06.11.2013 Aufrufe

Sozialkapital und Bürgerengagement in der Nachbarschaft

Sozialkapital und Bürgerengagement in der Nachbarschaft

Sozialkapital und Bürgerengagement in der Nachbarschaft

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

36<br />

3.3 <strong>Sozialkapital</strong>: Ressourcen <strong>in</strong> sozialen Beziehungen<br />

<strong>und</strong> Netzwerken<br />

"Jede Gesellschaft benötigt zur Organisation des Zusammenlebens e<strong>in</strong>e Ordnung,<br />

<strong>der</strong>en Humanität <strong>und</strong> Vitalität auch vom E<strong>in</strong>satz des e<strong>in</strong>zelnen, se<strong>in</strong>er Motivation<br />

<strong>und</strong> se<strong>in</strong>er Mitsorge für die Geme<strong>in</strong>schaft abhängt. Insofern s<strong>in</strong>d Geme<strong>in</strong>s<strong>in</strong>n <strong>und</strong><br />

Geme<strong>in</strong>schaftsfähigkeit Gr<strong>und</strong>voraussetzungen für den Zusammenhalt e<strong>in</strong>er<br />

Gesellschaft. Gesellschaftliche B<strong>in</strong>dekräfte bzw. `soziales Kapital´ s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e<br />

zentrale Ressource je<strong>der</strong> Gesellschaft" (PUTNAM 2001: 11).<br />

Alena Bleicher<br />

Carsten Förtsch<br />

Johannes Junius<br />

3.3.1 E<strong>in</strong>leitung<br />

In den vorausgehenden Abschnitten s<strong>in</strong>d durch die Erörterung <strong>der</strong><br />

Themenkomplexe, die sich mit <strong>Nachbarschaft</strong>en <strong>und</strong> bürgerlichem Engagement<br />

beschäftigen, Bereiche erschlossen worden, die bei <strong>der</strong> Untersuchung sozialer<br />

Phänomene auf Stadtteilebene e<strong>in</strong>en punktuellen <strong>und</strong> dennoch lebendigen E<strong>in</strong>druck<br />

des Kiezlebens vermitteln können. In diesem Beitrag werden diese<br />

Themenkomplexe über die Darstellung sozialer Beziehungen <strong>und</strong> Netzwerke<br />

abstrahiert <strong>und</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em theoretischen Konzept zusammengeführt. Es geht um die<br />

Funktionsweise <strong>und</strong> Wirkung sozialer Beziehungen <strong>und</strong> im Folgenden<br />

ausdrücklich um das Kapital, das diesen Beziehungen <strong>in</strong>ne liegen kann - e<strong>in</strong>e kurze<br />

Charakteristik dessen, was unter „<strong>Sozialkapital</strong>“ verstanden wird.<br />

Die Idee vom „<strong>Sozialkapital</strong>“ kann <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e historische Serie von verschiedenen<br />

Überlegungen zu Kapitalformen e<strong>in</strong>geordnet werden, als Produktionsfaktor analog<br />

zu Physischem Kapital o<strong>der</strong> Humankapital 4 . „<strong>Sozialkapital</strong>“ ist dabei<br />

Forschungsgegenstand e<strong>in</strong>er Vielzahl von theoretischen <strong>und</strong> praktischen<br />

Untersuchungen <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e aus den Sozial- wie Politikwissenschaften geworden.<br />

3.3.1.1 Begriffsgeschichte<br />

Populär wird das Konzept durch BOURDIEU (1983) <strong>und</strong> COLEMAN (1988,<br />

1990), zwei <strong>der</strong> bedeutendesten Sozialwissenschaftler unserer Zeit (PAXTON<br />

1999: 88). Seit Ende <strong>der</strong> 1980er Jahren zeigt sich e<strong>in</strong> stark gestiegenes Interesse an<br />

diesem Thema. So werden bis 1981 nur ganze 20 Facharbeiten veröffentlicht.<br />

Zwischen 1991 <strong>und</strong> 1995 s<strong>in</strong>d es 109 Beiträge, die unter Verwendung des Begriffs<br />

des <strong>Sozialkapital</strong>s ersche<strong>in</strong>en. In den nur drei darauf folgenden Jahren zwischen<br />

1996 <strong>und</strong> 1999 schließen sich knapp e<strong>in</strong>tausend Publikationen dem Thema an<br />

(PUTNAM 2001: S. 18).<br />

Der Begriff des „<strong>Sozialkapital</strong>s“ ist offenbar Anfang des letzten Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

entstanden 5 , er verschwand jedoch für lange Zeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> wissenschaftlichen<br />

Bedeutungslosigkeit. Das Gleiche wi<strong>der</strong>fährt an<strong>der</strong>en Arbeiten: unabhängig<br />

vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> wird die Wortkreation „<strong>Sozialkapital</strong>“ m<strong>in</strong>destens sechsmal <strong>in</strong> den<br />

letzten h<strong>und</strong>ert Jahren erf<strong>und</strong>en (PUTNAM 2001: 17). So folgen vor allem<br />

sozialwissenschaftliche Veröffentlichungen, <strong>in</strong> denen mit dem <strong>Sozialkapital</strong>begriff<br />

4<br />

5<br />

Physisches Kapital ist, wie die Bezeichnung schon vermuten lässt, materieller Art. Geme<strong>in</strong>t s<strong>in</strong>d<br />

Gegenstände wie Masch<strong>in</strong>en <strong>und</strong> Werkzeuge, die ökonomische Produktionen erleichtern können. Die<br />

Qualität von Humankapital äußert sich <strong>in</strong> den Fähigkeiten <strong>und</strong> Fertigkeiten von Individuen, die durch<br />

Bildung o<strong>der</strong> Arbeitstra<strong>in</strong><strong>in</strong>g <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Individuen entstehen <strong>und</strong> Produktionen erleichtern (Paxton 1999:<br />

88).<br />

So erschien e<strong>in</strong>e im Jahre 1916 von Lyda Judson Hanifan verfasste pädagogikwissenschaftliche Schrift unter<br />

Verwendung des Begriffs <strong>und</strong> gilt heute als die erste Referenz zum Forschungsthema (Putnam 2001: 16f)<br />

Humboldt-Universität zu Berl<strong>in</strong><br />

Geographisches Institut<br />

Arbeitsberichte<br />

Nr. 87 (2003)

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!