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Sozialkapital und Bürgerengagement in der Nachbarschaft

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Wichtig ist es, e<strong>in</strong>en Anreiz zu schaffen <strong>und</strong> das Ehrenamt bzw. Engagement<br />

attraktiv zu gestalten. Die Praxis hat gezeigt, dass die Beteiligung umso größer ist,<br />

je def<strong>in</strong>ierter das Anliegen formuliert wird (R. Fischer). Um auch das Potential <strong>der</strong><br />

nicht- deutschen Bevölkerung nutzen zu können, müssen verschiedene<br />

Ansatzpunkte gef<strong>und</strong>en werden, denn „von e<strong>in</strong>er türkischen<br />

Sozialhilfeempfänger<strong>in</strong>, die morgens vielleicht putzen geht <strong>und</strong> nebenbei noch zwei<br />

kle<strong>in</strong>e K<strong>in</strong><strong>der</strong> hat, [kann man nicht erwarten, dass sie am Schulunterricht<br />

teilnimmt], aber dass sie sich vielleicht an Schulfesten beteiligt.“ (R. Fischer) Bei<br />

<strong>der</strong> ausländischen Bevölkerung existieren an<strong>der</strong>e Mechanismen sozialer<br />

Anerkennung, Familienverbande o<strong>der</strong> landesmannschaftliche B<strong>in</strong>dungen spielen<br />

z.B. bei <strong>der</strong> türkischen Bevölkerung e<strong>in</strong>e viel größere Rolle. Sie besitzen dadurch<br />

e<strong>in</strong>en an<strong>der</strong>en Stil des Engagements als die Deutschen. (R. Fischer)<br />

Letztendlich muss man h<strong>in</strong>sichtlich des Engagements abschätzen, was für die<br />

e<strong>in</strong>zelnen Leute überhaupt machbar ist, <strong>und</strong> ihnen vor allem vermitteln, was sie<br />

davon haben, dabei kann (<strong>und</strong> sollte) auch Spaß e<strong>in</strong> Antriebsfaktor darstellen.<br />

Integration <strong>der</strong> Migranten<br />

Die E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> nicht- deutschen Bevölkerung hat sich nach E<strong>in</strong>schätzung von<br />

M. Langer <strong>in</strong> den letzten Jahren verschlechtert <strong>und</strong> stelle das größte Problem im<br />

Kiez dar. Die Sprachkompetenz, speziell die <strong>der</strong> Türken, hat enorm nachgelassen.<br />

Das zeigen vorschulische Untersuchungen, aber auch die Schulen <strong>und</strong> KiTa’s im<br />

Kiez bestätigen diese Entwicklung. „Mir hat letztens e<strong>in</strong>e Direktor<strong>in</strong> gesagt, das<br />

ist nicht selten, dass e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>der</strong> vierten Klasse den ersten deutschen Satz<br />

schreibt. Da frage ich mich, wie kommt <strong>der</strong> bis <strong>in</strong> die vierte Klasse?“ (M. Langer)<br />

R. Fischer beschreibt die Situation <strong>der</strong> Migranten als e<strong>in</strong>e „Koloniebildung“, die<br />

Vor- <strong>und</strong> Nachteile bietet. Die B<strong>in</strong>nen<strong>in</strong>tegration ist sehr erfolgreich: u.a. haben die<br />

Türken <strong>und</strong> Araber mit Gemüsehandel, Pizza- <strong>und</strong> Dönerverkauf ökonomische<br />

Nischen erschlossen, die zum<strong>in</strong>dest e<strong>in</strong>e Perspektive für ihre K<strong>in</strong><strong>der</strong> darstellen.<br />

Durch <strong>der</strong>artige Familiengeschäfte kann sich die Abgeschlossenheit aber <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

nächsten Generation reproduzieren, <strong>und</strong> gleichzeitig ist das Gewerbe von hoher<br />

Fluktuation <strong>und</strong> Unsicherheit bedroht. Die B<strong>in</strong>nen<strong>in</strong>tegration ist an<strong>der</strong>erseits auch<br />

e<strong>in</strong> Gr<strong>und</strong> für die fehlgeschlagene Integration <strong>in</strong> die Mehrheitsgesellschaft. Man<br />

könne alle Dienstleistungen <strong>in</strong> türkischer Sprache erhalten, weshalb <strong>der</strong> Anreiz<br />

fehlt, Deutsch zu lernen (R. Fischer). Durch Heiratsmigration (vgl.<br />

Leitfaden<strong>in</strong>terviews mit verschiedenen Stadtteilpolitikern) beson<strong>der</strong>s <strong>der</strong> Türken<br />

wird diese Abgeschlossenheit noch verstärkt, da die nachkommenden Frauen ke<strong>in</strong><br />

Wort Deutsch sprechen. Aber e<strong>in</strong> großer Teil <strong>der</strong> türkisch- stämmigen<br />

Bevölkerung, <strong>und</strong> speziell die Frauen, ist daran <strong>in</strong>teressiert, die fremde Sprache zu<br />

lernen, nur fehlen die Möglichkeiten. Die Kurse <strong>der</strong> Volkshochschule für Mütter,<br />

die parallel zum Schulunterricht angeboten werden, könnten <strong>der</strong> Nachfrage<br />

entsprechend sogar verdoppelt werden (M. Langer).<br />

Der „gefühlte Auslän<strong>der</strong>anteil“ ist laut R. Fischer wesentlich höher als die Statistik:<br />

„...da haben viele Deutsche hier eher den gefühlten Auslän<strong>der</strong>anteil von 95%.“<br />

Zum E<strong>in</strong>en geht die Zahl e<strong>in</strong>gebürgerter Migranten nicht <strong>in</strong> die Statistik e<strong>in</strong> (was<br />

aber nur e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en Teil ausmacht), zum An<strong>der</strong>en ist <strong>der</strong> Altersaufbau zum<br />

deutschen sehr verschieden: etwa 50% <strong>der</strong> Bewohner nicht- deutscher Herkunft<br />

s<strong>in</strong>d unter 18 Jahren <strong>und</strong> machen <strong>in</strong> den Schulen sogar 85% aus (R. Fischer). So<br />

stehen sich im wesentlichen zwei Bevölkerungsgruppen gegenüber: deutsche<br />

Rentner, die im Straßenraum nicht so präsent s<strong>in</strong>d, <strong>und</strong> ausländische Jugendliche,<br />

die ihre Freizeit oft <strong>in</strong> Gruppen im öffentlichen Raum verbr<strong>in</strong>gen.<br />

Während M. Langer hervorhebt, dass die Auslän<strong>der</strong> sich mehr e<strong>in</strong>passen müssten,<br />

um e<strong>in</strong> Zusammenleben zu ermöglichen, betont R. Fischer, dass Integration e<strong>in</strong>en<br />

Mentalitätswandel von Deutschen <strong>und</strong> Auslän<strong>der</strong>n voraussetzt. Der Staat müsste<br />

Humboldt-Universität zu Berl<strong>in</strong><br />

Geographisches Institut<br />

Arbeitsberichte<br />

Nr. 87 (2003)

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