vorgelegten<br />

Äußerungen, die soziale Normen beschreiben, werden von <strong>der</strong> <strong>in</strong> den Kiezen<br />

lebenden Bevölkerung <strong>in</strong> starker <strong>und</strong> e<strong>in</strong>facher Zustimmung allgeme<strong>in</strong> mit<br />

<strong>in</strong>sgesamt 85-90% angenommen. Deutliche Abweichungen gibt es nur bei <strong>der</strong><br />

Beurteilung gewissenloser H<strong>und</strong>ehalter.<br />

Allgeme<strong>in</strong> kann gesagt werden, dass Unterschiede zwischen dem Sold<strong>in</strong>er Kiez<br />

<strong>und</strong> dem Sparrplatz- Kiez deutlich erkennbar s<strong>in</strong>d. Die Intensität sozialer Normen<br />

ist bei Bewohnern im Sold<strong>in</strong>er Kiez stärker ausgeprägt. Das könnte an <strong>der</strong> Präsenz<br />

<strong>der</strong> Kiezläufer, die für Ordnung <strong>und</strong> Sicherheit sorgen, festgemacht werden. Die<br />

Kiezläufer s<strong>in</strong>d jedoch auch Folge des beson<strong>der</strong>s belastenden Müllproblems im<br />

Kiez. Da sich die Sparrplätzer wohler <strong>in</strong> ihrem Kiez fühlen als die Sold<strong>in</strong>er - vgl.<br />

Inhalt des nächsten Abschnitts - ist zu vermuten, dass sie auch weniger Probleme<br />

mit <strong>der</strong> E<strong>in</strong>haltung sozialer Normen besitzen <strong>und</strong> aufgr<strong>und</strong> dessen auch schwächer<br />

auf diese Aussagen reagieren.<br />

Auf den ersten Blick ist die unterschiedliche Internalisierung von Normen<br />

zwischen Deutschen <strong>und</strong> Auslän<strong>der</strong>n <strong>in</strong> den Kiezen problematisch. Die<br />

untersuchten H<strong>in</strong>weise ergeben jedoch kaum Unterschiede gr<strong>und</strong>sätzlicher Art.<br />

Wichtig sche<strong>in</strong>t es, sich über die Ursprünge <strong>der</strong> kulturellen Unterschiede bewusst<br />

zu werden, um sie besser e<strong>in</strong>ordnen, verstehen <strong>und</strong> daran ansetzen zu können. So<br />

stammt z.B. <strong>der</strong> Großteil <strong>der</strong> türkischen Bevölkerung aus dem agrarisch geprägten<br />

Ostteil <strong>der</strong> Türkei. Es liegt auf <strong>der</strong> Hand, dass sich das H<strong>und</strong>ekotproblem auf dem<br />

Land <strong>in</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>stellung ursprünglich erst mal an<strong>der</strong>s darstellt als <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Stadt.<br />

An e<strong>in</strong>em Beispiel soll dennoch die Problematik <strong>der</strong> unterschiedlichen<br />

Wertee<strong>in</strong>stellung kurz erläutert werden: gegenüber Institutionen allgeme<strong>in</strong> <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

Bildungse<strong>in</strong>richtung Schule im Speziellen. Für die ehemaligen türkischen<br />

Landarbeiter nimmt die Schule herkunftsbed<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>en ganz an<strong>der</strong>en Stellenwert<br />

e<strong>in</strong> als bei Deutschen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en ethnischen Gruppen. Aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> engen<br />

verwandtschaftlichen B<strong>in</strong>dungen werden diese Wertevorstellungen zudem stärker<br />

generationsübergreifend <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Familien <strong>in</strong>ternalisiert <strong>und</strong> än<strong>der</strong>n sich<br />

langsamer als bei an<strong>der</strong>en aus dem Ausland zugezogenen Bewohnern. Dies kann<br />

e<strong>in</strong> Fehlbleiben im K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten, Bildungsdefizite <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e<br />

Ger<strong>in</strong>gqualifikation für den späteren Arbeitsmarkt bedeuten 24 . In den letzten Jahren<br />

führte <strong>der</strong> Wegfall gerade von ger<strong>in</strong>gqualifizierten Arbeitsplätzen <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> zudem<br />

zu e<strong>in</strong>er höheren Arbeitslosigkeit bei <strong>der</strong> türkischen Bevölkerung gegenüber <strong>der</strong><br />

deutschen. Und wie <strong>der</strong> im Resultat niedrigere soziale Status (vor allem als<br />

Arbeitsloser o<strong>der</strong> Sozialhilfeempfänger) <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft geachtet wird, ist leicht<br />

nachvollziehbar. So können sich bestimmte Werte <strong>und</strong> Normen zu e<strong>in</strong>em<br />

Diskrim<strong>in</strong>ierungsproblem entwickeln. Sie stützen möglicherweise e<strong>in</strong>e Atmosphäre<br />

<strong>der</strong> Distanz <strong>und</strong> erschweren e<strong>in</strong>e Kooperation im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> SK- Theorie zwischen<br />

den verschiedenen Ethnien. Lösungsansätze f<strong>in</strong>den sich, bezogen auf das Beispiel -<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er För<strong>der</strong>ung von Türken, die u.a. am kulturellen H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> stärker ansetzt.<br />

Das gilt <strong>in</strong> an<strong>der</strong>er Form auch für die Unterschiede zwischen den Altersklassen, die<br />

ebenso wenig überraschend sche<strong>in</strong>en. Sie bee<strong>in</strong>trächtigen <strong>in</strong> gewisser H<strong>in</strong>sicht die<br />

Entwicklung <strong>und</strong> Stabilität generationsübergreifen<strong>der</strong> Netzwerke. E<strong>in</strong>e Brücke<br />

könnte die gegenseitige Erkenntnis <strong>der</strong> "Doppelmoral" zwischen jüngeren <strong>und</strong><br />

älteren Altersklassen se<strong>in</strong>, wenn e<strong>in</strong>zelne Akteure ihren Beitrag zur Sauberkeit im<br />

Kiez objektiver beurteilen. Es ist wi<strong>der</strong>sprüchlich, wie sich bei e<strong>in</strong>zelnen<br />

Interviews herausstellte, dass H<strong>und</strong>ehalter e<strong>in</strong> Problem mit dem Müll im Kiez<br />

haben, ihnen die Entsorgung <strong>der</strong> Fäkalien ihrer Vierbe<strong>in</strong>er jedoch egal ist.<br />

24 Das ist ke<strong>in</strong>e vorgegebene E<strong>in</strong>bahnstraße: In Berl<strong>in</strong> gibt es <strong>der</strong>zeit ca. 2000 türkische Studenten.<br />

Schnur, O. (Hrsg.):<br />

<strong>Sozialkapital</strong> <strong>und</strong> Engagement <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Nachbarschaft</strong>: Ressourcen für die<br />

„soziale“ Stadtentwicklung. Empirische<br />

Untersuchungen <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>-Wedd<strong>in</strong>g.

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