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Sozialkapital und Bürgerengagement in der Nachbarschaft

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159<br />

zu identifizieren. Die Bewohner mit lokalen Verwandtschaftsnetzwerken haben<br />

sich für die e<strong>in</strong>zelnen Kieze hauptsächlich wegen <strong>der</strong> persönlichen Kontakte zu<br />

Bewohnern <strong>der</strong> Kieze entschieden. Die Kontakte zu an<strong>der</strong>en hier lebenden<br />

Verwandten stärken die lokale B<strong>in</strong>dung, so wird die nahe Umgebung <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

von dieser Personengruppe als Heimat betrachtet.<br />

Für die nichtdeutsche Bevölkerung sche<strong>in</strong>en die bereits im Kiez <strong>in</strong>stallierten<br />

Netzwerke von beson<strong>der</strong>er Bedeutung zu se<strong>in</strong>: Sie s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> entscheidendes Motiv<br />

für ihre Entscheidung <strong>in</strong> den Kiez zu ziehen Die türkische Bevölkerung betrifft dies<br />

überdurchschnittlich.. Da sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> türkischen Bevölkerung e<strong>in</strong>e Identität weniger<br />

über die Ethnie o<strong>der</strong> Nation, son<strong>der</strong>n über die regionsspezifische Herkunft bildet<br />

(über die Landsmannschaft: hemerilik), ist es gerade bei Türken <strong>der</strong> zweiten <strong>und</strong><br />

dritten Generation möglich, dass sich e<strong>in</strong>e Identität über e<strong>in</strong>e neue<br />

Landsmannschaft aus dem Kiez entwickelt, sozusagen als "Türke <strong>in</strong> Wedd<strong>in</strong>g".<br />

E<strong>in</strong>e stark ausgeprägte lokale Identität kann als e<strong>in</strong>e mögliche Vorraussetzung für<br />

die Entstehung von <strong>Sozialkapital</strong> betrachtet werden.<br />

Ähnliches gilt für die Vielzahl <strong>der</strong> Bewohner mit Fre<strong>und</strong>en vor Ort<br />

(durchschnittlich 60%). Für diese Personengruppe konnte e<strong>in</strong> höheres<br />

Wohlbef<strong>in</strong>den im Kiez im Vergleich zum Durchschnitt nachgewiesen werden.<br />

Diese Ressourcen können zu e<strong>in</strong>er endogenen Aufwertung <strong>der</strong> Kieze beitragen.<br />

Es fällt jedoch auf, dass das <strong>Sozialkapital</strong> nicht verstärkt kiezaktiv genutzt wird.<br />

Die Untersuchung zeigt auch, dass die vorhandene lokale Identität bisher nur<br />

unwesentlich zu e<strong>in</strong>em überproportionalen Engagement führt. Im Sparrplatz- Kiez<br />

sche<strong>in</strong>t noch am ehesten e<strong>in</strong> <strong>der</strong>artiger Zusammenhang zu bestehen. Im Sold<strong>in</strong>er<br />

Kiez s<strong>in</strong>d Bürger, die sich generell ehrenamtlich engagieren eher bereit für den<br />

Kiez e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen, wenn sie sich dort auch wohlfühlen. Ist dies nicht <strong>der</strong> Fall<br />

gehen ihre Aktivitäten für das Gebiet verloren <strong>und</strong> sie engagieren sich woan<strong>der</strong>s.<br />

In den nachbarschaftlichen Netzwerken s<strong>in</strong>d die Bed<strong>in</strong>gungen, die für die<br />

Entstehung von SK notwendig s<strong>in</strong>d, gegeben. Sie zeichnen sich durch beson<strong>der</strong>s<br />

von Vertrauen geprägte Beziehungen aus. Das liegt am stark ausgeprägten<br />

Wohlbef<strong>in</strong>den <strong>der</strong> Kiezbewohner <strong>in</strong> Bezug auf ihre Nachbarn <strong>und</strong> zeigt zweitens<br />

auch die hohe Kontakt<strong>in</strong>tensität <strong>der</strong> Kiezbewohner <strong>in</strong>nerhalb ihrer Wohnhäuser<br />

untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong>. Auch das gilt eigens für die türkische Bevölkerung. Es ist <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Untersuchung nicht möglich gewesen, zwischen welchen o<strong>der</strong> <strong>in</strong>nerhalb welcher<br />

Ethnien die Kontakthäufigkeit am höchsten ist, jedoch s<strong>in</strong>d die nachbarschaftlichen<br />

Leistungen <strong>der</strong> Türken im Vergleich zu an<strong>der</strong>en überdurchschnittlich hoch.<br />

Zwischen türkischen Nachbarn herrscht häufig e<strong>in</strong>e fast familiäre Atmosphäre. E<strong>in</strong><br />

türkisches Sprichwort lautet auch: "Such dir ke<strong>in</strong>e Wohnung aus, suche die<br />

Nachbarn aus". 34 Für das Quartiersmanagement kann e<strong>in</strong>e Empfehlung se<strong>in</strong>, z.B.<br />

das dort <strong>in</strong>nenliegende Potenzial des Informationsflusses für ihre Kiezarbeit zu<br />

nutzen <strong>und</strong> gezielt an diesem <strong>und</strong> ethnienunabhängig generell an<br />

nachbarschaftlichen Netzwerken anzusetzen. Dafür sprechen auch die zahlreichen<br />

Brücken, die im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> Netzwerktheorie bzw. des „bridg<strong>in</strong>g“ social capital<br />

vorhanden s<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong> Fünftel <strong>der</strong> Befragten hat Strong- Ties-Beziehungen, drei<br />

Fünftel <strong>der</strong> Nachbarn Beziehungen, die als Weak-Ties e<strong>in</strong>geordnet werden können.<br />

Es handelt sich nicht immer um <strong>in</strong>takte <strong>Nachbarschaft</strong>sbeziehungen, jedoch lässt<br />

die Kontakt<strong>in</strong>tensität als auch <strong>der</strong>en Qualität erkennen, dass die Verhältnisse unter<br />

den Nachbarn im Untersuchungsgebiet nicht von Anonymität gekennzeichnet ist.<br />

34<br />

M , ÇINAR T (HRSG) 1998 (2, überarb. Aufl.): Das türkische Berl<strong>in</strong>. Berl<strong>in</strong>: Auslän<strong>der</strong>beauftragte des<br />

Senats von Berl<strong>in</strong>. S.33<br />

Schnur, O. (Hrsg.):<br />

<strong>Sozialkapital</strong> <strong>und</strong> Engagement <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Nachbarschaft</strong>: Ressourcen für die<br />

„soziale“ Stadtentwicklung. Empirische<br />

Untersuchungen <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>-Wedd<strong>in</strong>g.

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